Georg Schmid, der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag, war das erste politische Opfer der Affäre um Abgeordnete, die ihre Verwandten beschäftigen. Genauere Regeln braucht aber nicht nur Bayern, sondern jedes Parlament. In Zukunft sollte auch die Kosten für eine Beschäftigung von Verlobten, Geschwistern und Enkeln nicht die Staatskasse übernehmen, meint Sebastian Roßner.
Das Recht der Abgeordneten ist nicht immer übersichtlich. Georg Schmid, der nach der Landtagswahl 2008 sogar kurze Zeit Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt angemeldet hatte, stolperte über eine Norm, die im Verborgenen blüht: über § 2 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 8. Dezember 2000. Eine harmlos wirkende Übergangsvorschrift.
Hintergrund ist der jetzige Art. 8 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (BayAbgG). Dieser sieht vor, dass ein Abgeordneter vom Staat verlangen kann, die Kosten zu erstatten, die für parlamentarische Mitarbeiter entstehen. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten bestimmt dabei das Haushaltsgesetz.
Eindruck der Vetternwirtschaft vermeiden
Eine nunmehr schon knapp 13 Jahre zurückliegende Reform des Abgeordnetengesetzes nahm dann Verträge mit Ehepartnern, Verwandten ersten Grades und Personen, die im ersten Grade mit den Abgeordneten verschwägert sind, von der Möglichkeit der Erstattung aus. Diese Regelung verfolgt zwei Zwecke: Sie will erstens verhindern, dass durch besondere persönliche Nähe Konstellationen entstehen, in denen typischerweise die Gefahr besteht, dass staatliche Mittel zweckentfremdet werden. Es geht also darum, einer abstrakten Gefahr vorzubeugen, ohne dass bereits ein konkretisierter Korruptionsverdacht bestehen müsste. Und zweitens soll das Ansehen des Parlaments geschützt werden, indem der Eindruck der Vetternwirtschaft vermieden wird.
Der erwähnte § 2 des Änderungsgesetzes macht für bereits bestehende Verträge zwischen bayerischen Landtagsabgeordneten und ihren Mitarbeitern eine Ausnahme von diesem Erstattungsverbot. Es ist eine Übergangsregelung für Altfälle, die Bestandsschutz bieten sollte, und zwar für die auf das Einkommen angewiesenen Mitarbeiter ebenso wie für die Abgeordneten, die eingearbeitete Kräfte nicht ohne weiteres ersetzen können.
Mangelnde Sensibilität
Überraschend stellte sich heraus, dass nun bald 13 Jahre nach der Gesetzesänderung immer noch 17 Abgeordnete von der Übergangsregelung Gebrauch machen. Sie halten sich damit zwar an die Buchstaben, nicht aber an den Geist der Regelung. Dieses Verhalten von immerhin etwa neun Prozent der Abgeordneten des bayerischen Landtages zeugt von mangelnder Sensibilität für die mit einem Mandat verbundene besondere öffentliche Verantwortung.
Dies sollte jedoch nicht von den Schwächen der Regelungen selbst ablenken. Evident ist, dass die Übergangsregelung hätte befristet werden müssen. Aber auch der Umfang des eigentlichen Erstattungsverbots in Art. 8 Abs. 1 S. 2 BayAbgG wirft Fragen auf. Weil nur Verwandte ersten Grades erfasst sind – also Eltern und Kinder – können Abgeordnete etwa ihre Geschwister oder Enkel beschäftigen und sich die Kosten aus den öffentlichen Kassen erstatten lassen. Das ist zu eng gefasst; eine Änderung tut Not und wurde von der bayerischen Politik auch bereits angekündigt.
Auch Kosten für Beschäftigung des Verlobten sollten nicht erstattet werden
Allerdings ist politisch bedenklicher Familiensinn kein Problem, das nur im weiß-blauen Freistaat und nicht etwa auch im preußischen Berlin vorkommen könnte: Eine Abgeordnete des Bundestages hatte über 30 Monate ihren Verlobten als Mitarbeiter beschäftigt. § 12 Abs. 3 S. 3 f. Abgeordnetengesetz des Bundes (AbgG) untersagt, sich die Kosten für die Beschäftigung von Verwandten, Verheirateten (sowie eingetragenen Lebenspartnern) und Verschwägerten erstatten zu lassen.
Allerdings ist diese Norm so unbestimmt (wie weit reichen Verwandtschaft und Verschwägerung im Sinne der Norm?), dass der Gesetzgeber für Einzelheiten auf Ausführungsbestimmungen des Ältestenrates des Bundestages verweist. Diese nehmen ihrerseits wiederum Bezug auf die Personengruppen, die nach § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung aus persönlichen Gründen das Zeugnis verweigern dürfen. Dazu zählen auch Verlobte.
Nach den Ausführungsbestimmungen hätte das Gehalt für den Verlobten also nicht vom Bundestag erstattet werden dürfen. Juristisch maßgeblich ist jedoch die Aufzählung in § 12 Abs. 3 S. 3 f. AbgG, die offenbar abschließend gemeint ist. Das heißt, die Erstattung war rechtens. Dennoch muss man die Frage stellen, ob nicht auch diese Fälle wegen der typischerweise großen persönlichen Nähe zwischen den Beteiligten von der Kostenerstattung ausgeschlossen sein sollten. Jedenfalls müsste der Gesetzgeber selbst genau bestimmen, welche Personengruppen das Erstattungsverbot erfassen soll, anstatt dies dem Ältestenrat des Bundestages zu überlassen.
Opposition im Interessenkonflikt
Da es vergleichbare Normen in allen Bundesländern gibt, könnte es durchaus sein, dass weitere Fälle rechtlich und politisch problematischer Beschäftigungsverhältnisse auftauchen.
Die bisher maßvolle Empörung der Öffentlichkeit über das bekannt gewordene Verhalten einer Reihe von Politikern ist gerechtfertigt. Sie darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es um eine spezielle Situation geht: Die Erstattungsverbote des Abgeordnetenrechts gehören zwar inhaltlich in die lange Reihe der Vorschriften, die verhindern sollen, dass Entscheidungen über öffentliche Gelder oder den Gebrauch hoheitlicher Gewalt verzerrt werden. Vergaberechtliche Vorschriften gehören ebenso hierher wie etwa die Normen über die Befangenheit von Richtern oder Gemeinderäten.
Aber die Besonderheit liegt darin, dass Abgeordnete parlamentsrechtliche Normen in eigener Sache erlassen und teilweise auch vollziehen. Das erhöht die Gefahr von Defiziten bei der innerparlamentarischen Kontrolle, die in erster Linie Aufgabe der Opposition ist, denn in materieller Hinsicht sitzen die Abgeordneten in einem Boot. Die Opposition ist so auf dem Feld der Politikfinanzierung durch einen Interessenkonflikt darin geschwächt, Regierung und Parlamentsmehrheit zu kontrollieren.
Die bayerische Beschäftigungsaffäre ist ein gutes Beispiel dafür. Von Dezember 2000 bis April 2013 war auch von der Opposition wenig zu vernehmen in Sachen parlamentarischer Arbeitsbeschaffung für Verwandte. Soweit die innerparlamentarische Kontrolle aus systematischen Gründen versagt, müssen die Medien die Öffentlichkeit aktivieren. Besonderes Augenmerk sollten Journalisten dabei auf die Regelungen über die finanzielle Versorgung der Politiker und ihrer Parteien sowie der mit den Parteien verbundenen Organisationen, wie etwa den Fraktionen oder den parteinahen Stiftungen werfen.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Prof. Dr. jur. Michael Kubiciel und Sebastian Roßner, Pro & Contra Verwandten im Abgeordnetenbüro: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8680 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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