Verschlüsselte Kommunikation ist den Ermittlern ein Graus, ein Staatstrojaner soll Daten deshalb künftig direkt von der Quelle auslesen dürfen. Diana Nadeborn zur Debatte im Rechtsausschuss, die sich mit dem Für und Wider auseinandersetzte.
Lange sah es so aus, als wäre die Reform der Strafprozessordnung zu unwesentlichen Änderungen zerkocht. Kurz vor der Verabschiedung und weitgehend unbemerkt ergänzte sie das Bundesjustizministerium dann aber um die digitale Revolution der Ermittlungsmaßnahmen: Die heimliche Überwachung von IT-Systemen mithilfe des Staatstrojaners soll Ermittlern zukünftig viele neue Beweismittel bescheren. Welche Folgen das für die IT-Sicherheit aller Bürger haben kann, wurde am Mittwoch vor dem Rechtsausschuss im Bundestag diskutiert.
Ein Staatstrojaner ist eine Überwachungssoftware, die der Staat bisher nur zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung von Terroranschlägen, einsetzen darf. Nach einem Änderungsantrag der CDU-/CSU- und SPD-Fraktionen, den die Bundesregierung Mitte Mai kurzfristig durch eine Formulierungshilfe auf den Weg gebracht hat, soll die Software zukünftig auch zur Strafverfolgung eingesetzt werden dürfen. Wollen die Ermittler Gespräche aufzeichnen und ausleiten, die der Betroffene zum Beispiel per Skype oder Whatsapp an seinem Computer oder Handy – also eben der "Quelle" - führt, spricht man von Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). So werden Beweismittel vor beziehungsweise nach der verschlüsselten Übertragung gewonnen.
Wollen die Ermittler mit der Software hingegen auf alle gespeicherten Daten zugreifen, nennen sie es Online-Durchsuchung. Auch das ermöglicht der Trojaner, solange das Gerät angeschaltet ist. Die Ermittler müssen dann keinen Passwortschutz und keine Festplattenverschlüsselung überwinden. Das Bundeskriminalamt hat 2016 einen – ursprünglich für die Gefahrenabwehr vorgesehenen - Staatstrojaner fertiggestellt, der für Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung bereitsteht. Die teure Entwicklung soll sich schließlich lohnen.
Ermittler fordern die nötigen Befugnisse für den Trojaner-Einsatz
Im Rahmen der Sachverständigen-Anhörung sprachen sich die Vertreter der Ermittlungsbehörden einhellig für die Einführung der neuen Eingriffsbefugnisse durch die geplanten Gesetzesänderungen aus. Zur Aufklärung von Straftaten müsse der Staatstrojaner eingesetzt werden dürfen. Linus Neumann, der einzige Programmierer unter den Sachverständigen, wies hingegen nachdrücklich auf die Folgen für alle Computer- und Handynutzer hin. Zur Installation der Schadsoftware seien IT-Schwachstellen eine zwingende Voraussetzungen. Das Bestehen von Sicherheitslücken auf allen Systemen wäre also zukünftig im staatlichen Interesse.
Der Einsatz des Staatstrojaners wird dabei häufig mit dem Abhören der Wohnung verglichen, die als privater Rückzugsraum gilt. Deshalb war das Abhören der privaten Räumlichkeiten durch den Großen Lauschangriff so umstritten. In Zeiten der Sharing-Economy sehen das diejenigen, die ihre Privatwohnungen über AirBnB mit Fremden teilen, schon nicht mehr so.
Heutzutage schaffen sich viele einen privaten Entfaltungsraum vielmehr mithilfe von Fotos, E-Mails, besuchten Webseiten, etc., den sie auf dem Handy, Tablet oder Laptop mit sich tragen. Mit dem ausgeweiteten Einsatz des Staatstrojaners würde sich der Staat eben dazu Zugang verschaffen. Richter am Landgericht Berlin Dr. Ulf Buermeyer bezeichnete die geplante Überwachungsausweitung bei der Anhörung deshalb treffend als "das ganz große Besteck des Strafprozessrechts".
Expertenanhörung zur Ausweitung des Staatstrojaners: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23091 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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