Heute Kinder, wird’s was geben. Nämlich etwas über die Amtstracht des Nikolaus. Mit der musste sich das OLG Düsseldorf beschäftigen, das dabei auch eine Verwechslung des Heiligen mit dem schnöden Weihnachtsmann verhindert. Der Schutzpatron der Anwälte und Notare nämlich war ein juristischer Superheld mit Schwerpunkt Strafvollzug, Kindesentführung und Reisevertragsrecht. Von Martin Rath.
Es gibt Prozesse, deren Ausgang bestenfalls ihre Parteien ernsthaft interessiert. Das ist hier der Fall. Dann gibt es Verfahren, die mit einer Entscheidung enden, an der die juristische Fachpresse sich das Dogmatikerherz wärmt oder sogar die Journalisten vom Boulevard, wenn nur genügend Blut wallt. Daran fehlt es in dem Fall.
Das Weihnachtsmann-Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 14. Februar 2012 (Az. I-20 U 82/11) spielt ein bisschen außerhalb dieses Sortiments, auch wenn es uns in vorweihnachtliche Wallungen versetzen sollte – denn es ist hier eine heilig-unheilige Amtstracht, an der wir zupfen.
Zunächst der schlichte Fall: Das beklagte Unternehmen vertrieb eine Weihnachtsmannfigur, wogegen die Klägerin mit der Behauptung vorging, ein für sie geschütztes Geschmacksmuster sei damit verletzt. Es fällt zwar schwer zu glauben, dass Weihnachtskitsch irgendetwas mit Geschmack zu tun hat. Dazu hängen dieser Tage wieder zu viele plastinierte Weihnachtsmann-Hinterteile an Hausfassaden. Doch werden Gerichte ja nicht um Geschmacksurteile ersucht.
Amtstrachtkundliche Erkenntnis: Ohne Bischofsornat kein Nikolaus
Den Weihnachtsmännern beider Parteien wurde jedenfalls nicht mangels Geschmacks gleichermaßen die Tür gewiesen. Die Richter machten vielmehr ihren Job, es erfolgte die Analyse der Figuren: Unterschiede fanden sie im Grad der Knollnasigkeit, der Fröhlichkeit des Gesichtsausdrucks sowie der Frage, ob die dicken Männer mit einem "Sternenstab" winkten oder nicht.
Anders als das zunächst angerufene Landgericht LG) Düsseldorf zog das OLG aus der Diagnose der Weihnachtsmann-Differenzen den Schluss, dass die Übereinstimmung des Gesamteindrucks beider Figuren nicht hinreichend sei, um der Beklagten den Vertrieb ihres vorweihnachtlichen Nippes' zu untersagen.
Bis hierher wäre dem nichts hinzuzufügen als ein Ausdruck des Mitleids für die Düsseldorfer Richterschaft, die sich an der intensiven Betrachtung vorweihnachtlichen Kitschs die Augen verderben musste, statt etwa eines der prächtigen Kunstmuseen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt zu goutieren. Ja, es wäre nichts hinzuzufügen, hätten die OLG-Richter nicht einen amtstrachtkundlichen Fehler des Landgerichts moniert, wörtlich: "Zunächst ist festzustellen, dass das Klagemuster wie auch das angegriffene Muster nicht – wie im Tenor des angegriffenen Urteils angegeben – eine Nikolausfigur, sondern eine Weihnachtsmannfigur zeigen. Eine Nikolausfigur würde typischerweise im Bischofsornat gezeigt."
Patron der Rechtsanwälte und Notare
Nun könnte man es dabei belassen, dass die Richter am Düsseldorfer OLG sich eben besser auf bischöfliche Dienstkleidung verstehen als die Kollegen des Landgerichts. In erhöhter Rechtserkenntnis muss sich der Instanzenzug ja nicht erschöpfen. Sicher ist es auch nicht verkehrt, einmal so dezent anhand der Kleidungsunterschiede zwischen einem Weihnachtsmann und einem Nikolaus mitzuteilen, dass ein Richter am Oberlandesgericht mehr von Amtskostümen versteht als einer am Landgericht.
Bei näherer Betrachtung des vorliegenden Schriftguts zum Heiligen aus der heute türkischen Stadt Myra/Demre ist allerdings davon auszugehen, dass eine erhöhte Nikolaus-Kenntnis durchaus auch eine erhöhte Rechtskenntnis bedingen könnte.
Einen ersten Anhaltspunkt für diese etwas verwegene Hypothese gibt Albert Christian Sellners "Immerwährender Heiligenkalender" (Frankfurt/Main, 1993), demzufolge der heilige Nikolaus nicht nur als Patron der Städte Antwerpen, Kalkar oder Moskau sowie der Feuerwehrleute, Grundschullehrer und Steinbrucharbeiter dient, sondern auch als himmlischer Fürsprecher der Notare und Rechtsanwälte. Unter den 14 Nothelfern, die einst und auch heute noch in der katholischen Welt in besonderen Problemlagen zum Schutz angerufen werden, hat Nikolaus u.a. die spezielle Zuständigkeit im Einsatz gegen irrige Urteile sowie bei der Befreiung von Gefangenen.
Rechtsanwälte, die nicht selten mit überzogenen Erwartungen ihrer Mandanten konfrontiert werden, sollten also niemals mit der patzigen Frage reagieren, ob man sie wegen der maßlosen Wünsche wohl für den Weihnachtsmann halte. Damit könnten sie das Missfallen jedenfalls des OLG Düsseldorf, wenn nicht des äußerst mächtigen Heiligen auf sich ziehen. Wenn man schon patzig mit Mandanten umspringen möchte, muss die Frage lauten, ob die werte Mandantschaft im Rechtsanwalt wohl einen Nikolaus sehe.
Martin Rath, Superheld mit Mütze: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14039 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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