Mülltrennen ist Standard. Biofleisch auch fast. Weniger Auto, mehr Rad – klar, das versuchen wir. Vor der Kühltruhe und auf dem Weg zur Arbeiten denken wir öko – nur beim Griff in den Kleiderschrank noch nicht. Dabei ist "Green Fashion" der Reines-Gewissen-Modetrend der Zukunft. Und "Green Fashion" ist längst nicht mehr Jutesack zu Jesus-Latschen.
Man spricht von "Fast Fashion". Wie Fast Food. Ähnlich negativ besetzt ist der Begriff auch. Gemeint ist Mode mit der Halbwertszeit von knapp einer Jahreszeit oder weniger. Mode, die für wenig Geld bei einem der hippen Retailer wie H&M, Zara oder Mango zu haben ist. Und was ist schon dabei, ein hübsches Sommerkleid bei H&M zu kaufen, es zwei-, drei Mal anzuziehen und dann auch wieder zu entsorgen.
Mode von gestern ist die Zeitung von vorgestern! Teuer war’s nicht, länger hält’s nicht, und dann kommt ja in ein paar Wochen schon wieder eine neue Kollektion in den Laden. Das Tempo, in dem zum Beispiel der große Schwede sein Angebot auswechselt, macht schwindelig. Einmal Sommer und einmal Winter – das war in längst vergangener Zeit so.
Klar ist, dass billige Mode auch billig produziert sein will. Dass Massen von Produkten auch Massen von Material bedürfen, Material, das kaum getragen – schwupps! – schnell im Altkleidercontainer landet.
Umweltbewusste Fashionistas plädieren deshalb dieser Tage für so genannte "Slow Fashion". Mode, die hält. Die also zum Einen zeitlos schick ist und zum Anderen von haltbarer, hoher Qualität. Es geht um Kleidung, die nicht nur schön ist, sondern auch schön gemacht ist: aus ökologisch verträglichen Materialien, unter fairen Bedingungen zu Kleidungsstücken verarbeitet und mit einer transparenten Vertriebskette.
Angebot kann kaufkräftige Kundschaft nicht überzeugen
Logisch, dass solche Produkte automatisch einen höheren Preis haben. Einen Preis, den viele bereit wären zu zahlen. Ihr reines Öko-Gewissen ist ihnen das wert! Allein, und das war bislang das Kernproblem grüner Mode nicht nur in Deutschland, das Angebot kann die kaufkräftige Kundschaft nicht überzeugen.
Ulrike Möslinger, Werbechefin der Galeries Lafayette, berichtete vor einigen Wochen auf der Thekey.to, eine Öko-Mode-Messe im Rahmen der Berliner Fashion Week: "Ich erlebe oft Kundinnen, die gerne für ein faires Produkt einen fairen Preis zahlen würden. Nur sind diese Kundinnen meist keine Zwanzig mehr, auch keine Dreißig, sondern womöglich über Vierzig. Ein Alter eben, in dem sie sich Premiumprodukte leisten können und gönnen wollen. Doch finden sie im Modebereich kein Öko-Angebot, das ihrem Anspruch genügt." Oft seien die grünen Kollektionen nicht klassisch genug, die Materialen nicht business-tauglich und die Farben schlichtweg zu grell.
Wahr ist: Die Zielgruppe der Öko-Designer war bisher weiblich und knackige 20 bis 45 Jahre alt. Jetzt aber ändert sich das. Jetzt, gerade im Augenblick. Eco-Fashion-Expertin Kim Poldner beobachtet einen Umbruch, eine – wenn gleich nicht überraschende – Revolution auf dem Green-Fashion-Feld: "Hier setzte ein ganz natürlicher Prozess ein: Im Zuge der Vergrößerung der Öko-Mode-Industrie kommt es zur Diversifizierung. Nach und nach versuchen sich die Macher ihre Nischen zu suchen, sich zu spezialisieren." Und der eine oder andere entdeckt dabei die Business-Mode für sich – altersunabhängig, generationsübergreifend.
Stoffe mit dem Öko-Siegel waren bisher Mangelware
Tatsächlich, so Poldner im Gespräch mit LTO weiter, war es bisher ein Problem für Öko-Labels, dass nur wenige Materialien auch wirklich das Siegel "Öko" tragen durften. Das überwiegend verwendete Material war demnach bislang Öko-Baumwolle. Und das passt nicht so ganz gut für klassische und bürotaugliche Entwürfe, das ist schon klar.
"Andererseits: Für klassische Businessmode braucht man keine ausgefallenen, fancy Stoffe. Einen schönen Anzug oder ein Kostüm kann man aus Wolle, Bambus oder vielleicht sogar Hanf machen." Und das sind Naturprodukte, die es mittlerweile mehr und mehr in sehr guter Öko-Qualität gibt. Labels wie "Fin", "Noir" oder "Deploy" entwerfen daraus Röcke, Blazer und Kostüme, office-chic und öko-fit zugleich. Eine gute Übersicht inklusive eine Store-Finders bietet die Seite Ecofashionworld.com.
Ein heraushebenswertes, weil witziges Beispiel für bürotaugliche und elegante Freizeit-Mode ist das niederländische Label "Jux". Die Hälfte der Kollektion besteht aus ökologisch angebauter Baumwolle, die andere aus umweltverträglich produzierten Naturmaterialien wie Seide, Cashmere und Bambus, ein kleiner Teil recyceltes Polyester kommt dazu. Produziert wird ausschließlich in Katmandu, der Hauptstadt Nepals. Jedes Teil ist Handarbeit. Und als kleine Besonderheit ist in jedes Kleidungsstück eine kleine Nummer genäht.
Auf der Webseite des Labels kann man nachschauen, für welchen Schneider diese Nummer steht, mit Foto und Vita: Wie lebt er oder sie, wie viele Kinder hat er und was ist sein größter Traum? "Unsere nepalesischen Schneider haben alle ganz typische Träume", erzählt Carlien Helmink, Mitbegründerin des Labels gegenüber LTO. "Träume, wie wir sie hier in Europa auch haben: Sie wollen reich werden und glücklich, lang leben und sie wollen, dass es ihren Kindern gut geht. Auch wenn diese Menschen so weit weg sind, fühlt es sich, wenn man von ihren Träumen liest, doch so an, als wären das Leute wie du und ich. Der einzige Unterschied ist, dass unsere Schneider in einem Entwicklungsland leben, einem der fünf ärmsten der Welt um genau zu sein. Damit sind ihre Chancen, dass ihre Träume in Erfüllung gehen, viel geringer als unsere."
Natürlich: Der Kauf eines "Jux"-Produkts steigert diese Chancen. Es dient aber auch unserem eigene Öko-Gewissen und eigentlich passt so ein adrettes, zeitlos schickes Designer-Stück doch auch ganz wunderbar zum urbanen Öko-Lifestyle
Nina Anika Klotz, Öko-Mode fürs Büro: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1279 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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