Auslaufen der Corona-ArbSchVO: "Masken am Arbeits­platz müssen nicht fallen"

Interview von Tanja Podolski

25.05.2022

Am heutigen Mittwoch ist der letzte Tag der Corona-ArbSchVO. Die dort einst geregelten Masken- und Abstandspflichten waren aber ohnehin zuletzt nur noch Empfehlungen. Was nun im Arbeitsalltag gilt, erklärt Michael Fuhlrott im Interview.  

LTO: Herr Professor Fuhlrott, das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat bekannt gegeben, dass die bis zum 25. Mai 2022 befristete SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung (ArbSchVO) nicht verlängert wird. Was bedeutet das? 

Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Diese Verordnung (VO), die zuletzt zum 20. März 2022 modifiziert worden war und in der aktuellen Form galt, war über § 5 ArbSchVO von Anfang an befristet. Diese VO war die Fortschreibung dessen, was das BMAS im Laufe der Pandemie an auf das Covid-Virus angepassten Arbeitsschutzmaßnahmen in die Betriebe gebracht hat – angefangen mit den frühen Arbeitsschutzregeln. Danach kamen die immer wieder angepassten, verlängerten oder eben befristeten Arbeitsschutzverordnungen, die auf die Ermächtigung im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gestützt wurden.  

Die Verordnungen waren stets die Konkretisierung des ArbSchG, welches nur recht abstrakt formuliert, dass die Arbeitgebenden Schutzmaßnahmen zugunsten ihrer Beschäftigten erlassen müssen. Damit kamen die konkret einzuhaltenden Abstände im Büro, die Pflicht zur Unterbreitung von Testmöglichkeiten für die Beschäftigten und die Pflicht, Maske zu tragen. Anfangs war auch die Pflicht zum Homeoffice in der ArbSchVO geregelt, bis dann die berechtigt geäußerte Kritik dazu führte, das Homeoffice gesetzlich im Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu verankern. Aber auch diese ist bereits seit dem 19. März 2022 ausgelaufen. 
Eine solche ArbSchVO ist, solange sie in Kraft ist, zwingendes Recht, das die Arbeitgebenden befolgen müssen. Und die aktuelle ist mit Ablauf des heutigen Tages außer Kraft.  
 
Was sind die Folgen? 

Mit dem Auslaufen fallen die letzten konkreten Regelungen zur Maskenpflicht, zu Abständen sowie zur Anzahl der Personen auf einer bestimmten Fläche weg. Nun ist allein das ArbSchG wieder anwendbar. 
Man muss aber sagen, dass die Corona-ArbSchVO seit März schon ohnehin nur noch in sehr abgespeckter Form galt. Die letzte Fassung enthielt vielmehr Prüfempfehlungen für die Arbeitgebenden, als dass sie noch zwingende Pflichten normiert hätten.  

Unternehmen wieder selbst in der Pflicht 

Was müssen Arbeitgebende jetzt tun? 

Die Unternehmen haben – wie immer –die Pflicht, für die Sicherheit der Beschäftigten Sorge zu tragen. Und jedes Mal, wenn sich im Arbeitsschutz etwas ändert, müssen sie daher eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und die Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten daran ausrichten. Eine Veränderung der tatsächlichen Lage kann also zu einer Pflicht zur Überprüfung und Anpassung der betrieblichen Regelungen führen. 
Die Arbeitgebenden sollten sich also schon mit dem betrieblichen Gesundheitsdienstleister oder dem Betriebsarzt zusammengesetzt und geprüft haben, welche spezifischen Risiken es im Betrieb nun gibt. Auf dieser Grundlage werden dann erforderliche Maßnahmen definiert.  

Bis März hatte die Corona-ArbSchVO die notwendigen Maßnahmen konkret vorgegeben und es galten die gleichen Regeln in den meisten Betrieben. Nun sind die Arbeitgebenden wieder vollständig selbst in der Pflicht, zu prüfen, welche Maßnahmen dazu erforderlich sind. 

Wie weitreichend dürfen die Maßnahmen sein?  

Die Arbeitgebenden dürfen auf Grundlage des ArbSchG selbst Maßnahmen festlegen – das kann daher grundsätzlich auch die Fortführung des Tragens von Masken oder die Einhaltung von Abständen sein. In den Kranken- und Pflegeeinrichtungen etwa wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.  

Wenn die Maßnahmen über die gesetzliche Regelung hinausgehen, stellt sich allerdings immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Inzwischen gibt es einige Entscheidungen dazu, etwa das Urteil vom Landesarbeitsgericht München zur Flötistin des Opernorchesters, die sich der Tests verweigerte (Az. 9 Sa 332/21) – die Frau bekam danach zu Recht kein Gehalt. Allerdings steht die letzte Klärung hier noch aus, das Bundesarbeitsgericht will diesen Fall in der Revision am 1. Juni 2022 verhandeln. Auch das Arbeitsgericht Offenbach gab einem Arbeitgeber Recht, der den Zugang zum Arbeitsplatz von einem negativen Covid-19-Test abhängig gemacht hatte (Urt. v. 03.02.2021, Az. 4 GA 1/21). 

Man sieht also: Die Unternehmen haben dem Grunde nach viele Möglichkeiten. Es ist also durchaus erlaubt, ein "Mehr" an Arbeitsschutz zu definieren, als das Gesetz vorgibt. Ob die Befugnisse von Unternehmen aber so weit gehen, dass die Arbeitgebenden z.B. von Ihren Beschäftigten noch negative PCR-Tests verlangen können, bevor diese zur Arbeit erscheinen, wird sehr genau abgewogen werden und sicherlich in Relation zu regionalen Fallzahlen und zur Art des Betriebs gestellt werden müssen. Grundsätzlich dürfte dies nicht mehr angemessen sein.  

Im Gesundheitssektor etwa, in dem auch die Gefährdungsbeurteilung eine andere ist als in sonstigen Branchen, gelten allerdings weiterhin andere Regelungen. Dort besteht ja auch weiterhin die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich für wirksam ansah.  

Fast wieder alles beim Alten 

Gibt es noch Sonderregelungen für Beschäftigte mit Angehörigen, die zur Risikogruppen gehören?
 

Unternehmen können im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht durchaus auf besondere Situationen ihrer Beschäftigten Rücksicht nehmen. Das kann, ich betone das Wort "kann", in Einzelfällen vielleicht zu besonderen Entscheidungen in Hinblick auf die Maßnahmen im Betrieb führen – das aber vermutlich in aller Regel mehr aus Kulanz als aus einer Pflicht des Unternehmens heraus. 

Könnte die VO wieder in Kraft gesetzt werden, wenn die Pandemie nochmal an Fahrt aufnimmt? 

Jederzeit. Bis zum 23. September 2022 kann das BMAS über die Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 3 IFSG die Maßnahmen sogar ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen, danach geht es nur noch mit Zustimmung des Bundesrates.  

Zum Schutz aller gab es für Beschäftigte die Möglichkeit, sich per Telefon bis zu sieben Tage krankschreiben lassen zu können. Was ist mit dieser Regelung? 

Diese Regelung stammte vom Gemeinsamen Bundesausschuss, auch sie wurde mehrfach verlängert und wird nun zum 31. Mai auslaufen. Ab dem 1. Juni ist der Gang zum Arzt bei Krankheit also wieder verpflichtend.  

Also zusammengefasst ist alles beim Alten, zurück zu den Tagen vor der Corona-Pandemie? 

Für fast alle Beschäftigten in fast allen Branchen kann man das sehr allgemein gefasst so sagen – zumindest so lange, wie die Fallzahlen niedrig bleiben. Die Unternehmen müssen allerdings die lokale Lage im Auge behalten und die Gefährdungsbeurteilung und damit ggf. erforderliche Maßnahmen anpassen.  

Für die Beschäftigten in den Gesundheits- und Pflegeberufen, wo ja auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht besteht, hingegen kann man das so sicher noch lange nicht sagen. Auch können die Bundesländer spezifische Vorschriften in diesen Bereichen machen, einige Bundesländer wie z.B. Hamburg oder Niedersachsen haben davon Gebrauch gemacht und Maskenregelungen oder Testpflichten zunächst weiter fortgeschrieben.

Herr Professor Fuhlrott, vielen Dank für das Gespräch. 
 
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten in Hamburg.  

Zitiervorschlag

Auslaufen der Corona-ArbSchVO: . In: Legal Tribune Online, 25.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48563 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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