Viele Unternehmen twittern. Dabei besteht aber die Gefahr, gleichzeitig die eigenen Arbeitnehmer zu überwachen. Ob deswegen der Betriebsrat der Twitter-Nutzung zustimmen muss, hätte das BAG klären können, wie Michael Fuhlrott zeigt.
Nahezu jedes Unternehmen nutzt Social Media, sei es zur Mitarbeiterrekrutierung, für Marketingkampagnen oder um die Kunden sonst wie zu informieren. Insbesondere Twitter erfreut sich dafür großer Beliebtheit. Ob damit vorläufig Schluss sein muss – jedenfalls in Unternehmen, die einen Betriebsrat haben - bleibt fürs Erste leider weiterhin ungeklärt.
Dabei hätte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Dienstag (Beschl. v. 25.02.2010, Az.: 1 ABR 40/18) die Gelegenheit gehabt, über den Umfang der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der unternehmensseitigen Twitter-Nutzung zu entscheiden. Das ist nämlich noch nicht höchstrichterlich geklärt.
Die Vorinstanz hatte hierzu noch entschieden, dass Unternehmen Twitter nur noch einsetzen dürfen, wenn der Betriebsrat dem ausdrücklich zugestimmt hat. Ein derartiger Betriebsrat besteht in den meisten größeren Unternehmen. Dieser hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) weitgehende Beteiligungsrechte. Unter anderem ist die Zustimmung des Betriebsrats notwendig, wenn die "Einführung und Anwendung von technischen Überwachungseinrichtungen" erfolgt, die "dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen" (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Die Entscheidung vom Dienstag war deswegen mit großer Spannung erwartet worden, weil das BAG diese Begrifflichkeiten sehr weit auslegt. So lassen es die Erfurter Arbeitsrichter ausreichen, wenn die technische Einrichtung auch nur eine Arbeitnehmerüberwachung ermöglicht, selbst wenn dies nicht das beabsichtigte Ziel des Arbeitgebers ist und die Nutzung zu ganz anderen Zwecken erfolgt.
Knackpunkt: Für Facebook ist die Sache klar, nicht aber für Twitter
Vor diesem Hintergrund hatte das BAG bereits im Dezember 2016 (Beschl. v. 13.12.2016, Az.: 1 ABR 7/15) einen Arbeitgeber verpflichtet, auf der unternehmenseigenen Facebookseite die Kommentarspalte zu deaktivieren, bis mit dem Betriebsrat über deren Nutzung Einigkeit erzielt ist. Nutzer hatten dort nämlich Kommentare hinterlassen und sich hierbei unter anderem über einzelne Mitarbeiter negativ geäußert. Das BAG sah hierin eine unzulässige Arbeitnehmerüberwachung und untersagte die Nutzung. Glück für den Arbeitgeber: Die Kommentarspalte ließ sich gesondert deaktivieren, sodass die Seite an sich weiter betrieben werden durfte.
Weniger Glück hätte eine deutschlandweit vertretene Kinokette nunmehr vor dem BAG haben können: Diese setzte zu Marketingzwecken nämlich Twitter ein und informierte hiermit insbesondere auch über anstehende Filmnews und Neuigkeiten. Twitter-Nutzer können vom Unternehmen abgesetzte Tweets kommentieren. Anders als die Kommentarspalte bei Facebook lässt sich diese Funktion auf Twitter aber nicht separat deaktivieren. Auch in diesem Fall störte sich der Betriebsrat daran, dass der Arbeitgeber Twitter nutzt.
Sein Argument: Kinobesucher könnten bei Twitter auf Tweets der Kinokette reagieren und zum Beispiel Beiträge posten, die namentlich oder situationsbedingt bestimmten Mitarbeitern zugeordnet werden könnten. So sei es etwa möglich, dass Kinobesucher auf Tweets des Kinobetreibers hin konkrete Missstände in bestimmten Kinosälen anprangern oder sich über die Unfreundlichkeit im Einzelnen identifizierbarer Mitarbeiter äußerten. Der Arbeitgeber sei, so der Betriebsrat, dann in der Lage, diese Äußerungen herauszufiltern und die zu oft negativ erwähnten Mitarbeiter womöglich arbeitsrechtlich sanktionieren. Hierdurch entstehe ein unzulässiger Überwachungsdruck, der in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingreife.
Da diese Funktion nicht gesondert abgestellt werden kann, wollte der Betriebsrat erreichen, dass dem Arbeitgeber bis zu einer Einigung mit dem Betriebsrat die Twitter-Nutzung gänzlich untersagt wird.
Warum es bei Twitter vorerst nicht ruhiger wird
Während das erstinstanzlich mit der Sache befasste Arbeitsgericht Hamburg (ArbG, Beschl. v. 6.12.2017, Az.: 28 BV 6/17) noch keine Bedenken hinsichtlich der Twitter-Nutzung hatte, gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg (Beschl. v. 13.09.2018, Az.: 2 TaBV 5/18) auf die Beschwerde des Betriebsrats hin der Arbeitnehmervertretung Recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Twitter-Abschaltung, bis es zu einer Einigung über die arbeitgeberseitige Nutzung komme.
Das BAG ließ diese spannende Rechtsfrage aber nunmehr offen. Es traf aus formalen Gründen in der Sache keine Entscheidung und sah die Anträge des Gesamtbetriebsrats bereits als unzulässig an. Das Verfahren gegen den Arbeitgeber war nämlich von einem unternehmensübergreifend gebildeten Gesamtbetriebsrat eingeleitet worden. Die Bildung derartiger über Unternehmensgrenzen hinaus agierender Betriebsräte ist nur ausnahmsweise möglich und setzt einen entsprechenden dies erlaubenden Zuordnungstarifvertrag voraus. Hieran fehlte es aber, so das BAG, das die Anträge des Gesamtbetriebsrats damit als unzulässig zurückwies.
Damit dürfte sich die Befürchtung, dass es in den nächsten Monaten ruhiger bei Twitter werden dürfte, wenn weitere Arbeitnehmervertretungen ihre Arbeitgeber auf Unterlassung der Nutzung in Anspruch nehmen, zunächst nicht bewahrheiten.
Auch datenschutzrechtlich ist Twitter-Nutzung bedenklich
Unabhängig von der arbeitsrechtlichen Thematik könnte weiterer Schwung durch datenschutzrechtliche Aspekte in die Diskussion gelangen. Einige Aufsichtsbehörden sehen in der Twitter-Nutzung an sich bereits eine unzulässige Datenerhebung. Twitter sammelt nämlich im Hintergrund Nutzerdaten, was ohne konkrete Einwilligung der Betroffenen datenschutzrechtlich äußerst fragwürdig ist.
In diesem Zusammenhang warnte auch jüngst zum Jahreswechsel der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink Unternehmen generell vor dem Einsatz von Twitter und empfahl, das besser bleiben zu lassen.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälten sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
BAG zur Betriebsrat-Mitbestimmung bei Social-Media-Nutzung: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40471 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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