Nachdem eine Historikerin der früheren ARD-Korrespondentin vorwarf, sie verbreite Falschaussagen und stehe dem Kreml nah, reagierte Krone-Schmalz mit einer Abmahnung. Jetzt zieht sie diese weitgehend zurück. Aus Sorge vor einer Gegenklage?
Es ist ein nicht selten zu beobachtendes Phänomen: Personen, die öffentlich eine ungenügende Debattenkultur, Cancel Culture, Political Correctness kritisieren, reagieren besonders empfindlich, wenn sich die Meinungsfreiheit gegen sie selbst richtet. Beispiele: Roland Tichy, Henrik M. Broder oder Alice Weidel.
Auch die ehemalige ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz ist so ein Fall. "Wie müssen andere Meinungen respektieren" mahnt sie – "Meinungskorridore sind bedrückend eng geworden, nicht nur, was Russland betrifft" beobachtet sie. Doch die 73-Jährige selbst reagierte auf kritische Äußerungen der Historikerin Franziska Davies, die an der Universität in München osteuropäische Geschichte lehrt, mit zwei Abmahnungen, in der sie Unterlassung einer Vielzahl von Äußerungen von Davies verlangte. Hierüber hatte zuerst t-online berichtet. Krone-Schmalz steht schon länger für ihre kremlfreundlichen Bücher ("Russland verstehen", "Eiszeit") aber auch wegen eines aktuellen Auftritts in der Kritik.
In den Abmahnungen vom 05.10 und 7.11, die LTO vorliegen, griff Krone-Schmalz, vertreten durch Höcker Rechtsanwälte, insgesamt 14 Aussagen von Davies an. Zusammenfassend geht es dabei um drei Komplexe:
Krone-Schmalz umfassende Abmahnung
Zum einen um Aussagen von Davies über die Güte von Krone-Schmalz Büchern: Diese seien "Meisterwerke der (…) Falschaussagen". Dort würde zudem "sämtliche Expert:innen", die journalistisch und wissenschaftlich zu Russland gearbeitet habe, sowie Fachliteratur zum System Putin und Arbeiten regimekritischer Journalist:innen in Russland ignoriert. Für die Opfer von Putin habe sie nur Verachtung übrig, würdige diese nicht mit einem Wort, interessiere sich nicht für diese, leugne sie sogar. Sie habe in den letzten Jahrzehnten weder journalistisch noch wissenschaftlich zu Russland gearbeitet. Der C.H.Beck-Verlag habe ihre Bücher aus dem Programm genommen.
Für Krone-Schmalz sind all dies, laut Abmahnung, unwahre Tatsachenbehauptungen. Diese verletzten ihre Ehre, da ihr unjournalistisches und unwissenschaftliches Verhalten vorgeworfen werde.
Zum zweiten geht es um angebliche Äußerungen von Krone-Schmalz auf Veranstaltungen. Die Aussage von Davies, dass Krone-Schmalz dort gesagt habe, dass es keine Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Krim-Annexion gegeben habe, treffe ebenso wenig zu, wie dass sie auf Veranstaltungen "nachweisliche Lügen und Falschbehauptungen" verbreitet habe.
Zum dritten geht es um die Annahme von Davies, Krone-Schmalz sei "mit dem Putin-Regime eng verbunden" und "bestens mit dem verbrecherischen Regime Putins vernetzt."
Nach Bekanntwerden der Abmahnung folgte eine breite Solidarisierungswelle auf Twitter vieler Fachkollegen mit der Osteuropa-Forscherin Davies. Politikprofessor Carlo Masala, rief zu Spenden auf. U.a. die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde und der Historikerverband sprangen ihr bei. Unterstützung für Krone-Schmalz kam hingegen von der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht.
Davies hält Aussagen für zulässige Meinungsäußerungen
Dr. Davies gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab, sondern verteidigte in einem Schreiben ihrer Anwälte (Brost Claßen) die Aussagen.
Im LTO vorliegenden Antwortschreiben vom 10.10.2022 gibt sie Beispiele, wonach konkrete benannte Experten in den Büchern der ehemaligen ARD-Reporterin irreführend zitiert sein sollen und kritische Standardwerke wie etwa das Buch "Putin's Kleptocracy von Karen Dawisha sowie Werke der ermordeten russischen Investigativjournalistin Anna Politowskaja keine Erwähnung fänden. Es handele sich bei der Formulierung "sämtliche Expert:innen … ignoriert" zudem um eine auch im wissenschaftlichen Diskurs erlaubte Zuspitzung.
Fakt sei, dass kaum russlandkritische Wissenschaftler zu Wort kämen, womit sich Krone-Schmalz den Eindruck einer selektiven Quellenauswahl selbst zuzuschreiben habe. Eine Falschaussage in einem ihrer Bücher sei etwa die Behauptung, dass es während der Maidan-Revolution vor der Absetzung von Janukowitsch zu einem Sturm auf das Parlament durch bewaffnete Kräfte gekommen sei. Auch die Aussage, wonach Russland auf der Krim 2014 nicht gegen Völkerrecht verstoßen habe, es damals keinen russischen Angriffskrieg gegeben habe und Russland 2014 "in Notwehr und unter Zeitdruck gehandelt" habe, dürfe als Falschaussage bewertet werden. Der Vorwurf der Falschaussage sei eine Meinungsäußerung.
Davies verweist auf mehrere Zeugen und Belege für Kreml-Nähe
Für die Äußerung von Frau Krone-Schmalz, wonach es keine Menschenrechtsverletzungen auf der Krim gegeben habe gebe es mehrere Zeugen, die bereit seien, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Auch für das von Davies behauptete Desinteresse an den Opfern Putins gäbe es hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte, wie etwa die Aussage auf dem Sender Phoenix im Jahr 2014, wonach der russische Oppositionelle Michail Chodorkoswki "in jedem anderen Land der Welt auch im Gefängnis gesessen" hätte.
Zur Rechtfertigung der Einstufung von Frau Krone-Schmalz als Person mit engen Kontakten zum "verbrecherischen Putin-Regime", führt Davies mehrere Aspekte an. Sie habe 2008 die Puschkin-Medaille im Namen des Präsidenten der Russischen Föderation" verliehen bekommen und Veranstaltungen einer Firma moderiert, die ein 100-prozentiges Tochterunternehmen von Gazprom sei. Zudem sei Krone-Schmalz Mitglied des Deutsch-Russischen Forum e.V., das für seine Kreml-Nähe bekannt sei und laut Tagesspiegel in einer Imagebroschüre die guten Kontakte zu Russland als "Mehrwert" angebe.
Krone-Schmalz zieht bei besonders relevanten Punkten zurück
Doch Davies verteidigt sich nicht nur, sondern geht auch selbst juristisch in die Offensive. So drohten ihre Anwälte In einem Schreiben vom 24.10. eine negative Feststellungsklage für den Fall an, dass Krone-Schmalz weiter behaupte, Unterlassungsansprüche durchsetzen zu können. Eine solche Androhung bringt Abmahnende regelmäßig unter Zugzwang. Wollen sie ein gerichtliches Verfahren verhindern, müssen sie den Anspruchsverzicht erklären. Ansonsten wird die gerichtliche Feststellung riskiert, dass Aussagen zulässig sind.
Genau dieses Risiko wird Krone-Schmalz nun in weiten Teilen vermeiden. In einem LTO vorliegendem anwaltlichen Schreiben vom 11.11. lässt sie elf der vierzehn Punkte fallen. Auffallend: Gerade bei den heftigen Kritikpunkte wie Kreml-Nähe, Leugnung von Kriegsverbrechen, Vorwürfe der Lügen und Falschbehauptungen auf Veranstaltungen und in Büchern, Verachtung von Putin-Opfern, gibt Krone-Schmalz die Rechtsverfolgung auf.
In drei Punkten beharrt sie indes auf einem Unterlassungsanspruch. Dies betrifft die Aussage von Davies, Krone-Schmalz habe in den letzten Jahrzehnten nicht journalistisch zu Russland gearbeitet (die Aussage des nichtwissenschaftlichen Arbeitens greift Krone-Schmalz nicht weiter an). Zweitens, sie ignoriere in Büchern sämtliche Expert:innen, die journalistisch und wissenschaftlich zur Russland gearbeitet haben sowie drittens, sie ignoriere die Fachliteratur zum System Putin (die Aussage des Ignorieren von Regimekritikern wird nicht mehr angegriffen). Zu diesen noch verbleibenden drei Aussagen kündigen ihre Anwälte ein Hauptsacheverfahren an. Ob – sofern dieses unterbleibt – Davies wiederum durch negative Feststellungsklage ein solches erzwingen will, war bislang nicht zu erfahren.
Einschätzung zu Erfolgsaussichten des Autors
Die Erfolgsaussichten für die ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD dürften auch in den noch verbleibenden drei Punkten zumindest zweifelhaft sein. Insgesamt wird es zunächst darauf ankommen, ob die Aussagen als Tatsachenbehauptungen oder als Meinungsäußerungen eingestuft werden. Nur im ersten Fall können diese überhaupt wegen Unwahrheit verboten werden, ansonsten reichen tatsächliche Anknüpfungstatsachen für die Meinung aus.
Ob jemand "journalistisch" gearbeitet hat, könnte angesichts der unklaren, möglicherweise substanzarmen Bedeutungsgehalts des Begriffs "journalistisch" eine Meinungsäußerung sein. Wird "journalistisch" als Gütemerkmal verwendet, liegt es sehr im Auge des Betrachters, welche Beiträge ein entsprechendes Siegel verdienen. Nicht auszuschließen ist aber auch eine Betrachtungsweise, die als "journalistische Arbeit" Beiträge ansieht, die anerkannten journalistischen Kriterien entsprechen oder die weitergehend die Veröffentlichung gleich welcher Beiträge in einem als journalistisch anerkannten Medium betrachtet. Folgte man diesem Verständnis käme es auf entsprechende Veröffentlichungen von Krone-Schmalz an.
Im Hinblick auf den Vorwurf des Ignorierens von "Expert:innen" sowie "Fachliteratur" spricht für eine zulässige Meinungsäußerung, dass die Einstufung als Expertin oder Experte oder Fachliteratur einer klaren Wertung des Äußernden unterliegt. Der Begriff "Experte" ist etwa kaum mit einem tatsächlichen Substrat zu fassen. Konkret schwingt in der Kritik eher die Wertung mit, dass Davies von Krone-Schmalz zitierten Personen und Büchern eben kein Gütesiegel zuordnen will. Insofern wäre es für Davies vor allem dann problematisch, wenn Krone-Schmalz in Büchern Personen und Bücher zitiert, die Davies selbst in ihren Werken aufgenommen hat. In diesem Fall käme es dann noch darauf an, ob – wie Davies Anwälte meinen – die Formulierung des Ignorierens "sämtlicher Expert:innen" eine zulässige Überspitzung darstellt.
Hatte Krone-Schmalz Sorge vor einer Gegenklage?
Unabhängig von den Erfolgsaussichten zum verbleibenden Reststreit, dürfte jedenfalls die umfangreiche Abmahnung von Krone-Schmalz kommunikativ nach hinten losgegangen sein. 14 Punkte abzumahnen und sodann nach kurzer Zeit in 11 Punkten einen Rückzieher zu machen, könnte dafür sprechen, dass die einzelnen Aussagen nicht eingehend rechtlich geprüft wurden, sondern Davies mit einer langen Abmahnung unter Druck gesetzt werden sollte. Die Androhung der negativen Feststellungsklage durch Davies Anwälte stellte sich insoweit als erfolgreicher Schachzug heraus.
Krone-Schmalz Anwälte wollen die Aufgabe der Anspruchsberühmung allerdings nicht so verstanden wissen: "Hervorzuheben ist, dass dies alleine aus Gründen der prozessökonomischen Zweckmäßigkeit geschieht," heißt es in dem Schreiben von Höcker Rechtsanwälte. Wenig plausibel ist dann allerdings, warum nicht von vornherein eine Beschränkung auf diese Punkte stattgefunden hat.
Jedenfalls vermeidet Krone-Schmalz durch die nun erfolgte Anspruchsaufgabe einen Prozess, in dem gerichtlich festgestellt werden könnte, dass über sie etwa gesagt werden darf, sie stünde dem verbrecherischen Putin-Regime nahe und leugne Putin-Opfer. Von diesem Motiv ist im Anwaltsschreiben der Kanzlei Höcker – nachvollziehbar – nichts zu lesen. Es könnte jedoch der eigentliche Grund für das Zurückrudern sein.
Unterlassungsanspruch in 11 von 14 Punkten aufgegeben: . In: Legal Tribune Online, 12.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50156 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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