Die Berliner Senatsverwaltung hisst zum CSD Regenbogenflaggen – was vielleicht nicht allen gefällt, aber verfassungsrechtlich unproblematisch sein dürfte. Und auch beflaggungsordnungsrechtlich geregelt abläuft.
Am Montag um 10:30 hisst der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), gemeinsam mit der LGBT-Community, so die Presseerklärung, die Regenbogenflagge vor der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Es ist Pride Week in Berlin, am Samstag findet der Christopher Street Day statt, Demo und Party der Lesben-, Schwulen- und Queer-Bewegung. Er erinnert in diesem Jahr unter dem Motto "Every riot starts with your voice" an den Aufstand vor fünfzig Jahren im New Yorker Stonewall Inn, der als Beginn der Lesben- und Schwulenemanzipation gilt. Und da wird in Berlin regenbogenfarben geflaggt, sei es der eigene Balkon, das Fahrrad oder eben traditionell auch die Berliner Rathäuser.
Innenstaatssekretär Torsten Akmann hat sogar offiziell seine "allgemeine Zustimmung für eine Beflaggung mit der Regenbogenfahne im Zeitraum vom 21. bis 27. Juli 2019 für alle Dienststellen des Landes Berlin" gegeben. Normalerweise dürfen an öffentlichen Gebäuden nämlich nur hoheitliche Flaggen gezeigt werden. Das sieht die Berliner Beflaggungsverordnung vor, nämlich "an der von außen auf das Gebäude gesehen linken Seite die Europaflagge, in der Mitte die Bundesflagge und an der rechten Seite die Landesflagge". Bei besonderen Anlässen, zum Beispiel wenn hoher Besuch kommt, können dazwischen auch andere hoheitliche Flaggen wehen.
Zu besonderen Anlässen oder Veranstaltungen können aber auch nicht-hoheitliche Flaggen gesetzt werden – wenn die Senatsverwaltung für Inneres zustimmt.
Müssen sich staatliche Stellen neutral verhalten?
Dass in Berlin ganz offiziell die Regenbogenflagge weht, wird dennoch nicht allen gefallen. Als Symbol der Gay Pride Bewegung ist sie auch ein politisches Zeichen. Müssten sich öffentliche Stellen zum CSD neutral verhalten?
Politische Aktionen von Amtsträgern sind nur in Grenzen möglich. So erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Aktion "Licht aus" des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel für rechtswidrig, mit der an öffentlichen Gebäuden die Lichter ausgeschaltet wurden, um ein Zeichen gegen eine Kundgebung von "Dügida" (Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes) zu setzen.
Die ehemalige Bildungsministerin Johanna Wanka musste 2015 auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts eine Pressemitteilung von der Ministeriumsseite löschen, in der es hieß, man müsse der AfD "die rote Karte zeigen". Das OLG Köln hat dagegen kürzlich entschieden, dass sich eine SPD-Sprecherin auf der Seite der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag kritisch gegenüber der AfD äußern durfte.
Die staatliche Neutralitätspflicht ist nicht in Stein gemeißelt, wie weit sie in welchen Fällen reicht, ist umstritten. Klar ist: Ein strenger Maßstab gilt da, wo es um die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb geht.
Für Toleranz und jedenfalls nicht gegen bestimmte Parteien gerichtet
Der Bonner Staatsrechtsprofessor Heiko Sauer hält die Regenbogen-Beflaggung deshalb für verfassungsrechtlich unproblematisch. Schließlich handele es sich "nicht um eine Positionierung gegen jemanden, sondern um eine, zudem recht allgemeine, Positionierung für jemanden bzw. ein Anliegen" so Sauer gegenüber LTO. "Es liegt in der Natur der politischen Auseinandersetzung, dass auch solche Positionierungen nie allen gefallen", so Sauer weiter. "Man kann aber nach unserer Verfassungsordnung einer staatlichen Stelle nicht vorwerfen oder ihr gar verbieten wollen, dass sie für Toleranz und für den Respekt gegenüber gesellschaftlichen Gruppen eintritt, die sich lange erheblicher Diskriminierung ausgesetzt gesehen haben."
Der Staatsrechtler Christoph Degenhart von der Uni Leipzig sieht das ähnlich: Die Regenbogenfahne werde überparteilich verwendet; und könne deshalb, wenn sie in der Öffentlichkeit gezeigt werde, "nicht als Stellungnahme für oder gegen eine bestimmte Partei oder politische Richtung unter missbräuchlichem Einsatz der Amtsautorität interpretiert werden."
Wobei man natürlich gleichzeitig für etwas und gegen etwas anderes sein kann, in diesem Fall etwa gegen Homophobie. Selbst dann und auch bei einer strikten Auslegung der staatlichen Neutralitätspflicht sei die Regenbogenfahne aber wohl zulässig, so Degenhart: "Zweifellos kann im Hissen der Fahne auch eine dezidierte Stellungnahme gegen Homophobie und Intoleranz gesehen werden; dass es politische Gruppierungen geben mag, bei deren Mitgliedern und Anhängern möglicherweise derartige Einstellungen häufiger zu finden sind, bedeutet ja nicht, dass mit dem Aufziehen der Fahne gezielt gegen diese Stellung genommen wird."
Im Übrigen, so Degenhart, sei es gleichfalls unschädlich, dass es sich "bei all dem auch um ein Stück Marketing für Berlin (das ach so weltoffene, tolerante Berlin....) handeln dürfe". Das sei "schließlich legitime Aufgabe einer Stadtregierung."
Damit die Senatsverwaltung für Inneres nicht jedes Jahr zum CSD von ihren Dienststellen mit Bitten überrannt wird, Regenbogenflaggen zu genehmigen, plant sie übrigens, künftig eine generelle Zustimmung zur Beflaggung mit der Regenbogenfahne in die Beflaggungsverordnung aufzunehmen. Diese solle "allen Dienststellen des Landes Berlin und der unter seiner Aufsicht stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts erlauben, ihre Gebäude alljährlich anlässlich des Christopher Street Days in Berlin ohne gesonderten Antrag mit der Regenbogenfahne zu beflaggen".
Justizsenator hisst Regenbogenflagge zur Pride Week: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36605 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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