Mc Donald's vor Gericht: Zu heißer Kaffee und andere Burgerrechtsfragen

von Martin Rath

19.04.2015

2/2: Unfreiwillige Arbeitsmarktintegration in Wiesbaden

Der Stoff für David-gegen-Goliath-Geschichten wird im Zusammenhang mit einem Weltkonzern, der über eine hohe regionale Marktpräsenz verfügt, kaum jemals ausgehen, nur wechselt mitunter die Gerichtsbarkeit.

In Deutschland waren beispielsweise arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen beliebt. Hübsch ist hier etwa ein Beschluss des Arbeitsgerichts (ArbG) Wiesbaden vom 21. Dezember 1999 (8 BV 29/99): Dem Betreiber eines McDonald’s-Restaurants war hier offenbar erst vom Gericht der Kopf zurechtzurücken, dass er seinen Betriebsrat nicht in Räumen unterbringen sollte, die sechs Kilometer von der Betriebsstätte entfernt lagen. Auch die Anschaffung eines PCs für den Betriebsrat gab das Gericht dem Gastronomieunternehmen auf, nicht zuletzt mit dem Hinweis darauf, dass die Arbeitnehmervertretung allein im laufenden Jahr 30 Beschlussverfahren gegen diesen McDonald’s-Betreiber anhängig gemacht hatte.

Hier liegt es vielleicht nahe, in McDonald’s jenen "Ausläufer des bekannten amerikanischen Imperialismus" zu sehen, "den deutsche Intellektuelle noch mehr verachten als den Muff der Wohnküchen, in denen sie mit Bratkartoffeln und Kohlrouladen großgezogen wurden" – ein Bild, mit dem Henryk M. Broder 1989 in der Wochenzeitung "Die Zeit" dem Siegeslauf des kapitalistischen Unternehmens das Wort redete (im Sommer 1989 hatte das erste Lokal in der UdSSR eröffnet).

Ein wenig ins Grübeln kommt man jedoch, wenn man die sachliche Begründung des Betriebsrats liest, derer es wegen des grundsätzlichen Anspruchs auf einen PC eigentlich gar nicht mehr bedarf, die im Beschluss des ArbG Wiesbaden aber wiedergegeben wird: Die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind in der deutschen Schriftsprache ungeübt, führen sie an, die Orthografie-Korrektur der Textverarbeitung hilft ihnen. Womöglich diente hier ja einmal der "Ausläufer des amerikanischen Imperialismus" der Arbeitsmarktintegration geringqualifizierter ausländischer Mitbürger in Deutschland mehr als so manche sozialamtsmäßige Integrationsbemühung.

Legende des Juristenscherzes: Fall Liebeck

Genauer hinzuschauen lohnt auch im leider legendären Fall der Rentnerin Stella Liebeck aus Albuquerque, der häufig als Beispiel für den vermeintlichen Irrsinn der US-amerikanischen Ziviljustiz herhalten muss: "Liebeck v. McDonald’s Restaurants".

Als juristenhumoristischer Aspekt ist das Ergebnis bekannt: Eine McDonald’s-Kundin verbrüht sich am heißen Kaffee und erhält von einer Jury Schadensersatz über 160.000 US-Dollar wegen ihrer Behandlungskosten sowie 2,7 Millionen US-Dollar Strafschadensersatz. In dieser Verkürzung ging der Fall um die Welt.

Weniger bekannt ist, dass Stella Liebeck zum Unfallzeitpunkt eine 79 Jahre alte, nie im Leben als Gerichtshansel aktive Dame war, sich auf dem Beifahrersitz eines parkenden Kraftfahrzeugs befand, der Kaffee tatsächlich bemerkenswerte 82 bis 88 °C hatte (50 bis 70 °C werden als trinkbar gehandelt), sie eine erhebliche Verletzung und Hospitalisierungsschäden erlitt und außergerichtlich nicht mehr beansprucht hatte als die Differenz zwischen den Behandlungskosten und den Leistungen der gesetzlichen US-Krankenversicherung für Senioren (Medicare). Ebenfalls unerwähnt bleibt zumeist die Kürzung des Jury-Verdikts, zunächst durch den Richter des Ausgangsverfahrens, dann in der Instanz, schließlich das Prozessende mittels Vergleichs über eine bedeutend geringere Summe.

McDonald’s in der Welt der juristischen Ökonomie

Der Fall Liebeck konnte in den USA gerade in seiner etwas peinlichen Verkürzung viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil gewichtige Interessen einer Reform des (Straf-) Schadensersatzrechts das Wort reden.

Der Dynamik der öffentlichen Aufmerksamkeit wird es nicht geschadet haben, dass der berühmt-berüchtigte Gastronomiekonzern die Rolle des Prozessgegners hatte. Der ständige Kampf beispielsweise darum, die Identität der Marke nicht verwässern zu lassen, macht diesen Goliath zu einem dankbaren Ziel für jedweden David.

Autor: Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln. Disclosure: In diesem Jahrhundert hat der Verfasser kein Produkt des besagten Unternehmens konsumiert.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Mc Donald's vor Gericht: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15272 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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