Altersdiskriminierung in der Disco: "Garantiert faltenfrei" vor Gericht

von Volker Werxhausen

07.05.2012

Weil er keinen Eintritt zu einer U-30-Party erhielt, klagt ein 38-jähriger Rechtsanwalt gegen einen Clubbetreiber. Er fordert 5.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung und eine Unterlassungserklärung wegen Wiederholungsgefahr. Volker Werxhausen über verprellte Nachtschwärmer vor dem Kadi und einen Fall, der die Regeln für die Discolandschaft auf den Kopf stellen könnte.

Wie schön, den Arbeitstag im Jungbrunnen des Nachtlebens ausklingen zu lassen! So oder ähnlich mag es sich ein Münchener Enddreißiger an einem Donnerstag im März ausgemalt haben. Statt Entspannung im Club gab es allerdings Stress: Dem Mann wurde der Einlass verweigert - angeblich mit der Begründung, er passe nicht in die Altersgruppe der U-30-Party. Der Abgewiesene wähnt sich diskriminiert und reagiert wenig jugendlich mit einer ausgewachsenen Entschädigungsklage. Das wirkt humorlos, aber ist es rechtlich abwegig?

Eine Benachteiligung ist beim Abschluss zivilrechtlicher Verträge im Massengeschäft unzulässig, wenn sie aus rechtlich verpönten Gründen erfolgt. Dazu zählt auch die Diskriminierung wegen des Alters. Was auf den ersten Blick erstaunt, hat die Justiz in drei veröffentlichten Entscheidungen bestätigt: Beim Discobesuch darf nicht diskriminiert werden. Folgt man dem Amtsgericht (AG) Oldenburg (Urt. v. 23.07.2008, Az. E 2 C 2126/07) dem AG Bremen (Urt. v. 12.01.201, Az. 25 C 28/10) und dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urt. v. 12.12.2011, Az. 10 U 106/11), so schließen Diskothekenbetreiber Verträge mit ihren Gästen typischerweise ohne Ansehen der Person und in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen. Ein Massengeschäft also. Wer willigen Gästen den Zugang grundlos verweigert, muss mit Schadenersatz, Entschädigung und Unterlassungsansprüchen rechnen.

Schadensersatz für durchweinte Nächte

Und das kann teuer werden. In den genannten Urteilen geht es um Diskriminierungen wegen der Hautfarbe, in keinem der Fälle wurde den Betroffenen Einlass gewährt. Dabei sind die regionalen Unterschiede beim Schadenersatz beachtlich: Kostete eine Diskriminierung im Norden 300 bzw. 500 Euro, so waren es im Stuttgarter Urteil schon 900 Euro - der Gegenwert des Eintrittspreises für 150 Gäste.

Zur Bemessung der Entschädigung haben die Gerichte die Dauer des vereitelten Discobesuchs, das Gewicht der zum Ausdruck gebrachten Missachtung der Persönlichkeit, die Besucheranzahl und - zusammensetzung sowie generalpräventive und abschreckende Effekte berücksichtigt. Ein gründlicher Prüfungskanon also. In einem Fall hatte der Betroffene es ausdrücklich darauf angelegt, wegen seiner Hautfarbe an der Tür abgewiesen zu werden. Er erhielt trotzdem eine Entschädigung.

Man staunt und begreift: Es gibt ihn wirklich, den Strafschadenersatz für vereitelte Discoerlebnisse, eine Genugtuung in Geld für durchweinte Nächte. Inspirierend, auch für Juristen. Und gemessen am Katalog der in § 253 Abs. 2 des Bürgerliches Gesetzbuchs geschützten Rechtsgüter doch ein ziemlicher Spagat.

Wird das OLG Stuttgart nun also zur Muse anwaltlicher Nachtschwärmer? Es mag Zufall sein, das der Entschädigungsantrag des Müncheners ebenfalls auf  5000 Euro lautet, und vielleicht sind Organe der Rechtspflege auch einfach empfindlicher. Und doch wird er wohl kein Selbstläufer. Denn die Urteile taugen nur bedingt als Gebrauchsanleitung für eine lukrative Abendgestaltung.

Künftig Feiern nur nach Vorschrift?

So ist bisher nicht entschieden, ob für entsprechend ausgelegte und beworbene Zielgruppenveranstaltungen überhaupt angenommen werden darf, dass Veranstalter den Zugang dazu ohne Ansehen der Person anbieten möchten. Davon ist kaum auszugehen. Eine U-30- oder Ü-30-Party wird für Gäste deshalb attraktiv, weil die eigene Altersgruppe repräsentiert wird. Die eigene Musik, Subkultur, Sprache. Schlichte Soziologie, die eigene peer group ist eben nicht diejenige der Eltern, Kinder oder Enkel. Veranstalter, die ein entsprechend gezieltes Unterhaltungsangebot schaffen, dürfen grundsätzlich darauf setzen, dass diejenigen, die nicht in die Alters- und Zielgruppe fallen, sich auch per gesetzlicher Hilfe keinen Zutritt verschaffen. Ungleichbehandlungen wegen des Alters sind auch nicht automatisch willkürlich, wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen, jedenfalls solange das Veranstalterkonzept im Übrigen nicht zu beanstanden ist. Je nach Motto und Konzept haben dann jüngere wie ältere Menschen das situative Nachsehen.

Eine Zielgruppenveranstaltung ist trotzdem kein Freibrief für Diskriminierungen. Wo ein Motto nur vorgeschoben ist, taugt es nicht zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Veranstalter sind ohnehin gut beraten, ihr Türpersonal arbeitsrechtlich in geeigneter Weise zur Verhinderung von Diskriminierungen zu schulen oder sich beim Einsatz von Fremdpersonal deren Schulungen nachweisen zu lassen. Ihr Türpersonal bildet die Schnittstelle zum Kunden, sie werden im Streitfall im Fokus jeder gerichtlichen Beweisaufnahme stehen. Berücksichtigt man dazu noch die klägergünstigen Beweislastregeln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, so ist Compliance im Veranstaltungsbetrieb definitiv ein Thema.

Es bleibt abzuwarten, wie die Münchener Gerichte entscheiden - möglicherweise lag schon kein Massengeschäft vor, vielleicht wäre eine Ungleichbehandlung wegen des Alters auch sachlich gerechtfertigt. Wenn er Pech hat, bleibt der klagende Rechtsanwalt auf den Verfahrenskosten sitzen. Oder aber die Justiz ändert tatsächlich die Spielregeln in der deutschen Discolandschaft. Was dann kommt, kann man sich vorstellen: Feiern nach Vorschrift, einstweilige Verfügungen auf Einlass, Mehrgenerationenpartyquoten, massenhafte Klagen gerichtet auf nennenswerte Entschädigungen. Wer sich da noch zu alt zum Ausgehen fühlte, wäre wirklich selbst schuld.

Volker Werxhausen ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln.

Zitiervorschlag

Altersdiskriminierung in der Disco: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6143 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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