BAG zur Diskriminierung von Pilotenanwärterin: Die Chance als Ver­mö­gens­wert

von Dr. Thomas Gennert

17.02.2016

Die Ablehnung einer Frau für die Pilotenausbildung könnte für die Lufthansa teuer werden. Vor dem BAG geht es morgen um rund 135.000 Euro Schadensersatz und Entschädigung wegen einer vermeintlichen Diskriminierung, erklärt Thomas Gennert.

Darf die Lufthansa Bewerber für die Ausbildung zum Piloten allein wegen deren Körpergröße ablehnen? Am Donnerstag entscheidet das Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Klage einer Frau, die wegen ihrer Körpergröße von 161,5 cm als untauglich für die Ausbildung zur Pilotin befunden und daher abgelehnt wurde. Es geht um viel Geld, denn die Klägerin macht u.a. als Schadensersatz den Teil der Ausbildungskosten geltend, den die Lufthansa für die Flugschüler übernimmt.

Die Klägerin hatte sich bei der Lufthansa für die Ausbildung zur Pilotin beworben. Diese führt auf Grundlage eines Tarifvertrags ein Auswahlverfahren durch. Mit den Bewerbern, die das Verfahren erfolgreich durchlaufen, schließt eine Tochtergesellschaft der Lufthansa, die Lufthansa Flight Training GmbH, dann einen Schulungsvertrag ab und führt deren Ausbildung durch. Die Flugschüler erhalten kein Gehalt, sondern müssen sich im Gegenteil an den Ausbildungskosten i.H.v. insgesamt mindestens 180.000 Euro mit einem Betrag von 60.000 Euro beteiligen. Hierfür schließt die Lufthansa mit den Flugschülern in der Regel entsprechende Darlehensverträge ab.

Wegen anfänglicher Lüge in das Auswahlverfahren gekommen

Als "personenbezogene Einstellungsvoraussetzung" gibt der Tarifvertrag eine Körpergröße von 165 bis 198 cm vor. Die gleiche Anforderung enthält auch eine bei der Lufthansa existierende Betriebsvereinbarung.

Die Klägerin ist lediglich 161,5 cm groß. Sie hatte im Bewerbungsverfahren zunächst eine Körpergröße von 165 cm angegeben und sowohl die "Berufsgrunduntersuchung" als auch die "Firmenqualifikation" bestanden. Erst bei einer medizinischen Untersuchung war der Klägerin unter Berufung auf deren wahre Körpergröße die Tauglichkeitsbescheinigung verweigert worden. Die Ausbildung zur Pilotin hatte sie bei der Lufthansa daher nicht antreten können.

Die Klägerin verlangt von der Lufthansa und ihrer Tochtergesellschaft auf Grundlage des § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zum einen die Zahlung einer Entschädigung i.H.v. mindestens 15.500 Euro und zum anderen Schadensersatz i.H.v. 120.000 Euro. Sie sei durch die Ablehnung aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden, denn erheblich mehr Frauen als Männer seien kleiner als 165 cm. Diese Diskriminierung sei auch nicht gerechtfertigt, weil die Sicherheit des Flugverkehrs durch Zulassung kleinerer Bewerber nicht gefährdet sei. Außerdem ließen andere Fluggesellschaften – darunter auch ein zum Lufthansa-Konzern gehörendes Unternehmen – auch Bewerber geringer Körpergröße zur Ausbildung zu. Der Schaden i.H.v. 120.000 Euro ergebe sich aus dem Wert des Anteils, den die Lufthansa zur Ausbildung beiträgt. Die Klägerin müsse infolge der Ablehnung nun eine private Schule für die Ausbildung vergüten.

Die Beklagten haben sich im Wesentlichen damit verteidigt, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liege nicht vor,  sei jedenfalls aber gerechtfertigt, weil die luftverkehrsrechtlichen Vorgaben einer "ausreichenden Körpergröße" durch die Tarifvertragspartien in zulässiger Weise auf mindestens 165 cm konkretisiert worden seien. Aus diesem Grunde habe die Lufthansa auch nicht schuldhaft gehandelt.

ArbG Köln: Aussicht auf Ausbildung rechtlich nicht geschützt

Während es sich bei dem Anspruch auf Schadensersatz gem. § 15 Abs. 1 AGG um ein den allgemeinen Regeln folgenden Anspruch handelt, ist der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG eine Besonderheit des AGG für Sachverhalte im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen: Hier kann der vermeintlich Diskriminierte eine Geldentschädigung beanspruchen, ohne dafür einen konkreten immateriellen Schaden darlegen zu müssen. Im Ausgleich dazu enthält § 15 Abs. 3 AGG eine Privilegierung für den Arbeitgeber, der bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen wie Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet ist, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein für den Schadenersatzanspruch gem. § 15 Abs. 1 AGG notwendiger Vermögensschaden sei nicht entstanden, weil die Klägerin durch die Ablehnung keine in Geld messbare Einbuße erlitten habe (Urt. v. 28.11.2013, Az. 15 Ca 3879/13). Es sei schon nicht sicher, ob sie die Ausbildung bei der Lufthansa mit Erfolg beendet hätte. Sie habe insoweit lediglich eine Art "Gewinnchance" verloren, was rechtlich aber nicht geschützt sei.

Ein Anspruch auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG sei wegen der Privilegierung für Diskriminierungen, die aufgrund einer Tarifnormen erfolgen (§ 15 Abs. 3 AGG) ebenfalls nicht gegeben, weil den Beklagten bei Anwendung der Tarifnormen weder Vorsatz, noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

Zitiervorschlag

BAG zur Diskriminierung von Pilotenanwärterin: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18489 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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