2/2: Am besten wäre "best before"
Ist das immer noch zu viel? Genießbar sind die meisten Lebensmittel auch noch nach Ablauf Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD). Wenn Verbraucher und Unternehmen lernen würden, das MHD richtig zu verstehen, könnten sie die Verschwendung von Nahrung besser verhindern, meint Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, Direktor der Forschungsstelle für Verbraucherrecht an der Universität Bayreuth.
Das MHD muss der Hersteller nach der seit dem 13. Dezember 2014 geltenden Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auf Lebensmitteln abdrucken. Es sei aber gerade kein Wegwerf-, sondern eher ein Prüfdatum für Verbraucher, Handel und Gastronomie, erläutert Dr. Katja Brzezinski, Geschäftsführerin der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht (FLMR), ebenfalls von der Universität Bayreuth.
Laut Art. 2 Abs. 2 r) LMIV muss es nur angeben, bis wann das Produkt "bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält". Die englische Formulierung "best before" treffe den eigentlichen Sinn daher auch besser als die deutsche, so die Expertin für Lebensmittelrecht. Mit dem MHD gäben die Hersteller also in gewisser Weise nur eine zeitliche "Garantie" für die beste Qualität ihres Erzeugnisses.
Anders beim Verbrauchsdatum: Nach dessen Ablauf sollten Lebensmittel nicht mehr verzehrt werden, stellt Brzezinski klar. Art. 24 LMIV stellt klar, dass solche Lebensmittel dann nicht mehr als sicher gelten. Die Gefahr einer Gesundheitsschädigung werde bei den einschlägigen Warengruppen, zum Beispiel Hackfleisch oder rohes Geflügel, aufgrund ihrer mikrobiologischen Beschaffenheit als sehr hoch eingeschätzt.
Während Verbraucher auch in diesem Fall die Lebensmittel prüfen und auf eigene Gefahr noch verwenden könnten, wenn sie aus Geruch, Geschmack oder Verfärbung keine Hinweise auf einen Verderb erkennen, müssten Lebensmittelhändler solche Ware direkt entsorgen. Würden sie diese verkaufen oder spenden, setzten sie sich straf- und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sowie lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen aus, hebt auch Schmidt-Kessel hervor.
Abgelaufene Lebensmittel dürfen gespendet werden
"Gegen die Spende eines Produktes mit abgelaufenem MHD gibt es aus lebensmittelrechtlicher Sicht keine Bedenken. Solche Produkte sind weiterhin verkehrsfähig", ergänzt der Verbraucherrechtler. Der Spender müsse den Empfänger nur darüber informieren, dass es sich um Produkte mit abgelaufenem MHD handelt, um zivilrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
In der Praxis werden jedoch selten Lebensmittel mit abgelaufenem MHD gespendet. Nach Aussage von Jochen Brühl, dem ehrenamtlichen Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Tafel e.V., würden neben frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Backwaren vielmehr häufig auch schon solche gespendet, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum bald ablaufe, wie Milch- und Molkereiprodukte.
Katja Brzezinski vermutet dafür weniger rechtliche als vielmehr Reputationsgründe: Die Unternehmen befürchteten, in den Medien den Ruf zu bekommen, sich auf Kosten Bedürftiger mit minderwertiger Ware profilieren zu wollen, so die Geschäftsführerin des FLMR. Für die Händler sei entscheidend, dass die Lebensmittel in der öffentlichen, insbesondere der medialen Wahrnehmung nicht als "minderwertig" gelten. Hier herrsche erheblicher Aufklärungsbedarf.
Die Mehrzahl der großen Lebensmittelketten spendet
Aber der Tafel-Vorsitzende relativiert die Kritik. Tatsächlich spendet die Mehrzahl der großen Lebensmittelketten an die 919-Tafeln in Deutschland. "Der Einzelhandel ist ein verlässlicher, langjähriger Partner der Tafeln", bestätigt Brühl. Aber auch die Hersteller von Lebensmitteln spendeten, zum Beispiel überproduzierte oder falsch etikettierte Produkte. "Und schließlich bekommen wir auch aussortiertes Obst und Gemüse, das einzig aufgrund von Schönheitsfehlern nicht mehr in den Handel kommt, direkt von den Landwirten."
Die Mehrzahl der Waren nähmen die Tafeln aus ihrer Region entgegen. Bundesweite und Großspenden würden über den Bundesverband verteilt, in dem die einzelnen Tafeln organisiert sind. Dieser habe gemeinsam mit den Landesorganisationen der Tafeln eine eigene Logistik etabliert, um die Waren gerecht und gleichmäßig zu verteilen. Transportunternehmen unterstützen sie außerdem mit Leerfahrten oder Lagerflächen.
Die mehr als 3.000 Tafelläden und Ausgabestellen geben dann das Essen regelmäßig an circa 1,5 Millionen bedürftige Personen weiter – entweder unentgeltlich oder, je nach sozialem Auftrag der Tafel und der Situation der Empfänger, gegen einen geringen Kostenbeitrag.
"Hygiene-Standards schützen alle Menschen"
Die Tafeln müssen dabei, wie jede andere Einrichtung, die Lebensmittel sammelt und weitergibt, Vorschriften wie die Lebensmittelbasisverordnung der Europäischen Union und die gesetzlichen Verordnungen zur Lebensmittelhygiene beachten. Diese Verordnungen sollen gewährleisten, dass im Sinne des Gesetzes "sichere" Lebensmittel verteilt werden.
So müssen die Tafeln alle Maßnahmen dokumentieren, um die ausgegebenen Waren zurückverfolgen zu können, für den Fall, dass sich ein Lebensmittel als nicht sicher erweisen sollte. Um zu garantieren, dass die größtenteils ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafeln all diese Normen einhalten, würden sie laufend über Neuerungen unterrichtet und geschult, sagt Brühl.
Der Tafel-Vorsitzende betont, dass ihm diese rechtlichen Vorgaben und Hygiene-Standards "sehr wichtig" seien, denn sie sollten alle Menschen schützen. "Bedürftige, die das Angebot der Tafeln in Anspruch nehmen, genauso wie alle, die im Supermarkt einkaufen."
Anne-Christine Herr, Der Geist der Weihnacht – bei Lebensmittelspenden: . In: Legal Tribune Online, 30.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14209 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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