Rechtsgeschichte: Ver­län­gertes Haus­frau­en­leid durchs Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­setz?

von Martin Rath

18.06.2017

Am 18. Juni 1957 wurde das Gleichberechtigungsgesetz verkündet, im Wesentlichen trat es zum 1. Juli 1958 in Kraft. Die vielleicht wichtigste Änderung betraf die Zugewinngemeinschaft, doch rankt um das Gesetz auch eine feministische Legende.

Ist der Zugewinnausgleich vielleicht verfassungswidrig? Gut möglich, wird manch Laie denken, ist in seiner parallel wertenden Sphäre das Bauchgefühl ja nicht durch das Studium der juristischen Dogmatik und allerlei Subsumtionsdressur zum "Judiz" veredelt. Und wer Nettozahler ist, fühlt sich bekanntlich schnell in seinen Grundrechten verletzt, ganz gleich woher der gegnerische Anspruch rührt.

In der Diskussion um das heute vor 60 Jahren verkündete "Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts", kurz: Gleichberechtigungsgesetz (GleichberG), führte der Mainzer Zivilrechtsgelehrte Johannes Bärmann (1905–1991) hierzu ein Argument an, das juristischen Laien wie Judiz-Inhabern heute etwas unverhofft anmuten mag.

Die "rechtliche Konstruktion der Eigentumstrennung in der neuen Zugewinngemeinschaft" vertrage sich, so Bärmann, "nicht mit der Idee der Familie als soziologischer und wirtschaftlicher Einheit und damit vielleicht auch nicht mit dem verfassungsmäßigen Schutz der Familie nach Artikel 6 I GG. Schließlich gehören zur Familie auch die Kinder, was durch die einseitige Protektion des überlebenden Ehegatten, insbesondere durch sein erhöhtes Erbrecht nach § 1371 I [BGB] vernachlässigt wird" (Juristenzeitung [JZ] 1958, S. 225–229).

Zu wenig Geld für zu viele Sprösslinge?

Bärmann monierte hier am Zugewinnmodell, dass es die Familie auf zwei in verkappter Gütertrennung lebende Menschen reduzierte und die Witwe/den Witwer bei der Nachlassverteilung gegenüber den Kindern privilegierte, ohne dass die Ehe von Rechts wegen mit ökonomischem Kapital hinterlegt werde.

Dieses Problem der Zugewinngemeinschaft hatte bereits der zuletzt in Freiburg lehrende Zivilrechtsprofessor Wolfram Müller-Freifels (1916–2007) in einem ausführlichen Beitrag zu den "Kernfragen des Gleichberechtigungsgesetzes" gesehen (JZ 1957, S. 685–696), in dem er die "Besserstellung des überlebenden Gatten gegenüber den Kindern" damit rechtfertigte, dass das Kapital der Eltern "weit mehr als früher bereits zu ihren Lebzeiten für die – überdies viel teurer gewordene – Ausbildung ausgegeben" werde, die Kinder also bereits bedacht worden seien.

Im Übrigen habe – 1957 geschrieben! – die Kinderzahl abgenommen, so dass sich die Schmälerung ihres Erbanteils durch den Zugewinnausgleich nicht allzu negativ auswirke. Außerdem hätten die großen Geldentwertungen des 20. Jahrhunderts gelehrt, dass es nicht besonders klug sei, während der Ehe großes Sparkapital zu bilden.

Zankapfel war das Güterrecht, nicht das "Gedöns"

Müller-Freifels geht in seiner Darstellung des Gleichberechtigungsgesetzes über die ökonomischen Gesichtspunkte hinaus. Den Stichentscheid – eine Art Letztentscheidungsrecht des Vaters in Erziehungsfragen, mit dem die Regierung des betagten Konrad Adenauer (1876–1967) die Lehren der katholischen Kirche ins Bundesgesetzblatt gebracht hatte – hielt Müller-Freifels für schlecht begründet, weil sie den Vater realitätsfern in eine Art innerfamiliärer Richterfunktion sehe.

Im neuen Namensrecht – es blieb zwar beim Namen des Mannes als Ehenamen, die Frau konnte ihren Mädchennamen nun aber beifügen – sah Müller-Freifels ein unlösbares Problem sehen, für das er noch den Lösungsvorschlag zitierte, ein Ehepaar "Müller-Lehmann" könnte sich gemeinsam "Müllmann" nennen – der Kalauer ist vielleicht vertretbar, wenn man aus dem eigenen Namen ein "Müfels" machen könnte.

Die sogenannten "weichen" politischen Themen rund um die Gleichberechtigung, von Bundeskanzler Gerhard Schröder späterhin als "Gedöns" bezeichnet, spielten in der juristischen Diskussion um das Gleichstellungsgesetz von 1957 allerdings eine erkennbar nachrangige Rolle, was etwas verwundert.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Rechtsgeschichte: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23210 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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