Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch – so soll Art. 22a GG bald lauten, wenn es nach dem Verein Deutsche Sprache geht. Vorstandsmitglied, Romancier und Jurist Kurt Gawlitta erklärt im Interview, was Sprache mit Wirtschaft zu tun hat, wer sich auf Deutsch als Sprache berufen können soll und wie schlecht Juristendeutsch wirklich ist.
LTO: "Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch" - so soll Art. 22a des Grundgesetzes (GG) lauten, wenn es nach dem Verein Deutsche Sprache e.V. geht. Warum diese Forderung?
Gawlitta: Wir beobachten, dass in ganzen Domänen der inländischen Sprachpraxis die Landessprache zunehmend verdrängt wird, vor allem in Wissenschaft und Forschung wie auch in der Konzernwirtschaft z.B. durch die Festlegung von Englisch als Unternehmenssprache.
Hinzu kommt in sehr vielen Bereichen der Alltagssprache, insbesondere in den Medien, dass sinnstiftende Wörter sehr oft aus dem Englischen entnommen werden und dann nur noch der Rest aus der deutschen Sprache kommt.
LTO: Aber was sollte denn ein Eintrag ins GG daran ändern? Ist das nicht bloße Symbolik?
Gawlitta: Nein, die Verfassung enthält Organisationsnormen, etwa zu den Bundesorganen, und Wertnormen, etwa zur Menschenwürde, zur Gleichberechtigung usw. Diese entfalten ihre Wirkung nicht unmittelbar, sondern sind Interpretationsregeln für die gesamte Rechtsordnung und gegebenenfalls Aufträge und Richtschnur für Gesetzgebung.
"Forschungsstellen, Arbeitnehmer und Kunden sollen sich darauf berufen können"
LTO: Soll eine solche Bestimmung jemandem subjektive Rechte einräumen? Wer sollte sich auf Deutsch als Sprache der Bundesrepublik berufen können? Und wogegen?
Gawlitta: An den deutschen Hochschulen könnte es nötig werden, gesetzlich sicherzustellen, dass die Ausbildung zu den berufsqualifizierenden Abschlüssen in deutscher Sprache stattfindet.
Forschungsveröffentlichungen sollten wenigstens deutschsprachige Zusammenfassungen enthalten, insbesondere auch, damit Wissenschaftsverwaltung und Steuerzahler erfahren, wofür ihr Geld ausgegeben wird.
Es gibt aber auch Beispiele aus der Wirtschaft: Arbeitnehmer in Deutschland sollten die betriebsinternen Regelungen in der Landessprache zur Kenntnis nehmen können. Kunden sollten Produktbeschreibungen auf den Verpackungen, Garantieerklärungen oder Betriebshandbücher auch auf Deutsch erhalten. Diese Dinge wären gesetzlichen Regelungen zugänglich.
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wäre eine gesetzliche Regelung zur Würdigung der Landessprache ebenfalls denkbar, etwa durch eine Quotenregelung bei der Unterhaltungsmusik.
"Ohne Sprache geht eigentlich gar nichts"
LTO: Sie vergleichen die Sprache als ein Kulturgut mit der Presse, der Freiheit von Forschung und Lehre oder dem Schutz der Wohnung – sämtlich durch die Grundrechte geschützte Güter. Ist das nicht etwas hoch gegriffen? Wollen Sie ein Land, in dem zu viel "Denglisch" gesprochen wird, ernsthaft mit einem Staat gleichsetzen, in dem es keine freie Presse gibt?
Gawlitta: Mit dem Begriff "Kulturgut" ist die Bedeutung der Landessprache unzureichend erfasst. Wir sollten uns klarmachen, dass eine hochdifferenzierte und allgemein eingeführte Landessprache als Leitmedium für Individuum, Gesellschaft und Staat eine unersetzliche Ressource darstellt. Ohne die Sprache geht eigentlich gar nichts, weder Kommunikation noch schöpferisches Denken noch Identitätsbildung.
Sprache ist nicht beliebig austauschbar. Mit der Übernahme einer anderen Sprache werden auch Wahrnehmungs- und Denkstrukturen verändert. Nehmen wir etwa das beliebte Wort "Job": Mit seiner Verbreitung wird auch die US-amerikanische Betrachtungsweise übernommen, jeder Arbeitnehmer sei beliebig austauschbar, und eine persönliche Bindung zwischen Mensch und übernommener Aufgabe habe keinen Wert mehr. Der Fachausdruck "human ressources" zeigt den gleichen Zusammenhang.
Pia Lorenz, Sprachfreunde fordern Deutsch im GG: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12208 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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