2/2: Das "Irish Dutch Sandwich" und die Bahamas
Ein schon legendäres Gestaltungsmodell war das "Irish Dutch Sandwich", das die DBA und Steuerordnungen Irlands, der Niederlande und Niedrigsteuerländern wie den Bermudas, Bahamas oder Cayman-Islands kombinierte. Grob basierte dieses Modell auf zwei Lücken.
Zum einen der irischen Bestimmung, dass Irland Kapitalgesellschaften nur dann besteuert, wenn sie neben dem formalen Handelsregistereintrag auch ihren Unternehmenssitz in Irland hatten. Zum anderen der Regelung im DBA Irland-Niederlande, dass von einer niederländischen Gesellschaft an eine irische Gesellschaft gezahlte Lizenzgebühren in Irland zu besteuern sind. Nach den Regelungen des DBA reicht aber die Handelsregistereintragung in Irland aus. Ob auch der Sitz und damit die tatsächliche Versteuerung in Irland lagen, war im Ergebnis unerheblich.
Entsprechend sprossen Gesellschaften mit irischem Handelsregistereintrag, aber Unternehmenssitz in Niedrigsteuerländern aus dem Boden. Besonders taten sich hierbei amerikanische Technologieunternehmen wie Apple, Google oder Amazon hervor. Allein für Apple wurden jährliche Steuerersparnisse von 1,5 Mrd. Euro kolportiert.
Nach massivem ausländischem Druck hat Irland ab 2015 seine Regelung geändert, dass bereits eine irische Handelsregistereintragung ausreichte. Nunmehr muss auch der Unternehmenssitz in Irland liegen. Dann fallen freilich die irischen Steuern an, so dass sich dieses Steuersparmodell einstweilen erledigt hat.
"Luxleaks" deckte geheime Verständigungen auf
Aber es bleiben andere Wege. Verbreitet sind Darlehen zwischen Konzerngesellschaften. Der Darlehensnehmer setzt die gezahlten Zinsen steuermindernd in seinem Ansässigkeitsstaat ab, während der Darlehensgeber in einem Niedrigsteuerstaat auf die Zinserträge kaum Steuern zahlt. Der Geldfluss bleibt innerhalb des Konzerns.
Diesen Mechanismus hatte sich etwas Luxemburg zu Nutze gemacht, um seinen Standort für die Finanzdienstleistungen attraktiv zu machen und sich innerhalb weniger Jahre auf einen der vorderen Ränge unter den weltweiten Finanzmarktplätzen zu katapultieren.
Durch sogenannte tax rulings standen Finanzgesellschaften in mehr oder minder geheimen Verständigungen außerordentlich niedrige Steuern auf Zinserträge zu. In anderen Staaten konnten sie dann den korrespondierenden Zinsaufwand geltend machen und dort Steuern sparen. Durch "Luxleaks" kam ein Teil dieser Praxis ans Licht.
Auch die Niederlande stechen hervor. Dort sind auffällig viele Finanzierungsgesellschaften internationaler Konzerne ansässig. Und die Umstände verdichten sich, dass es sich bei ihnen nur um "Briefkastengesellschaften" handelt, die zwar eine offizielle Anschrift in den Niederlanden aufweisen, wirtschaftlich jedoch von anderen Staaten aus gesteuert werden. Sollte sich dies bewahrheiten, funktioniert das Modell nicht mehr. Denn wenn die wirtschaftlichen Entscheidungen woanders getroffen werden, dann gilt die Gesellschaft steuerlich auch dort als ansässig. Der bloß formelle ausländische Sitz oder die Adresse genügen nämlich nicht.
Wettlauf zwischen Fiskus und Konzernen geht weiter
Die Finanzverwaltung muss diese Umstände nur erst einmal nachweisen können. Durch zunehmenden internationalen Datenaustausch zwischen den Finanzverwaltungen wird die Luft für Gewinnverlagerungsmodelle aber dünner. Manchmal hilft wie im Beispiel Irland auch internationaler Druck, um einzelne Besteuerungslücken zu schließen.
So mehren sich die internationalen Initiativen gegen "Steuervermeidungsmodelle" und "aggressive Steuerplanung". Seit 2013 arbeiten die G20-Finanzminister über die OECD an einem gemeinsamen Aktionsplan, um ihre Steuerordnungen besser zu koordinieren.
Die neue EU-Kommission ist aufgesprungen und hat am 18. Februar 2015 erklärt, im März ein Paket zu Steuertransparenz und fairen Steuersystemen vorzustellen. Die luxemburgischen "tax rulings" und vergleichbare Praxis in Belgien und den Niederlanden könnten verbotene Beihilfen sein.
Es ist also einiges in Bewegung. Der Teufel steckt aber im Detail. Wesentlich weiter als über Ankündigungen hinaus sind viele Maßnahmen noch nicht gedrungen. Zwar herrscht über das Grundprinzip Konsens, Gewinne dort und nur dort zu versteuern, wo sie tatsächlich anfallen. Wie so oft im Steuerrecht besteht das Dilemma darin, die unerwünschten Gewinnverlagerungen von den "normalen" internationalen Unternehmensaktivitäten zu unterscheiden.
Neue Gesetze und Abgrenzungen machen das Steuerrecht noch komplizierter und bewirken allzu oft nur neue Lücken oder Widersprüche an anderer Stelle. Solange es Steuern gibt, wird es Bemühungen geben, diese zu vermeiden. Es bedarf also keiner hellseherischen Fähigkeiten für die Vorhersage, dass der Wettlauf zwischen Fiskus und Konzernen wie der zwischen "Hase und Igel" weitergehen wird.
Der Autor Prof. Dr. Dennis Klein – Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht – ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover.
Steuerdumping internationaler Konzerne: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14796 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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