Das BAG regelt das deutsche Urlaubsrecht weiter neu, die Spielregeln für die schönste Zeit des Jahres kommen längst nicht mehr nur aus dem BUrlG. Das Urteil vom Mittwoch ist aber mal ganz eindeutig: Im Sonderurlaub gibt es keinen Urlaub.
Personalabteilungen können die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ohne Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung kaum rechtssicher verwalten. Nun aber hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine erfreulich klare und nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Arbeitet ein Arbeitnehmer wegen eines vertraglich vereinbarten Sonderurlaubs in einem Kalenderjahr durchgehend nicht, so entsteht auch kein Anspruch auf Erholungsurlaub (BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17).
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach dem maßgeblichen Arbeitsrhythmus. So besteht ein Anspruch auf 24 Urlaubstage, wenn der Arbeitnehmer an sechs Tagen pro Woche arbeitet. Beinhaltet der Arbeitsrhythmus eine Fünftagewoche, beläuft sich der Urlaubsanspruch auf 20 Tage. Die Anzahl der Urlaubstage verringert sich entsprechend, wenn sich die Arbeitszeit auf weniger Tage in der Kalenderwoche verteilt. Liegt die Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage bei Null, entsteht auch kein Urlaubsanspruch.
Also alles eine Frage der Arithmetik. Derart leicht verständlich sind Entscheidungen des BAG zum Urlaubsrecht allerdings selten. Und auch dieses Urteil dürfte sich nur deshalb so einfach erschließen, weil das BAG damit seine Rechtsprechung zum Entstehen von Urlaubsansprüchen ausdrücklich ändert.
BAG ändert seine Rechtsprechung
Bislang entsprach es nämlich ständiger Rechtsprechung, dass Urlaubsansprüche auch während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses entstehen. Für einen Urlaubsanspruch war allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses relevant. Ob und wie viel der Arbeitnehmer im Kalenderjahr tatsächlich gearbeitet hatte, war ohne Bedeutung. Für das BAG war entscheidend, dass das BUrlG keine Quotelung oder Umrechnungsformel vorsah (BAG, Urt. v. 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/129). Die Frage, wovon sich der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis erholen sollte, stellte sich das BAG nicht.
Auch anteilige Kürzungen des gesetzlichen Mindesturlaubs für Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses, wie es einige Tarifverträge, so etwa § 26 TVöD, vorsehen, lehnte das BAG ab. Der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG beruhe auf dem europarechtlich garantierten Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) und sei daher unabdingbar.
Der Entscheidung vom Mittwoch standen diese Bedenken nicht mehr entgegen. Mangels Arbeitspflicht während des Sonderurlaubs entsteht schlicht kein Anspruch auf Urlaubsanspruch Es ergibt uneingeschränkt Sinn, Arbeit und Erholung wieder zu verknüpfen und damit die eigentliche Grundidee von Urlaub stärker zu betonen.
Diese Grundidee ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Urlaubsrecht in den vergangene Jahren in den Hintergrund gerückt. Nach Ansicht des EuGH führt nicht einmal der Tod des Arbeitnehmers dazu, dass der bis dahin noch bestehende gesetzliche Mindesturlaub untergeht. Unerheblich war auch hier, dass sich der Erholungszweck des Urlaubs unzweifelhaft nicht mehr erfüllen konnte (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az. C-569/16, C-570/16). Die Erben konnten eine entsprechende finanzielle Abgeltung verlangen.
Auf andere ruhende Arbeitsverhältnisse nicht übertragbar
So erfreulich und eindeutig das Urteil des BAG auch sein mag: Es wäre allerdings voreilig, die Umrechnung von Arbeitstagen in Urlaubstage auch auf andere Fälle eines ruhenden Arbeitsverhältnisses anzuwenden. Die Besonderheit liegt darin, dass der Sonderurlaub zwischen den Vertragspartnern vereinbart war und die Hauptleistungspflichten einvernehmlich ausgesetzt waren.
Ist der Arbeitnehmer lange arbeitsunfähig und die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) beendet, entsteht durchaus auch für Zeiten, in denen der Mitarbeiter nicht arbeitet, der Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub. Dieser Anspruch unterliegt sogar in Abweichung von § 7 Abs. 3 BUrlG einer besonderen Verfallfrist.
Diese besondere Verfallfrist von 15 Monaten ist den Personalabteilungen inzwischen bekannt. Basierend auf einem Urteil des EuGH aus 2009 (EuGH, Urt. v. 20.01.2009, Az. C-350/06, C-520/06) hatte das BAG bereits im Jahre 2012 (BAG, Urt. v. 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10) entschieden, dass § 7 Abs. 3 BUrlG nicht mehr so verstanden werden kann, wie es sein Wortlaut eigentlich nahelegt. Der Übertragungszeitraum für Urlaubsansprüche dehnte sich von vormals 3 auf 15 Monate aus, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war.
Daran hat die Entscheidung des BAG vom Mittwoch nichts geändert. Der selbst gewählte Sonderurlaub ist nicht das gleiche Urlaubshindernis wie die Arbeitsunfähigkeit.
Auch für den Zeitraum der Elternzeit entsteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub nach § 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann allerdings von der gesetzlich vorgesehenen Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wirksam Gebrach machen. Diese steht im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie, wie das BAG ebenfalls am Mittwoch entschied.
Durch sein Urteil hat das BAG nun klargestellt, dass die Vereinbarung von Sonderurlaub im Urlaubsjahr das Entstehen zusätzlicher Ansprüche auf Erholungsurlaub verhindert. Das kann es dem Arbeitgeber leichter machen, dem Antrag des Arbeitnehmers auf Gewährung von Sonderurlaub nachzukommen. Der Arbeitnehmer kann dies bei seinen Planungen zur Dauer des Sonderurlaubs entsprechend berücksichtigen. Einen Urlaub während des Urlaubs gibt es nicht.
Die Autorin Kathrin Vossen ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie ist Partnerin bei der Kanzlei Oppenhoff & Partner in Köln.
BAG zum gesetzlichen Urlaubsanspruch: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34481 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag