"Niemand schreibt bessere geheimnisvoll-spannende Romane als Scott Turow", schrieb die "Los Angeles Times" über einen der erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart. Wie John Grisham ist Scott Turow Schriftsteller und Anwalt zugleich. Doch im Gegensatz zu Grisham ist Turow noch immer vorrangig als Jurist tätig. Der frühere Staatsanwalt kämpfte jahrelang vehement gegen die Todesstrafe.
Treue und Verrat, Schuld und Vergebung, die Dämonen des Egos, der Schwäche, der Verlockung im Ringen mit hohen Idealen in einer ungerechten Welt: Wie kaum ein anderer versteht sich Scott Turow darauf, ein spannendes Gerichtsverfahren zu inszenieren, in dem er seine Figuren an den Rand ihres seelischen Abgrunds treten lässt. Mit "Der letzte Beweis" (2010) legte Turow zuletzt einen weiteren klassischen Justizthriller dieser Art vor und zeigt sich erneut als Meister jenes Genres, das er mit Büchern wie "Aus Mangel an Beweisen" (1987) mit geprägt hat.
Scott Turow ist nicht nur ein äußerst erfolgreicher Autor, sondern nach wie vor ein Jurist aus Leidenschaft. Am 12. April 1949 in Chicago geboren, graduierte er 1970 mit Auszeichnung am Amherst College. In den folgenden zwei Jahren studierte Turow dank eines Stipendiums kreatives Schreiben an der Stanford University, wo er anschließend auch selber als Dozent bis 1975 unterrichtete. Anschließend absolvierte er ein Jurastudium an der Harvard Law School, dass er drei Jahre später – erneut mit Auszeichnung – abschloss.
Zwischen 1978 bis 1986 erwarb sich der Jurist seine ersten beruflichen Meriten als Staatsanwalt in Chicago; herausragend war dabei seine Rolle in zahlreichen Korruptionsverfahren gegen Mitglieder der Justiz seines Heimatbundestaates Illinois. Zu den spektakulären Höhepunkten seiner Staatsanwaltskarriere zählte die Beteiligung an der Strafverfolgung gegen den ehemaligen Generalstaatsanwalt von Illinois William J. Scott wegen Steuerbetrugs.
Kampf gegen die Todestrafe
Zu einem seiner Hauptanliegen gehört die Abschaffung der Todestrafe. So wurde Turow im März 2000 Mitglied der vom damaligen Gouverneur George Ryan einberufenen "Executive Ethics Commission", die sich seither für eine Abschaffung der Todesstrafe in Illinois einsetzt.
In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" im September 2000 befragt, erklärte Turow seinen persönlichen Bezug zum Thema Todesstrafe: "Natürlich interessiere ich mich als Autor für das Thema, vor allem aber betrifft es mich als Anwalt. Seit 1991 beschäftige ich mich damit. In zwei Fällen habe ich Urteile wieder rückgängig machen können. Im einen Fall ging es um zwei Männer, Rolando Cruz und Alex Hernandez. Sie wurden des Mordes an einem zehnjährigen Mädchen bezichtigt, das bei hellichtem Tag entführt, gequält, gefoltert und missbraucht wurde. Es war ziemlich klar, dass die beiden Männer absichtlich und fälschlicherweise beschuldigt wurden. Vielleicht glaubten die Polizei und die Staatsanwaltschaft wirklich, dass Cruz und Hernandez es getan hatten, aber sie hatten keine Beweise und logen. Es dauerte Jahre, das aufzudecken. Die beiden hatten bereits elf Jahre in der Todeszelle verbracht. Im anderen Fall ging es um einen 21-jährigen, nicht vorbestraften Mann namens Christopher Thomas. Er hatte gestanden, einen Mann bei einem Schusswechsel getötet zu haben. Es gab also keinen Zweifel an seiner Schuld. Aber die Todesstrafe war nicht angemessen. Es war kein Fall von geplantem Mord, sondern ein Streit gewesen, und es blieb unklar, ob der Täter angegriffen worden war. Meiner Meinung nach war er zum Tode verurteilt worden, weil seine Anwälte nichts taugten."
Die Arbeit der Kommission zeigte vor wenigen Tagen eine entscheidende Wirkung, da die seit 1999 nicht mehr vollstreckte Todeststrafe in Illinois im März 2011 offiziell abgeschafft wurde. Mit Illinois haben jetzt 16 Bundesstaaten in den USA die Todesstrafe – auch dank Scott Turow – aus ihrem Strafkatalog gestrichen.
Mit Stephen King on tour
Weiter vonnöten ist Turows Mitarbeit in anderen Gremien. So gehört er einer Beraterkommission der Regierung im Kampf gegen Korruption in der Illinoiser Justiz an. Herausragend ist auch seine Präsidentschaft der amerikanischen Autorenvereinigung "Authors Guild", die derzeit einen Aufsehen erregenden Rechtsstreit mit "Google" über die Nutzung und Vermarktung von Werken im Internet führt.
Zu den erfreulichen Tätigkeiten in Scott Turows Leben gehört seine Band "Rock Bottom Remainders", zu deren Mitgliedern führende Köpfe der amerikanischen Literaturszene wie Horrorautor Stephen King und der Pulitzerpreisträger Dave Barry gehören. Über die musikalische Qualität der erstmals 1992 anlässlich einer Autorentagung aufgetretenen Band, erklärte Dave Barry einmal vielsagend: "Wir spielen Musik ungefähr so gut wie Metallica Romane schreibt."
Neben der Liebe zur Musik motiviert die Schriftsteller vor allem der Benefit-Charakter ihrer Auftritte, da die Einnahmen verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen zufließen. Im vergangenen Jahr unternahmen Turow, King & Co. mit ihren Autorenkollegen die so genannte Wordstock Tour mit Auftritten in Washington, Philadelphia, New York City und Boston zugunsten der Kinder und Schulen von Haiti.
Der mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Scott Turow ist Vater von drei erwachsenen Kindern und lebt mit seiner Ehefrau Annette außerhalb von Chicago. Am 12. April feiert er Geburtstag.
Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.
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Jürgen Seul, Scott Turow: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3014 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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