Macht ein Arbeitgeber Schadensersatzansprüche gegen einen Arbeitnehmer nicht rechtzeitig geltend, hat er die Konsequenzen zu tragen. Das BAG stellt klar: Ausschlussklauseln im Arbeitsvertrag sind keine Einbahnstraße, zeigt Janine Fischer.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies mit Urteil vom 7. Juni 2018 (Az. 8 AZR 96/17) die Schadensersatzklage eines Arbeitgebers gegen einen seiner Arbeitnehmer zurück und stützte sich dabei auf eine Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag. Damit entschied das BAG in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen und stellte fest, dass Ausschlussfristen für beide Seiten einzuhalten sind.
Der Entscheidung lag ein kurioser Sachverhalt zugrunde. Die Arbeitgeberin betreibt ein Autohaus, in welchem der Arbeitnehmer als Verkäufer beschäftigt war. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine Ausschlussklausel vereinbart: Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen innerhalb von drei Monaten, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Partei schriftlich geltend gemacht werden. Zudem bestand in dem Betrieb die Anweisung an Verkäufer, Neufahrzeuge erst nach vollständiger Bezahlung oder im Fall gesicherter Finanzierung an den Kunden herauszugeben.
Dass diese Anweisung aus gutem Grund bestand, zeigte sich spätestens, als im September ein Kunde in dem Autohaus erschien, um einen bereits vor längerer Zeit bestellten Neuwagen abzuholen. Der Kunde bat den Verkäufer darum, ihm den Wagen gegen eine Anzahlung über das Wochenende zu überlassen. Die Rückgabe wurde für den darauffolgenden Montag vereinbart. Entgegen der betriebsinternen Anweisung entsprach der Arbeitnehmer dem Wunsch des Kunden. Der Glaube an das Gute im Menschen wurde in diesem Fall nicht belohnt: Der Kunde machte sich mit dem Fahrzeug zwar nicht über alle Berge, aber doch zumindest über die Alpen.
Der faktische Griff ins Nichts
Als der Kunde nicht wieder auftauchte, entschied sich die Arbeitgeberin zunächst dazu, Strafanzeige gegen diesen zu stellen. Etwa einen Monat später wurde der Kunde in Italien festgenommen und das Fahrzeug beschlagnahmt. Doch damit war die Geschichte noch nicht vorbei. Nach Aufhebung des Haftbefehls gaben die italienischen Behörden das Fahrzeug wieder an den vermeintlichen Autokäufer heraus. Der Versuch der Arbeitgeberin, vom Kunden außergerichtlich zumindest den Restkaufpreis zu erlangen, scheiterte. Auch die Zustellung der Klage, welche die Arbeitgeberin am 20. August des Jahres erhob, scheiterte mangels Auffindbarkeit des Kunden.
Um nun nicht selbst auf den Kosten sitzen zu bleiben, forderte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer am 20. November desselben Jahres schriftlich auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz anzuerkennen. Einen Monat später erhob sie zudem Klage gegen den Arbeitnehmer auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.
Der rechtliche Griff ins Nichts
Ob die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden eine Vertragspflichtverletzung darstellte, ließ das BAG offen. Etwaig entstandene Schadensersatzansprüche seien, so der achte Senat des BAG, ohnehin aufgrund der vertraglich vereinbarten Ausschlussklausel verfallen.
Die Ausschlussfrist von drei Monaten begann laut BAG nämlich spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich die Arbeitgeberin entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben. Dieser Zeitpunkt sei zumindest vor Klageerhebung am 20. August gewesen, sodass die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer am 20. November zu spät erfolgt sei.
Der Fristbeginn sei auch nicht im Hinblick auf arbeitsvertragliche Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) oder die Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2 BGB) anders zu bewerten. Insbesondere, so das BAG, sei eine gerichtliche Inanspruchnahme vor Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht geboten gewesen. Der Arbeitgeberin sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegen den Kunden erkennbar gewesen, dass die Klage zumindest faktisch wenig bis keine Aussicht auf Erfolg haben werde.
In der arbeitsrechtlichen Praxis sind Ausschlussklauseln wie die vorliegende keine Seltenheit. Zumeist verfolgen sie den Zweck, den Arbeitgeber gegen Ansprüche der Arbeitnehmer abzusichern. Der nun vom BAG entschiedene Fall ruft in Erinnerung, dass solche Klauseln keine Einbahnstraßen sind.
Janine Fischer ist Rechtsanwältin im Frankfurter Büro der Kanzlei Noerr und berät Arbeitgeber zu Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.
BAG zu vertraglicher Ausschlussklausel: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29045 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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