Beigeordnetenwahl und Kommunalaufsicht: Der Kölner Kämmerer und die Freiheit der Gemeinden

Die Domstadt findet sich nach einstürzenden Stadtarchiven und insgesamt eher unrühmlichen U-Bahn-Bauten derzeit schon wieder in den bundesweiten Schlagzeilen. Diesmal mit dem Versuch, einen Kämmerer zu wählen. Prof. Dr. Frank Bätge über eine schwierige Wahl und die faktische Beschränkung der rechtlich unbegrenzten personellen Unabhängigkeit der Kommunen.

In der kommunalen Personalhoheit drückt sich die personelle Unabhängigkeit der Gemeinden, Städte und Kreise von der staatlichen Personalwirtschaft aus; sie garantiert vor allem das Recht der Kommunen, das zur Erfüllung der Aufgaben nötige Personal selbst auszuwählen. Dies gilt insbesondere für das kommunale Spitzenpersonal, den kommunalen Wahlbeamten.

In der Realität wird dieser Grundsatz jedoch durch gesetzliche Regelungen und dadurch bestehende Aufsichtsmöglichkeiten der staatlichen Kommunalaufsicht eingeschränkt. Die (versuchte) Wahl eines Kämmerers/einer Kämmerin durch den Rat der Stadt Köln ist hierfür ein gutes Beispiel.

Der Rat der Stadt Köln hatte nach erfolgter Ausschreibung einen Bewerber zum Beigeordneten gewählt, der seit über 20 Jahren Mitglied im Stadtrat – dabei auch Mitglied im Finanzausschuss -, seit 10 Jahren stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Fraktionsgeschäftsführer ist. Hauptberuflich arbeitet er als Organisator für betriebswirtschaftliche IT-Anwendungen.

Die Bezirksregierung Köln hatte als zuständige Aufsichtsbehörde den Oberbürgermeister angewiesen, den Ratsbeschluss wegen fehlender Eignung des Gewählten zu beanstanden. Der gewählte Bewerber zog daraufhin seine Erklärung der Annahme der Wahl zurück.

Nachdem die vakante Position erneut ausgeschrieben worden war, führten Indiskretionen aus den Reihen des Rates vor Ende der Bewerbungsfrist dazu, dass eine Bewerberin bereits von Teilen der Kölner Lokalpresse als zukünftige Kämmerin der Stadt Köln vorgestellt wurde. Die Aufsichtsbehörde "riet" darauf hin der Stadt, das jetzige Verfahren einzustellen und eine erneute Neuausschreibung vorzunehmen.

Nur bestimmte Mindestqualifikationen – ansonsten ein weiter Beurteilungsspielraum

Bei seiner Entscheidung, wen der Rat zum kommunalen Wahlbeamten beruft, hat er einen weiten Beurteilungsspielraum. Eine Auslese auch nach politischen Gesichtspunkten ist grundsätzlich zulässig. Anders als die restlichen Beamten der Kommunen, für die das Lebenszeitprinzip gilt, werden die kommunalen Wahlbeamte lediglich auf Zeit berufen, sind dem Rat politisch verantwortlich und können von ihm jederzeit abgewählt werden.

Es müssen nur bestimmte gesetzliche Mindestqualifikationen vorliegen. Der Beigeordnete muss in Nordrhein-Westfalen die für sein Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung nachweisen. Es reicht, wenn jemand aufgrund seines bisherigen Werdegangs und der beruflichen Tätigkeit Kenntnisse erworben hat, die ihn befähigen, die Position wie ein fachlich vorgebildeter Beamter auszufüllen.

Dabei wird keine spezielle Ausbildung gefordert, der Kreis ist auch nicht auf Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes begrenzt. Der Bewerber muss den Aufgaben aufgrund seines fachlichen Wissens und beruflichen Könnens gewachsen sein, wobei die Anforderungen im Einzelfall vom übertragenden Aufgabenbereich abhängen.

Die Macht der Aufsichtsbehörde: Einmischung per Anweisung zur Beanstandung

Die Ernennungsurkunde eines kommunalen Wahlbeamten darf erst ausgehändigt werden, wenn die Wahl nicht innerhalb eines Monats nach ihrer Durchführung beanstandet worden ist. Sofern die Wahl des Beigeordneten durch den Rat gegen die Auswahlprinzipien verstößt, hat der Oberbürgermeister den Beschluss zu beanstanden beziehungsweise kann die Aufsichtsbehörde den Oberbürgermeister dazu anweisen.

Angesichts der finanzpolitischen Erfahrungen des Bewerbers im Stadtrat und Finanzausschuss sowie seines betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Hintergrunds wegen seiner beruflichen Tätigkeit in der Privatwirtschaft erscheint das restriktive Vorgehen der staatlichen Kommunalaufsicht wie im Kölner Fall zumindest problematisch.

Ob die Aufsichtsbehörde dabei den bei der Auswahlentscheidung bestehenden weiten Beurteilungsspielraum der Stadt und damit deren kommunale Personalhoheit berücksichtigt hat, bleibt sehr zweifelhaft.

Öffentlichkeit und Information als Grund für eine Neuausschreibung?

Gleiches gilt auch für die Forderung nach einer Neuausschreibung, weil Informationen über ein Ranking der Bewerber aus einer Fraktion an die Presse gelangt waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wahl eines Beigeordneten öffentlich erfolgt und jedes Ratsmitglied umfassende Informationsansprüche über die Bewerber hat.

Wenn sich sodann eine Fraktion eine Meinung darüber bildet, welcher Bewerber der Geeignetste sei, so ist hieran nichts Rechtswidriges zu erkennen; zudem entscheidet nicht die Fraktion, sondern der Rat in seiner Gesamtheit.

Soweit die Presse etwaige Bewerber als "Favoriten" oder ähnliches vorstellt, kann dies schwerlich dem Rat zugerechnet werden. Vielmehr ist dies in der kommunalen Praxis nichts Ungewöhnliches. Nach Bekanntwerden des Einschreitens der Kommunalaufsichtsbehörde im Kölner Fall monierten denn auch Fraktionen einer anderen Stadt im Regierungsbezirk, dass dort vor Ablauf der Bewerbungsfrist zur Besetzung des Kämmererpostens ein Kandidat öffentlich favorisiert worden und der Vorgang durch die Kommunalaufsicht unbeanstandet geblieben sei.

Die dargestellten Beispielsfälle zeigen, dass die verfassungsrechtlich gewährleistete kommunale Selbstverwaltung nicht nur in haushaltsrechtlichen Fragen immer wieder gefährdet erscheint.

Vielmehr bestehen auch zahlreiche andere Eingriffsmöglichkeiten seitens des Staates gegen kommunale Entscheidungen, die im Einzelfall - jenseits eindeutiger Rechtsverstöße - mit Bedacht, Fingerspitzengefühl und vor allem unter Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltungsautonomie auszuüben sind.

Der Autor Prof. Dr. Frank Bätge ist Hochschullehrer an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung sowie Lehrbeauftragter an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und der NRW School of Governance. Im gesamten Wahlrecht sowie im Kommunalrecht ist er auch von Parlamenten als Sachverständiger für Gesetzgebungsvorhaben hinzugezogen worden. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu wahl- und kommunalrechtlichen Fragen.

Zitiervorschlag

Frank Bätge, Beigeordnetenwahl und Kommunalaufsicht: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/903 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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