SPD, Grüne und FDP: Ampel will neue Corona-Shut­downs blo­ckieren

von Christian Rath

27.10.2021

SPD, Grüne und FDP einigen sich auf ein Ende der "epidemischen Lage". Damit sind drastische Corona-Beschränkungen in den Bundesländern bis auf weiteres nicht mehr möglich. Christian Rath analysiert die Pläne.

In diesem Winter soll es keinen coronabedingten Shutdown von Läden, Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen geben. Darauf haben sich die kommenden Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP geeinigt. Die "epidemische Lage nationaler Tragweite" soll deshalb am 24. November auslaufen. Schwächere Eingriffe wie Maskenpflicht und Abstandsgebote sollen aber noch vier Monate lang möglich bleiben.

Die Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite ist Aufgabe des Bundestags. Den ersten derartigen Beschluss traf er am 25. März 2020, damals noch zeitlich unbeschränkt. Seit März 2021 müssen die Beschlüsse jedoch alle drei Monate erneuert werden. Der letzte Beschluss stammt vom 25. August. Seine Wirkung endet am 25. November.

Die Feststellung der epidemischen Lage durch den Bundestag hatte anfangs vor allem symbolische Bedeutung. Seit November 2020 sind jedoch die Corona-Befugnisse der Bundesländer ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz geregelt (§ 28a IfSG) - und an die Feststellung einer epidemischen Lage gebunden. Wenn der Bundestag die Lage nicht verlängert, würden also alle Corona-Verordnungen der Länder ihre Basis verlieren.

Vorige Woche schlug Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, die epidemische Lage auslaufen zu lassen. Die Ministerpräsidenten der Länder waren davon nicht begeistert, sie forderten einen Rechtsrahmen, der ihnen zumindest einen Basisschutz, wie eine Maskenpflicht, ermöglicht. 

"Wir werden Paragraph 28a stillegen"

Die Ampel-Parteien haben sich nun geeinigt, die epidemische Lage im Bundestag nicht neu festzustellen. Trotz steigender Infektionszahlen gebe es dank des Impffortschritts "keine ernsthafte Gefahr mehr für die öffentliche Gesundheit", sagte SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese.

Damit können die Länder von den Corona-Befugnissen in § 28a IfSG nicht mehr Gebrauch machen. Das Gesetz listet in § 28a Abs. 1 immerhin 18 Maßnahmen auf: von der Maskenpflicht über Ausgangsbeschränkungen bis zum Verbot von Kultur- und Sportveranstaltungen. "Wir werden Paragraph 28a stillegen", sagte jetzt Marco Buschmann (FDP). 

Allerdings wird der 25. November kein "Freedom Day" ganz ohne Corona-Beschränkungen. Wie von den Ländern gewünscht will die Ampel im Infektionsschutzgesetz eine neue Rechtsgrundlage schaffen, damit die Länder sechs "weniger eingriffsintensive" Maßnahmen beibehalten oder einführen können. Dabei geht es zum Beispiel um die Maskenpflicht, das Abstandsgebot in öffentlichen Innenräumen und 2G- oder 3G-Anforderungen für öffentliche Angebote. 

Katrin Göring-Eckardt (Grüne) erklärte, solche Maßnahmen seien zum "Schutz der Ungeimpften", insbesondere der Kinder, weiter erforderlich. Über die konkrete Fort- oder Einführung entscheiden die Länder in eigener Verantwortung. 

Buschmann betonte, dass es hier um einen abgeschlossenen Katalog gehen werde. In der neuen Norm werde das Wort "insbesondere" nicht zu finden sein. Er räumte allerdings ein, dass die Länder auch 2G-Konzepte umsetzen könnten, was die FDP eigentlich ablehne. Es sei nun mal ein Kompromiss.

Diese Übergangsregelung soll zum Frühlingsbeginn am 20. März auslaufen. Das wäre dann der deutsche "Freedom Day" - wenn die Regelung nicht verlängert wird.

Länder ohne Instrumente

Was gilt aber, wenn sich die Lage in den nächsten Wochen und Monaten doch wieder massiv zuspitzt, zum Beispiel weil eine neue impfresistente Mutante aufkommt? Die Länder könnten darauf erst dann mit neuen Shutdowns reagieren, wenn der Bundestag erneut die "epidemische Lage nationaler Tagweite" feststellt. 

Bisher ermöglicht zwar § 28a Abs. 7 IfSG den Landtagen festzustellen, dass "die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung" des Coronavirus besteht. So könnten sich die Länder selbst eine neue Basis für die Länderverordnungen schaffen. Deshalb war das Auslaufen der epidemischen Lage auf Bundesebene bisher eher als symbolischer Akt gesehen worden. Doch die Ampel-Parteien kündigten nun an, dass dieser Passus ersatzlos gestrichen werden soll. 

So könnten die Länder im Falle einer Verschärfung also wirklich erst handeln, wenn der Bundestag die "epidemische Lage nationaler Tragweite" beschließt. Und weil in der kommenden Koalition gemeinsam abgestimmt wird, hätte die shutdown-skeptische FDP dann ein faktisches Vetorecht für Shutdown-Maßnahmen in allen Bundesländern.

Wenn der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage blockiert, könnnten betroffene Länder nur die Maßnahmen ergreifen, die bereits der alte § 28 IfSG vorsah. Dazu gehören auch durchaus intentsive Eingriffe wie die Schließung von Schulen und das Verbot von Demonstrationen.

Nicht vergessen werden sollte bei einer Zuspitzung der Corona-Lage aber auch die Bundesnotbremse in § 28b IfSG. Sie war von April bis Juni 2021 in Kraft und lief wegen einer Befristung anschließend aus. Sie steht aber noch im IfSG und könnte per Gesetzesbeschluss des Bundestags leicht wieder aktiviert werden. Dann würden die Folgen des § 28b IfSG - zum Beispiel nächtliche Ausgehverbote - automatisch in Kraft treten, wenn der durchschnittliche Inzidenzwert drei Tage lang über 100 liegt. Die Länder könnten auch in diesem Fall nicht mehr mit eigenen Verordnungen steuern. Die Bundesnotbremse wird allerdings derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft, der Beschluss soll noch in diesem Jahr verkündet werden.

Die Ampel funktionierte

Bisher haben die Ampel-Fraktionen erst ein zweiseitiges Eckpunkte-Papier vorgelegt. Nun soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. Dieser könnte schon am 11. November im Bundestag beschlossen werden, schlug Göring-Eckardt vor. Der Bundesrat müsste sich dann in einer Sondersitzung mit dem Vorhaben befassen, denn die nächstfolgende turnusgemäße Sitzung der Länderkammer ist erst am 26. November. 

Wiese, Buschmann und Göring-Eckardt betonten allesamt, wie angenehm und konstruktiv die Zusammenarbeit gewesen sei. Es war wohl der erste und - wie es ausieht - erfolgreiche Praxistest der kommenden Koalition. Zur Erarbeitung des Gesetzentwurf sollen aber auch andere "konstruktive Fraktionen" eingeladen werden, so Buschmann.

Um arbeitsfähig zu sein, muss der Bundestag sich auch noch weiter konstituieren. Da es bisher noch keine Fachausschüsse gibt, müsse zumindest ein Hauptausschuss eingerichtet werden, um die Änderung des IfSG überhaupt sachgerecht beraten zu können. 

Gegenstand der IfSG-Änderung werden auch einige "flankierende Maßnahmen" sein, die bisher ebenfalls an der "epidemischen Lage" festgemacht wurden. Auch sie sollen bis Ende März bestehen bleiben. So sollen etwa Künstlerinnen und Künstler und Solo-Selbständige weiterhin erleichterten Zugang zu Hartz IV erhalten.

Göring-Eckardt betonte, dass es in diesem Projekt wirklich nur um Übergangsregelungen gehe. Die endgültige Evaluation des IfSG habe damit nichts zu tun.

Zitiervorschlag

SPD, Grüne und FDP: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46479 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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