Verheiratete Beamte dürfen nicht mehr Geld bekommen als Staatsdiener, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Das entschied das BVerfG mit am vergangenen Mittwoch bekannt gewordenem Beschluss zum Beamtenbesoldungsgesetz. Einige homosexuelle Beamte können nun rückwirkend seit 2001 den Familienzuschlag nachfordern. Eine Entscheidung mit Signalwirkung für das Steuerrecht, meint Karl Schmitt.
Seit dem 1. August 2001 ist das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) in Kraft. Es ermöglicht gleichgeschlechtlichen Partnern in weiten Teilen eine mit der Ehe vergleichbare, rechtliche Bindung einzugehen. Der Gesetzgeber wollte damit die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare abbauen. Doch erst 2009 gestand er auch Beamten, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, den Familienzuschlag zu, welchen verheiratete Beamte erhalten.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beseitigt dieses gesetzgeberische Versäumnis nun und wertet damit die eingetragene Lebenspartnerschaft in einem wichtigen Lebensbereich auf. Rückwirkend zum 1. August 2001 muss auch eingetragenen Lebenspartnern der Familienzuschlag gewährt werden.
Die Rechnung des Gesetzgebers, Geld zu sparen, indem er die Angleichung hinauszögert, ist damit nicht aufgegangen. Er muss jetzt vielmehr Regelungen schaffen, nach denen den Betroffenen, die einen Anspruch zeitnah geltend gemacht haben, der Zuschlag rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft nachgezahlt wird. Die Besoldung der Richter und Beamten ist nur per Gesetz regelbar.
Der 2. Senat sieht durch die bis 2009 geltende Rechtslage den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs.1 Grundgesetz (GG) verletzt. Nach Ansicht der Karlsruher Richter bestand für eine Ungleichbehandlung von verheirateten und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Staatsdienern bereits mit dem Inkrafttreten des LPartG im Jahr 2001 keine sachliche Rechtfertigung mehr (Beschl. v. 19.06.2009, Az. 2 BvR 1997/09).
Gleichheitssatz versus Schutz der Ehe und Familie
Die höchstrichterliche Entscheidung beendet einen für den Bereich der Beamtenbesoldung jahrelangen Streit um die Grenzen und Wechselwirkungen verschiedener Grundrechtspositionen. Auf der einen Seite verbietet der allgemeine Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vergleichbarer Lebenssachverhalte.
Auf der anderen Seite lässt sich eine Privilegierung verheirateter Beamter mit Art. 6 Abs.1 GG begründen, weil die Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
Für eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft spricht nach Ansicht der Karlsruher Richter allerdings auch das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG. Es verbietet dem Gesetzgeber, jemanden in den dort genannten Fällen "von Staats wegen" zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
BVerfG: Keine guten Gründe für eine Ungleichbehandlung
Die sexuelle Orientierung ist zwar ausdrücklich nicht in den Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG aufgenommen worden. Ungeachtet dessen, so der 2. Senat, müssen für eine Privilegierung von verheirateten Beamten gute Gründe bestehen, soll der Familienzuschlag nur ihnen gewährt werden. Diese Gründe müssen um so stichhaltiger sein, "je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung führt."
Obwohl das Diskriminierungsverbot nicht unmittelbar auf die eingetragene Lebenspartnerschaft angewendet werden kann, misst der 2. Senat ihm also eine wichtige Bedeutung zu. Das Verbot des Art. 3 Abs. 3 setzt Maßstäbe, die auch die Anforderungen an eine Privilegierung von verheirateten Beamten erhöhen.
Zwar kann man aus dem besonderen Schutzauftrag des Staates für die Ehe ableiten, dass sie gegenüber anderen Lebensformen bessergestellt werden kann. Für den Bereich der Beamtenbesoldung lässt sich dies jedoch nicht rechtfertigen. Eine andere Sichtweise wird weder der aktuellen Rechtsentwicklung noch der gesellschaftlichen Wirklichkeit gerecht.
Handlungsbedarf für Bund und Länder
Karlsruhe kann sich auf die gesellschaftliche Anerkennung der eingetragenen Lebenspartnerschaft stützen. Seit dem Inkrafttreten des LPartG sind auch die Rechtsverhältnisse eingetragener Lebenspartnerschaften mit denen verheirateter Paare in vielen Lebensbereichen angeglichen worden, eine unterschiedliche Behandlung wird immer seltener. Diese Entwicklung konnte das BVerfG ebenso wenig übersehen wie die stetig steigende Zahl eingetragener Lebenspartnerschaften auch im Öffentlichen Dienst.
Das BVerfG hat die für Bundesbeamte geltende Regelung des Beamtenbesoldungsgesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Deshalb ist jetzt vor allem der Bundesgesetzgeber gefordert und muss die Nachzahlung des Familienzuschlags verfassungskonform regeln.
Obwohl die Länder nicht unmittelbar von der Entscheidung betroffen sind, dürfen auch sie die vom 2. Senat aufgestellten Grundsätze nicht ignorieren. Bundesländer, die ihren betroffenen Beamten noch keinen Familienzuschlag gewähren, wie beispielsweise Baden-Württemberg, müssen dringend entsprechende Vorschriften erlassen. Aber auch Länder, die schon einen Familienzuschlag für eingetragene Lebenspartnerschaften leisten, müssen ihre Besoldungsvorschriften gegebenenfalls anpassen, insbesondere im Hinblick auf die Rückwirkung zum 1. August 2001.
Signal für das Steuerrecht
Wer profitiert von der Karlsruher Entscheidung? Natürlich zunächst der obsiegende Bundesbeamte. Darüber hinaus haben nur diejenigen Bundes- und Landesbeamten einen Anspruch auf die Nachzahlung, die ihre Ansprüche "zeitnah" geltend gemacht haben. Das BVerfG hat diese Ausführungen nicht näher erläutert, so dass der Bund und die Länder die damit zusammenhängenden Fragen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens klären müssen.
Bislang wurden Nachzahlungen in vergleichbaren Fällen nur an diejenigen Beamten geleistet, die den ihnen zustehenden Anspruch gerichtlich geltend gemacht haben. Die Formulierung des BVerfG eröffnet aber einen Spielraum, der eine großzügigere Regelung erlauben dürfte. Auch politisch dürfte es nur schwer durchzuhalten sein, wenn nur diejenigen den Familienzuschlag erhalten, die frühzeitig Ansprüche angemeldet haben.
Es bleibt abzuwarten, ob es Bund und Ländern gelingen wird, die Regelungen aufeinander abzustimmen. Anderenfalls dürften wiederum Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz gerügt werden. Mit einer großzügigen Regelung könnten all diese Probleme ausgeräumt werden.
Die Entscheidung des BVerfG ist ein Meilenstein auf dem Weg zur endgültigen rechtlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Karlsruhe lässt die Tendenz erkennen, in möglichst allen Lebensbereichen eine Gleichstellung mit der Ehe zu erreichen. Deshalb darf man gespannt sein, ob und wann die derzeit noch bestehende Besserstellung der Ehe im Steuerrecht fällt. Dabei geht es um sehr viel mehr Geld als bei der Beamtenbesoldung, die auf den Öffentlichen Dienst beschränkt ist.
Der Autor Ministerialrat a.D. Karl Schmitt war viele Jahre im nordrhein-westfälischen Innenministerium als Referatsleiter für Dienstrecht zuständig.
BVerfG bewilligt Familienzuschlag rückwirkend: . In: Legal Tribune Online, 06.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6778 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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