Seit Sonntag gibt es keine bundesweite Maskenpflicht mehr. Nicht alle Länder verlängern sie nach der Hotspot-Regel. Renate Mikus analysiert, ob Unternehmen Kunden dennoch zum Tragen einer Maske verpflichten können – per Hausrecht.
Trotz weiterhin hoher Inzidenzen hat die Ampel-Regierung das Infektionsschutzgesetz (IfSG) erneut geändert: Nach dem Auslaufen der Regelungen in den §§ 28a Abs. 7-9, 28b IfSG gibt es keine bundesweite Maskenpflicht mehr – eine Ausnahme bildet der Luft- und Personennahverkehr.
Die Länder dürfen die Maskenpflicht allerdings im Falle der konkreten Gefahr einer bedrohlichen Infektionslage durch das Auftreten einer besonders gefährlichen Virusvariante oder drohende Überlastung der Krankenhauskapazitäten in bestimmten Regionen, den Hot Spots, wieder einführen.
Einige Bundesländer haben von dieser Regelung Gebrauch gemacht, anderen ist sie nicht rechtssicher genug. Sie fürchten, vor Gericht mit Corona-Schutzverordnungen auf dieser Grundlage zu scheitern: Eine Maskenpflicht kann regional in den Geschäften oder der Schule nur angeordnet werden, wenn das jeweilige Landesparlament die kritische Corona-Lage feststellt. Dazu müssen die Voraussetzungen für einen Hotspot so erfüllt sein, dass sie vor Gericht Bestand haben.
Zwar ermunterte der Bundesgesundheitsminister, die Anforderungen für eine wasserdichte Hotspot-Annahme seien nicht überspitzt zu verstehen, es müssten dazu nicht alle Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. Es reiche beispielsweise, wenn eine Überlastung der Gesundheitsversorgung durch die Verschiebung planbarer Eingriffe oder das Unterschreiten von Personal-Untergrenzen belegt sei. Trotzdem bleiben Zweifel; auch darüber, ob Hotspot-Regeln für ganze Bundesländer gerichtsfest sind. An diesem Punkt kam zur Rettung der Maskenpflicht das Thema Hausrecht auf.
Maskenpflicht: vom Bund über Länder an Unternehmen gereicht?
Unter Hausrecht ist die Gesamtheit der rechtlich geschützten Befugnisse zu verstehen, über Geschäftsräume und befriedetes Besitztum frei zu verfügen, andere am unbefugten Eindringen zu hindern und sie ggfs. zum Verlassen zu zwingen. Als Argument zur Durchsetzung einer Maskenpflicht durch das Hausrecht stehen der Arbeitsschutz und ein Hygienekonzept zum Schutz der Mitarbeitenden im Raum. Inhaber des Hausrechts können auch der Pächter bzw. die Pächterin oder die Mieterin bzw. der Mieter sein. Unternehmen bzw. deren Bevollmächtigte können demnach Maskenverweigerer:innen abweisen – sofern dies nicht diskriminierend ist.
Eine Diskriminierung gemäß § 1 AGG liegt allerdings nur bei Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität vor. Die Abneigung gegen das Tragen der Maske wird man nicht als Weltanschauung qualifizieren können. Ob bei der Bezugnahme auf ein ärztliches "Maskenattest" eine Abweisung durch den Inhaber des Hausrechts eine Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellt, ist gerichtlich bisher noch ungeklärt
SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung trägt Infektionsschutz bis 25. Mai
Einen guten Grund für das Bestehen auf die Maskenpflicht liefert die Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Sie gibt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung weiterhin vor zu prüfen, ob das Tragen medizinischer Gesichtsmasken erforderlich ist. Sie schreibt auch vor, an das regionale Infektionsgeschehen angepasste Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes für Betriebe aufrechtzuerhalten.
Entsprechend hat z. B. die Kassenärztliche Vereinigung Arztpraxen und andere Behandler aufgefordert, zum Schutze der Mitarbeitenden weiterhin entsprechende Hygienekonzepte zu erstellen. In vielen Behörden mit Publikumsverkehr wurde das betriebliche Maßnahmenkonzept bis in den späten Mai verlängert. Auch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich, unabhängig von den aktuellen Vorgaben von Bund und Ländern, die Pflicht, berechtigte Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen und etwaige Gesundheitsschäden zu verhindern.
Argumente gegen eine Maskenpflicht qua Hausrecht
Die großen Ladenketten habe sich darauf zurückgezogen, an Kunden nur noch eine Empfehlung zum Mund-Nasen-Schutz zu richten und sich an der Handhabung der Bundesländer zu orientieren. Sie und haben der Hausrechtlösung teilweise entgegengehalten, dass die Überwachung ein zu großer Verwaltungsaufwand bedeute.
Die Durchsetzung von Hausverboten führt nach ersten Erkenntnissen in Tankstellen etc. wirklich teilweise zu deutlich verschärften Kontroversen und wird nicht so einfach akzeptiert: Maskenverweigernde lassen sich offensichtlich mit dem Hinweis auf das Hausrecht weniger leicht überzeugen, die Maskenpflicht zu akzeptieren. Allerdings kann der Inhaber des Hausrechtes zur Durchsetzung seines Hausverbotes die Polizei hinzuziehen, sofern das Hausrecht im Einzelfall rechtmäßig ausgeübt wird.
Dass könnte zweifelhaft sein, wenn ein Kontrahierungszwang bestünde, etwa gemäß § 20 GWB, weil die Abschlussverweigerung durch einen Marktbeherrschenden verboten wäre. Schon angesichts des nach zwei Jahren Maskenpflicht im Einzelhandel beim Publikum eingetretenen Gewöhnungseffekts dürfte die Maskenpflicht aber auch im einzigen Dorfladen den Kunden zumutbar sein.
Kann auch der Betriebsrat auf Maskenschutz drängen?
Beim Gesundheitsschutz hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz. Sämtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona-Infektionen sind daher mit ihm abzustimmen. Das eröffnet ihm auch Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. Der Betriebs- oder auch Personalrat könnte per Vorschlagsrecht auf eine Maskenpflicht drängen, die per Hausrecht auch den Kundinnen und Kunden oder Besucherinnen und Besuchern vorgegeben würde.
Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass Betriebsräte auch erfolgreich Gerichtsverfahren anstrengten: Gleich zu Beginn der Pandemie verhängte ein Duty-Free-Shop ein Verbot für das Verkaufspersonal, Mundschutz und Handschuhe im Verkauf zu tragen. Ein Betriebsrat wendete sich an das Arbeitsgericht Berlin (Az. 55 BVGa 2341/20) – daraufhin teilte der Arbeitgeber mit, seine Beschäftigten könnten bei der Arbeit Mundschutz und Handschuhe tragen. Der Betriebsrat erklärte das Verfahren für erledigt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied zum Thema, dass der Betriebsrat eines Krankenhauses ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung eines SARS-CoV-2- Besuchskonzepts hat (Beschluss v. 22.1.2021, Az. 9 TaBV 58/20).
Was passiert nun mit der Maskenpflicht?
Eine Fortsetzung der Maskenpflicht ist bis zum 25. Mai über die Gefährdungsbeurteilung und bei Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung rechtlich leicht durchsetzbar. In Praxen, Kanzleien, Behörden wird sie auch gegenüber Besucherinnen und Besuchern sowie Patienten und Patientinnen über das Hausrecht machbar sein. Im Handel dagegen zeigen erste Erfahrungen, dass einige Kunden der Aufforderung zur Maske nach Wegfall der allgemeinen Maskenpflicht mit gesteigerter Aggressivität begegnen
Größere Supermärkte oder Läden mit Laufkundschaft dürfte dies vor erhöhte Security-Anforderungen stellen. In kleineren Unternehmen mit enger Kundenbeziehung mag die Durchsetzung vergleichsweise einfacher gelingen oder sogar Wettbewerbsvorteile bieten. Auch die Haltung und der Einsatz der Arbeitnehmervertretungen und die Zahl der Neuinfektionen, auch im Unternehmen, dürften eine entscheidende Rolle spielen. Letztlich wird die Kundschaft mitbestimmen, mit den Füßen und mit ihrem Verhalten.
* Der Artikel wurde am 5. April u.a. im Hinblick auf Ausführungen zum Kontrahierungszwang redaktionell überarbeitet
Corona-Schutzmaßnahmen nach IfSG-Änderung: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48030 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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