Burundi, Südafrika und nun hat auch noch Gambia angekündigt, den IStGH zu verlassen. Die angeführten Gründe der Machthaber passen allerdings nicht zum Statut des Gerichts, erklärt Eike Fesefeldt.
Erst Burundi, dann Südafrika - nun hat Gambia als nächstes afrikanisches Land angekündigt, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu verlassen. Das ist bedauerlich, denn noch ist die Vision der Gründer des ersten ständigen Völkerstrafgerichts nicht erfüllt.
In der Diskussion um Nutzen und Sinnhaftigkeit des IStGH wird häufig vergessen, dass das Gericht nur teilweise auf Initiative der Vereinten Nationen entstanden ist. Vielmehr haben eine Handvoll gerechtigkeitsfanatische Praktiker und Akademiker viele Jahrzehnte dafür gekämpft, diesen wichtigen Schritt auf den Weg zu bringen.
Schon nach dem Ersten Weltkrieg kam die Idee zur Gründung eines Internationalen Strafgerichts auf und in den Folgejahrzehnten zu immer neuen Vorschlägen, wie ein solches Gericht aufgebaut werden und über welche Straftatbestände es urteilen könnte.
Ausschlaggebend für die Gründung des IStGH waren zwei der größten Katastrophen der Weltgeschichte, der Jugoslawienkrieg und der Völkermord in Ruanda. Dass es am Ende zur Gründung des ersten ständigen Strafgerichtshofs kam, ist enthusiastischen Einzelpersonen zu verdanken. Beispielhaft für diese Gerechtigkeitsfanatiker steht der US-amerikanische Jurist Ben Ferencz, der als Chef-Ankläger im Nürnberger Prozess im Verfahren gegen die Anführung der Einsatzgruppen in der Sowjetunion, fungierte. Seit nunmehr fast 40 Jahren setzt er sich für den Internationalen Strafgerichtshof ein, zunächst für dessen Entstehung, als inzwischen 96-Jähriger für seinen Erhalt.
Befremdliche Argumente aus Gambia
Vor diesem Hintergrund ist die häufig wiederholte und selten substanziell belegte, dafür umso polemischer vorgetragene Kritik des gambischen Informationsministers befremdlich. Dieser begründet die Tendenz der gambischen Machthaber, den IStGH zu verlassen, damit, dass das Gericht ausschließlich von Weißen zu Ermittlungen gegen Schwarze genutzt werde, insbesondere gegen afrikanische Politiker. Zudem sei ihm unverständlich, warum der ehemalige britische Premierminister Tony Blair nicht wegen seiner Beteiligung am Irakkrieg angeklagt werde.
Die Kritik des gambischen Informationsministers überzeugt nicht: Die Ermittlungen gegen Personen aus dem Vereinigten Königreich wegen eventueller Kriegsverbrechen während des Irakkriegs dauern noch an. Dass es wahrscheinlich zu keiner Anklage gegen Blair kommen wird, ist der Tatsache geschuldet, dass das Führen eines illegalen Angriffskriegs – und als solcher ist der Irakkrieg zweifellos zu qualifizieren - nach der heute gültigen Fassung des IStGH-Statuts bereits keine Straftat darstellt.
Nicht nachvollziehbar sind die Worte des gambischen Informationsministers insbesondere vor dem Hintergrund, dass gleich zwei gambische Juristen zu den wichtigsten Personen des IStGH der vergangenen zehn Jahre gehören und das, obwohl das kleine Gambia nur einen geringen Bruchteil der Gesamtbevölkerung der IStGH-Mitglieder abdeckt.
Die exponierte Rolle gambischer Juristen am IStGH demonstriert, dass afrikanische Juristen in der Internationalen Strafgerichtsbarkeit und am Strafgerichtshof wichtige Positionen bekleiden und gerade nicht unterrepräsentiert sind. Zu nennen ist zunächst Daniel Ntanda Nsereko, der von 2007 bis 2012 einer der fünf Richter der Berufungskammer des IStGH war. Das beste Beispiel ist aber Fatou Bensouda, die im Jahr 2012 zur Chefanklägerin am IStGH ernannt wurde und damit eine äußerst einflussreiche Position innehat. Afrikanische Richter sind derzeit in der Vorverfahrens-, den Verfahrens- wie auch der Berufungskammer des IStGH zu finden. Der kenianische Richter Aluoch ist sogar Vizepräsident des Tribunals.
Austritte beim IStGH: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21059 (abgerufen am: 08.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag