2/2: LAG Köln erkannte eine geschlechtsbezogene Diskriminierung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat die Berufung gegen das Urteil des ArbG Köln zurückgewiesen bzw. als unzulässig verworfen (Urt. v. 25.06.2014, Az. 5 Sa 75/14).
Im Hinblick auf die Lufthansa Training sei die Berufung bereits unzulässig, weil die Klägerin sich in Bezug auf diese in der Berufungsbegründung nicht in der hierfür erforderlichen Weise mit dem Urteil des ArbG auseinandergesetzt habe. Dies hindere eine Entscheidung in der Sache, obwohl das LAG Ansprüche gegenüber der Tochtergesellschaft der Lufthansa aus Basis des AGG durchaus anerkenne.
Gegenüber der Lufthansa selbst könne sich die Klägerin dagegen zunächst nicht auf die Normen des AGG berufen, da diese – im Gegensatz zu der Schulungsgesellschaft – nicht der "potenzielle Arbeitgeber" im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG gewesen sei. Ansprüche aus dem allgemeinen Deliktsrecht wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die geschlechtsbezogene Diskriminierung seien zwar dem Grunde nach gegeben, der geltend gemachte Schaden sei jedoch vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht erfasst und damit nicht ersatzfähig. Die geltend gemachte Entschädigung – im allgemeinen Deliktsrecht als "Schmerzensgeld" bezeichnet – sei dagegen deswegen nicht geschuldet, weil der hierfür erforderliche Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht die hierfür notwendige Intensität erreicht habe.
Jetzt ist das BAG dran
Die morgige Entscheidung des BAG ist vor allem im Hinblick auf die verschiedenen aufgeworfen Rechtsfragen spannend.
Keine Überraschung dürfte es bei der Frage der zumindest mittelbaren Diskriminierung geben. Beide Vorinstanzen haben entschieden, dass eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt, wenn Frauen, die bekanntermaßen im Durschnitt kleiner als Männer sind, aufgrund von Größengrenzen in Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Auch auf Ebene der Rechtfertigung ist nicht zu erwarten, dass das BAG hier den Vorinstanzen widerspricht: Letztlich konnte die Lufthansa nicht darlegen, dass unter einer Körpergröße von 165 cm die Luftverkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann.
Es wird vielmehr darauf ankommen, ob das BAG die sehr strenge Entscheidung der Verwerfung der Berufung gegenüber der Schulungsgesellschaft durch das LAG als zulässig ansieht, weil hierdurch der Klägerin zumindest laut dem LAG der Weg zu einer Entschädigung nach dem AGG versperrt wird. Zum anderen wird sich das BAG mit der Thematik des ersatzfähigen Schadens, auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, auseinandersetzen müssen. Hier muss dann höchstrichterlich geklärt werden, ob der Aussicht auf eine teilweise bezahlte Schulung ein eigenständiger Vermögenswert zukommt.
Nicht dagegen wird es um den Umstand gehen, dass die Klägerin die Lufthansa über ihre wahre Körpergröße zunächst getäuscht hat. Wie das ArbG Köln bereits festgestellt hat, schränkt ähnlich wie bei der Frage nach einer Schwangerschaft das Diskriminierungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG nämlich bereits das Fragerecht des Arbeitgebers ein mit der Folge, dass der Bewerber oder die Bewerberin in Bezug auf "diskriminierende Anforderungen" nicht die Wahrheit sagen muss.
Weitere Berufe mit Mindestgröße
Im Übrigen stellen Arbeitgeber in vielen Berufen bestimmte Anforderungen an körperliche Voraussetzungen ihrer Beschäftigten. Bei Flugbegleitern gibt es eine Mindestgröße, die von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft variiert. Bei Lufthansa und Air Berlin beträgt sie 160 cm, bei Lufthansa CityLine 158 cm und bei Germanwings 165 cm. Auch ein bestimmtes Sehvermögen wird verlangt.
Wer bei der Polizei arbeiten möchte, sollte kein Über- oder Untergewicht haben und ebenfalls über ein ausreichendes Sehvermögen verfügen. Hier werden, je nach Bundesland, unterschiedliche Anforderungen an die Körpergröße gestellt: Die Polizei Baden-Württemberg verlangt etwa eine Mindestgröße von 160 cm, Bayern 165 cm, Berlin 160 cm für Frauen und 165 cm für Männer.
Der Zoll verlangt eine Mindestgröße von 160 cm und ebenfalls gute Augen.
Bei der Berufsfeuerwehr ist Fitness die Grundvoraussetzung für eine Einstellung. Die Feuerwehr Nürnberg etwa verlangt einen "Top-Gesundheitszustand": sehr gutes Sehvermögen, Schwindelfreiheit, eine Mindestkörpergröße von 165 cm und Atemschutztauglichkeit.
Der Autor Dr. Thomas Gennert ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte und Steuerberater LLP. Er ist Mitglied der deutschen Praxisgruppe Arbeitsrecht.
Mit Material von dpa
BAG zur Diskriminierung von Pilotenanwärterin: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18489 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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