Es gibt in der Filmgeschichte etliche große Antikriegsfilme, aber nur Stanley Kubricks "Wege zum Ruhm" von 1957 zeigt, wie die Justiz Teil der unmenschlichen Maschinerie des Krieges wird. An den in Deutschland gedrehten und uraufgeführten Klassiker erinnert Jochen Thielmann.
Der Film "Wege zum Ruhm" basiert auf dem gleichnamigen Debütroman von Humphrey Cobb, der 1935 erschien. Mitte der 50er Jahre erwarb der damals noch unbekannte Filmemacher Stanley Kubrick die Rechte an dem Roman für 10.000 Dollar von den Erben des 1944 verstorbenen Autors und verarbeitete es zu einem Drehbuch, das er an Kirk Douglas sandte.
"Ich las das Drehbuch und war sofort begeistert. 'Stanley, ich glaube zwar nicht, dass dieser Film auch nur einen Pfennig einbringt, aber wir müssen ihn machen'", erinnerte sich der Schauspieler in seiner Autobiografie. In der Tat war dem Film nur ein bescheidener Erfolg vergönnt. Schnell verschwand er wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Erst die Besetzung der Hauptrolle mit dem Filmstar Douglas sicherte die Finanzierung des Films, obwohl noch immer nach einem Weg gesucht wurde, die Geschichte massentauglicher umzusetzen. Bis zuletzt zog man eine Alternativversion mit einem Happy End in Erwägung. Dies zeigt deutlich die Befürchtung der Filmemacher vor einer finanziellen Bauchlandung. Laut seiner Autobiografie sorgte Douglas persönlich dafür, dass schließlich das ursprüngliche Skript in München und Umgebung verfilmt wurde.
Jeder Landgewinn bedeutete immense Verluste
Die Geschichte soll auf einen tatsächlichen Vorfall zurückgehen. Es ist 1916, der Erste Weltkrieg ist in vollem Gange. An der deutsch-französischen Front plant das französische Oberkommando eine Offensive auf den "Ameisenhügel", die der verantwortliche General zunächst mit Verweis auf die zu erwartenden Verluste ablehnte. Als man ihm eine Beförderung in Aussicht stellte, führte er den Plan jedoch aus.
Ein Teil der Truppe muss schon nach kurzer Strecke zurückkehren; eine andere Abteilung kommt gar nicht erst aus dem eigenen Schützengraben heraus. Um ein Exempel zu statuieren und das Scheitern der Offensive zu verschleiern, werden drei Soldaten willkürlich ausgewählt und wegen Feigheit vor dem Feind vor ein Kriegsgericht gestellt, verurteilt und hingerichtet.
Der Stellungskrieg zwischen Frankreich und Deutschland im Ersten Weltkrieg gilt als einer der grausamsten Belege für die Unmenschlichkeit des Krieges. Auf einer Länge von der belgischen Küste bis zur schweizerischen Grenze lag eine festgefahrene Front aus Schützengräben und Befestigungsanlagen, an der jeder geringe Landgewinn mit immensen Verlusten einherging.
Eine Anklageschrift existiert vermutlich nicht einmal
In "Wege zum Ruhm" geht es nicht um die Bedrohung durch den Feind auf der anderen Seite der Front, sondern um die Gefahren aus dem eigenen Lager. Schon zu Beginn des Films kommt ein Soldat durch die Handgranate eines alkoholisierten Vorgesetzten ums Leben. Später setzt die missglückte Offensive auf den Ameisenhügel für die überlebenden Soldaten eine tödliche Kettenreaktion in Gang. Der General will hundert Soldaten wegen Feigheit vor dem Feind vor das Kriegsgericht stellen. Er lässt sich dann jedoch davon überzeugen, aus jeder der beteiligten Einheiten nur einen Mann auszuwählen und anzuklagen.
Der von Kirk Douglas verkörperte Colonel Dax – im zivilen Leben Strafverteidiger, im Krieg der für die Soldaten zuständige Offizier – will das Leben der Männer retten, indem er sie vor dem Kriegsgericht vertritt. Sein Bemühen um ein faires Verfahren wird jedoch bereits zu Beginn des Prozesses torpediert: Eine Anklageschrift wird nicht verlesen, vermutlich weil sie nicht existiert. Seine Beweisanträge werden als belanglos zurückgewiesen.
Das Gericht begnügt sich damit, die drei Männer anzuhören, die allesamt nicht bis zu den deutschen Befestigungen vordringen konnten. Die persönliche Schuld wird nicht hinterfragt – einer der Männer lag bewusstlos im Schützengraben, nachdem ein anderer Soldat auf ihn gefallen war –, sondern vorausgesetzt. Nach wenigen Minuten ist die Beweisaufnahme beendet und der Vertreter der Anklage plädiert auf Todesstrafe. Dax bleibt nichts, als den Richtern ins Gewissen zu reden und um Gnade für die Unschuldigen zu bitten. Den Urteilsspruch spart sich Kubrick. Das nächste Bild zeigt bereits die Vorbereitung der Hinrichtung.
Weder Achtung vor dem Leben noch vor dem Recht
Selten wurde auf der Leinwand beeindruckender gezeigt, wie wenig das Leben eines einfachen Soldaten in Kriegszeiten Wert ist. Auch dem Recht wird nur geringe Achtung entgegen gebracht, wenn ein Gerichtsverfahren gewählt wird, um Sündenböcke zu bestraften und die die eigene Schuld zu verschleiern. Zwar wird die äußere Form gewahrt: Es gibt einen Richter, einen Staatsanwalt und einen Verteidiger. Aber schon die Verlesung der Anklageschrift wird unterlassen. Den drei willkürlich ausgewählten Männern wird ein kurzer Prozess gemacht. Das Urteil steht von Beginn an fest.
"Wege zum Ruhm" wurde am 18. September 1957 in München uraufgeführt und stieß prompt auf Widerstand. In Frankreich wurde der Film viele Jahre nicht gezeigt. In Spanien verbot ihn Franco wegen der abwertende Einstellung zum Militär. Selbst in der neutralen Schweiz durfte der Film nicht gezeigt werden. Auch in Deutschland wurde Kubricks Film einige Zeit nach der Uraufführung für etliche Jahre aus Rücksichtnahme gegenüber den französischen Freunden nicht mehr gezeigt. Dem standen begeisterte Reaktionen von Kritikern gegenüber, die den Film als Meisterwerk und Kubrick als neuen Stern an Amerikas Filmhimmel feierten.
Beide Wertungen haben der Zeit standgehalten. "Wege zum Ruhm" ist bis heute auf jeder ernst gemeinten Liste der besten Antikriegsfilme aufzufinden – eine gerechte Beurteilung. Aber wie schrieb schon Humphrey Cobb in "Wege zum Ruhm": "Wer hat irgendetwas über Gerechtigkeit gesagt? So etwas gibt es nicht. Aber Ungerechtigkeit ist so sehr Teil des Lebens wie das Wetter."
Der Autor Jochen Thielmann ist Fachanwalt für Strafrecht im "Strafverteidigerbüro Wuppertal".
"Wege zum Ruhm": . In: Legal Tribune Online, 27.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7302 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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