Pulverschnee, Sonne und eine spritzige Abfahrt ins Tal: Der Traum eines jeden Wintersportlers. Zum Après-Ski gibt es manchmal jedoch Gipsbinden statt Cocktails. Und von der Notaufnahme zum Anwalt ist der Weg dann meist nicht weit. Von Dr. Uwe Wolf.
Ein Urlauber aus Sachsen fuhr in den österreichischen Alpen gemütlich eine Piste herunter. Plötzlich sah er, dass vor ihm ein Steilhang begann. Um sich einen Überblick zu verschaffen, blieb der Mann stehen.
Das hätte er besser sein lassen: Ein nachfolgender Skifahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und rannte den die Landschaft erkundenden Vordermann über den Haufen. Folge für den Ostdeutschen: Gehirnerschütterung und zwei verlorene Frontzähne.
Der unsanft angerempelte Bretter-Fan ließ sich die Lücken im Gebiss durch Implantate füllen. Die hierfür entstandenen Auslagen von 3.800 Euro inklusive 2.000 Euro Schmerzensgeld wollte er von dem Pisten-Rambo ersetzt haben.
FIS-Regeln erlauben Orientierungs-Stopp
Der Angesprochene konnte bei sich keine Schuld erkennen, der Fall ging vor Gericht.
Die Richter orientierten sich bei der Ermittlung der Loipen-Etikette an den Verhaltensregeln des Internationalen Skiverbandes, kurz FIS-Regeln genannt. Bereits bei Regel Nummer 2 wurden die Juristen fündig: Jeder Skifahrer müsse auf Sicht fahren und seine Fahrweise und Geschwindigkeit den jeweiligen Verhältnissen anpassen; zudem müsse darauf geachtet werden, gegenüber Hindernissen noch bremsen oder ausweichen zu können. Wie die heftige Kollision gezeigt habe, sei der von oben kommende Fahrer diesem Verhaltenskodex offensichtlich nicht gefolgt.
Dass der Geschädigte auf der Piste stehen geblieben war, war für die Richter ohne Belang. Zwar verbiete FIS-Regel Nummer 6 ein unnötiges Anhalten an unübersichtlichen oder engen Stellen; eine entsprechende Gefahrenstelle habe aber nicht vorgelegen. Ein Orientierungs-Stopp vor einem Übergang in steileres Gelände sei "durchaus zweckmäßig", schließlich falle ein Anhalten im Steilhang deutlich schwerer (Oberlandesgericht Dresden, Urt. v. 01.04.2004, Az. 7 U 1994/03).
Gefährliche Snowboarder - zur Kasse, bitte!
Im verschneiten Oberbayern trafen eine Skifahrerin und ein Snowboarder aus dem Rheinland unsanft zusammen. Obwohl die fragliche Stelle mit einem Warnschild "Pistenkreuzung" versehen war, konnten beide einen Zusammenprall nicht vermeiden.
Dem Schneebrett-Piloten passierte wenig. Ganz anders die grazile Skifahrerin: Sie trug einen komplizierten Drehbruch des linken Schienbeins davon. Für die erlittene Pein verlangte die Freizeit-Sportlerin 7.500 Euro Schmerzensgeld.
4.500 Euro sprachen die Richter ihr zu. Nach dem Ende der Beweiserhebung ließ sich nicht mehr rekonstruieren, wer von den beiden Schnee-Fans die größere Schuld an der Karambolage hatte. An sich, so die Richter, würden bei einer solchen Sachlage beide Beteiligten jeweils zu 50 Prozent haften.
Da das Snowboard jedoch schwerer sei und beim Zusammenstoß eine größere "Aufpralldynamik" erzeuge, hielten die Richter in dieser Konstellation eine Haftungsquote von 60:40 zu Gunsten der Skifahrerin für angezeigt (Landgericht Bonn, Urt. v. 21.03.2005, Az. 1 O 484/04).
Keine Anti-Rutsch-Behandlung mitten im Skigebiet
Ein Ehepaar aus Coburg brachte ihren Nachwuchs zu Fuß zum Skikurs. Auf dem Rückweg rutschte die Mutter in der Nähe eines Skilifts auf einer vereisten Stelle aus. Eine gebrochene Hand war die Folge.
Von der Grundstückseigentümerin, der Gemeinde, verlangte die Gestrauchelte 2.700 Euro Schmerzensgeld. Aber erfolglos, die Fußgängerin ging leer aus.
Mitten im Skigebiet, so die Richter, bestehe beim besten Willen keine Pflicht zur Schneeräumung oder dazu, Salz zu streuen. Mit glatten Stellen müsse in entsprechenden Abschnitten gerechnet werden. Gerade in der Nähe von Liften sei eine "Anti-Rutsch-Behandlung" illusorisch. Schließlich seien dort viele Sportler mit angeschnallten Skiern unterwegs; abstumpfende Mittel seien dort alles andere als angezeigt (Landgericht Coburg, Urt. v. 30.04.2007, Az. 22 O 858/06).
Der Autor Dr. Uwe Wolf ist Jurist und freier Autor in Düsseldorf.
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Uwe Wolf, Pistenunfälle: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2437 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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