BAG zu Nachweispflicht bei Arbeitszeitkonto: Selber mitzählen reicht nicht

von Dr. Thomas Griebe, Dr. Sabrina Fasholz

02.03.2016

Weil ihr Arbeitgeber ihre Arbeitszeiten vertragswidrig nicht erfasst hat, führte eine Angestellte selber Buch. Diese Dokumentation der Überstunden reicht aber nicht, um einen Ausgleichsanspruch zu begründen, so das BAG.

Arbeitszeitkonten sind die Sparbücher der Arbeitswelt. Sammelt der Arbeitnehmer Plusstunden auf seinem Konto, kann er das Ersparte durch zusätzliche Freizeit "abfeiern". Verbleibt am Ende des Arbeitsverhältnisses ein positiver Saldo, wird das Ersparte in barer Münze ausgezahlt.

Zeit ist also Geld – und sorgt daher oft für Ärger. Besteht Uneinigkeit über die Höhe des Kontostandes, muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Überstundenabgeltung nachweisen.

Eine von ihm selbst angefertigte Strichliste reicht dafür nicht, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem unlängst veröffentlichten Urteil (v. 23.09.2015, Az.: 5 AZR 767/13). Auch der Hinweis auf ein hohes Arbeitsaufkommen ist zu pauschal, um den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitszeit zu rechtfertigen.

Bezahlt wird nur, was abgesegnet wurde

Geklagt hatte eine Frau, die von ihrem Arbeitgeber im Jahr 2008 eine Arbeitszeitaufstellung mit einem Überschuss von 414 Stunden erhalten hatte. In der Folgezeit führte der Arbeitgeber mit dem Verweis auf eine vereinbarte Vertrauensarbeitszeit vertragswidrig kein Arbeitszeitkonto mehr.

Die Arbeitnehmerin legte daraufhin eine eigene Liste an, in der sie überobligatorisch geleistete Überstunden eintrug und saldierte, ohne dem Arbeitgeber die Aufzeichnungen vorzulegen. Aus dieser Aufstellung ergab sich für den Zeitraum von 2008 bis 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden. Die Arbeitnehmerin verlangte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung der vollen 1.057 Stunden.

Vor dem BAG konnte sie damit nur teilweise durchdringen. Der Arbeitgeber müsse nur die im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen 414 Stunden bezahlen, die von der Arbeitnehmerin eigenständig notierten Stunden seien hingegen nicht zu vergüten.

Eigene Buchführung reicht nicht – selbst, wenn Arbeitgeber seine vertragswidrig unterlässt

Die Arbeitnehmerin könne ihren Anspruch auf Zeitgutschrift für Überstunden nicht allein dadurch nachweisen, dass sie aufgezeichnet hat, an welchen Tagen sie von wann bis wann gearbeitet hat. Sie hätte darüber hinaus darlegen müssen, dass diese Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien.

Die von der Arbeitnehmerin selbst gefertigten Arbeitszeitaufstellungen genügten hierzu nicht. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

Auch der Einwand der Klägerin, die Überstunden seien aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens und insbesondere auch deswegen angefallen, weil auf Weisung des Geschäftsführers sämtliche Geschäftsanfälle sofort zu bearbeiten gewesen seien, überzeugte das BAG nicht. Der Vortrag sei zu pauschal und damit ungeeignet, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen.

Vertrauensarbeitszeit steht Abgeltung nicht entgegen

Die 414 auf dem Arbeitszeitkonto bescheinigten Stunden muss der Arbeitgeber allerdings bezahlen. Seinem Argument, Vertrauensarbeitszeit und Saldierung von Plus- und Minusstunden seien unvereinbar, ist das BAG nicht gefolgt. Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht nach Ansicht der Arbeitsrichter weder der Führung eines Arbeitszeitkontos noch der Abgeltung eines aus Mehrarbeit resultierenden Zeitguthabens entgegen. "Vertrauensarbeitszeit" bedeute nämlich nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht auch ohne Kontrolle der Arbeitszeiten erfüllen.

Will der Arbeitgeber im Nachhinein den einmal bescheinigten Saldo auf dem Arbeitszeitkonto nicht vergüten, muss er nachweisen, inwiefern sich der Saldo reduziert hat. Diesen Nachweis blieb der Arbeitgeber schuldig.

Keine "Aufdrängung" von Überstunden

Aus Arbeitgebersicht ist zu begrüßen, dass der Arbeitnehmer auch bei einem Arbeitszeitkonto nicht durch "ungebetene" Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen kann. Der Arbeitgeber muss sich Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto somit nicht aufdrängen lassen.

Gleichwohl muss der Arbeitgeber bei der Führung der Arbeitszeitkonten Sorgfalt walten lassen, denn einen einmal vorbehaltlos gestellten Saldo muss er später auch anerkennen.

Für Arbeitnehmer steigt der Dokumentationsaufwand. Zunächst muss sich aus seinem selbst gefertigten Nachweis ergeben, an welchen Tagen von wann bis wann Arbeit geleistet wurde. Die selbst gefertigte Liste sollte sich der Arbeitnehmer sodann vom Arbeitgeber abzeichnen lassen oder den Nachweis für die Anordnung der Überstunden, etwa in Form von E-Mails, archivieren.

Andernfalls war die Mehrarbeit vielleicht nicht vergeblich – aber umsonst.

Die Autoren Dr. Thomas Griebe und Dr. Sabrina Fasholz sind Anwälte in der Kanzlei für Arbeitsrecht vangard in Hamburg.

Zitiervorschlag

BAG zu Nachweispflicht bei Arbeitszeitkonto: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18658 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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