Der Berliner Mietendeckel ist noch gar nicht verabschiedet, doch dass er in Karlsruhe landen wird, gilt als sicher. Im Interview erklärt Staatsrechtler Ulrich Battis, was verfassungsrechtlich möglich ist und was nicht.
LTO: Herr Professor Battis, der Berliner Mietendeckel ist heftig umstritten. Fangen wir mit der Regelung an, die noch am ehesten verfassungsgemäß sein dürfte: der Mietenstopp für fünf Jahre. Darf das Land Berlin ein Mietenmoratorium verhängen oder ist ausschließlich der Bundesgesetzgeber für eine Regulierung der Mieten zuständig?
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis: Die Länder haben die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen, das ist völlig klar. Diesen Kompetenztitel gibt es schon seit mehr als hundert Jahren. Der Bund hat ihn im Zuge der Föderalismusreform aufgegeben, damit ist diese Kompetenz nicht etwa abgeschafft, sondern fällt automatisch an die Länder. Streiten kann man allerdings darüber, was in diese Kompetenz fällt und was nicht.
Ich halte ein Mietenmoratorium für zulässig, denn das zielt auf den Wohnungsmarkt – und nicht auf das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter, wie es der Bundesgesetzgeber im BGB regelt. Das Moratorium hebelt anders als die ebenfalls im Entwurf vorgesehenen Obergrenzen und die Kappung von Mieten das Vertragsrecht nicht aus.
Doch ein solches Moratorium muss mit einem wohnungspolitischen Konzept verbunden werden. Einfach nur deckeln, ohne weitere Maßnahmen zu ergreifen, und dann womöglich in fünf Jahren einen weiteren Deckel verabschieden – das geht nicht. Berlin müsste die Zeit nutzen, um den Wohnungsmarkt mit anderen Mitteln zu beruhigen.
Der Gesetzentwurf, den der Berliner Senat gerade beschlossen hat, sieht nicht nur einen Mietenstopp, sondern auch eine Obergrenze für Mieten vor. Vermieter dürfen nicht mehr als die im Gesetz festgelegten Mieten verlangen. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher von den Linken, stellt sich auf den Standpunkt, das sei eine öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten - und damit ebenfalls von der Kompetenz der Länder zur Regelung des Wohnungswesens gedeckt.
Historisch betrachtet steht auf der einen Seite das zivile Mietrecht des BGB und auf der anderen Seite das öffentlich-rechtliche Wohnungswesen, wozu auch das Mietpreisrecht gehört.
Aber heute kann man das nicht mehr so scharf trennen. Wir haben ja kein rein libertäres BGB, auch wenn das manche Zivilrechtler vielleicht gerne so hätten. Das soziale Mietrecht wurde stetig ausgebaut, der Bundesgesetzgeber hat gerade erst die Mietpreisbremse verabschiedet und plant nun noch eine weitere Verschärfung.
"Wer im Wedding wohnt, zahlt fast genauso viel, wie jemand am Kurfürstendamm"
Und damit bleibt kein Spielraum mehr für eine Mietpreisregelung auf Landesebene?
Die Mietobergrenze, wie sie der Berliner Mietendeckel vorsieht, greift jedenfalls ganz massiv in die Mietverträge ein und setzt sich damit über die entsprechenden Regelungen des BGB hinweg. Da kann man nicht einfach sagen, das sei doch öffentliches Recht. Man muss den inhaltlichen Zusammenhang sehen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in solchen Fällen eindeutig: Die Länder dürfen sich nicht einfach über den Bund hinwegsetzen und etwas ganz anderes oder womöglich das Gegenteil von dem regeln, was der Bund schon geregelt hat.
Abgesehen von der Kompetenzfrage: Welche verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen noch gegen die Festlegung einer Mietobergrenze?
Die Mietobergrenze richtet sich im Wesentlichen nach dem Baujahr und der Ausstattung der Wohnung, die Lage der Wohnung wird nur völlig unzureichend berücksichtigt. Das ist ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Grundgesetz. Es ist doch nicht nachvollziehbar, dass jemand, der im Wedding wohnt, fast genauso viel zahlen soll wie der Mieter einer Wohnung am Kurfürstendamm oder im Grunewald.
Außerdem ist das ein unzulässiger Eingriff ins Eigentumsrecht der Vermieter aus Art. 14 GG sein: Wer seine Altbauwohnung in einer sehr guten Lage nun vermieten will, konnte bisher am Markt vielleicht eine Miete von 20 Euro pro Quadratmeter erzielen– nach den Mietobergrenzen darf er plötzlich nur noch maximal 9,45 Euro nehmen.
"Karlsruhe hat schon deutliche Hinweise gegeben"
Die Unionsfraktion im Bundestag und die FDP haben bereits angekündigt, das Berliner Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Mit welcher Aussicht?
Das Bundesverfassungsgericht könnte das Berliner Gesetz – auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages – im Wege eines Normenkontrollverfahrens überprüfen. Die Karlsruher Richter haben in ihrem Beschluss zur Mietpreisbremse im Juli dieses Jahres schon deutliche Hinweise gegeben, was verfassungsrechtlich machbar ist und was nicht. Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Mietenmoratorium Bestand haben wird, die Regelungen zur Mietobergrenze jedoch nicht.
Wenn in Berlin alles nach Plan läuft, könnte der Mietendeckel Anfang 2020 in Kraft treten. Die Mieter sollten sich aber lieber nicht zu früh freuen, richtig?
Wenn das Gesetz in Kraft tritt, gilt die Obergrenzen zunächst in den Fällen, in denen ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass in bestehenden Mietverhältnissen die Miete auf Antrag gekappt werden kann, wenn sie deutlich über der Obergrenze liegt. Diese Kappung soll aber frühestens neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes möglich sein. Ich hoffe, dass wir bis dahin schon eine klare Ansage des Verfassungsgerichts haben.
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis ist emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin und Of Counsel bei GSK Stockmann. Er hatte einen ersten Gesetzentwurf zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung in Berlin (Berliner MietenWoG) im Auftrag des Landes Berlin (Senatskanzlei) verfassungsrechtlich analysiert.
Berliner Mietendeckel: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38453 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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