BAG zur Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit: Betriebs­räte dürfen schlafen

von Dr. Stephan Vielmeier

19.01.2017

2/2: Betriebsratsamt ist Ehrenamt

Man kann trefflich sozialpolitisch darüber streiten, ob Betriebsratstätigkeit nun "Arbeit" ist – und auch rechtlich: Einerseits legt § 37 Abs. 1 BetrVG ausdrücklich fest, dass das Betriebsratsamt ein Ehrenamt und keine "Arbeit" ist. Das ArbZG schützt freilich niemanden davor, sich durch ein Ehrenamt weitere Belastungen aufzuladen. Vielmehr verbietet das ArbZG dem Arbeitgeber, sein Weisungsrecht über bestimmte zeitliche Grenzen hinaus auszunutzen. Der Arbeitgeber hat aber gerade kein Weisungsrecht bezüglich der Betriebsratstätigkeit.

Umgekehrt ist nicht abzustreiten, dass auch Betriebsratstätigkeit anstrengend ist und auch Betriebsratsmitglieder ein Recht auf einen gesunden Arbeitsplatz haben. Auch lässt sich argumentieren, dass der Verweis auf das Ehrenamtsprinzip wenig hilft, weil das Betriebsratsamt nur veranlasst durch das Arbeitsverhältnis übernommen werde, es damit gerade auch für das ArbZG ein besonderes Ehrenamt sei.

Eine formale Einordnung der Erbringung von Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit i.S.d. ArbZG hätte indes gravierende Auswirkungen auf die betriebliche Praxis. Ist das ArbZG anwendbar, gelten auch die behördlichen Eingriffsbefugnisse sowie Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften – die sich allesamt gegen den Arbeitgeber richten.

Abbruch von Verhandlungen für Ruhezeiten

Im Rahmen seiner Arbeitszeit-Compliance müsste der Arbeitgeber künftig genau dokumentieren, wann und in welchem Umfang Betriebstätigkeit erbracht wird. Hat ein Betriebsratsmitglied seine Höchstarbeitszeit von (regelmäßig) acht Stunden erbracht, müsste der Arbeitgeber es "während der Betriebsratssitzung" nach Hause schicken. Diese (bisweilen sogar strafbewehrte!) Pflicht des Arbeitgebers beißt sich damit, dass er nach dem BetrVG keinerlei Befugnisse hat, auf den Verlauf der Betriebsratstätigkeit einzuwirken.

Auch wäre es weder für Arbeitgeber noch für Betriebsratsmitglieder hilfreich, wenn Sozialplanverhandlungen und Einigungsstellen künftig nach acht Stunden abgebrochen werden müssten, um dem Arbeitsschutz zu genügen.

Mithin dürften sich weder Betriebsratsmitglieder noch Arbeitgeber eine formale Einordnung von Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit i.S.d. ArbZG wünschen. Der Betriebsrat hat es bisher selbst in der Hand, seine Belastung ohne Einfluss des Arbeitgebers aktiv zu steuern. Im Krisenfall erfordert das Betriebsratsamt eben den persönlichen Einsatz wie ein Co-Manager – über die Arbeitszeit eines abhängig Beschäftigten hinaus. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG diesen Bedürfnissen der Praxis im März Rechnung tragen wird.

Der Autor Dr. Stephan Vielmeier ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Noerr LLP in München. Er berät Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere bei allen Auseinandersetzungen mit ihren Betriebsräten.

Zitiervorschlag

BAG zur Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21822 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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