Malheurs am Herd: Von qual­menden Töpfen und kokelnden Kro­ketten

von Uwe Wolf

22.10.2011

Wenn Stichflammen aus Pfannen schießen oder Friteusen explodieren, hat der Koch was falsch gemacht. Führt der kulinarische Fehlgriff zu mehr als nur einer rauchigen Küchendecke, landen die Möchtegern-Lafers schnell vor dem Kadi. Die Richter zeigen aber ein großes Herz für Hausfrauen – und für "als Hausmann unerfahrene" Herren.

Eine unbescholtene Rheinländerin tat, was viele unbescholtene Rheinländerinnen zur Mittagszeit tun: Sie bereitete für ihren Gatten und sich ein warmes Mahl. Drei Kochgeräte standen gleichzeitig auf ihrem Ceran-Herd: Auf dem linken hinteren Kochfeld eine Pfanne mit durchwachsenem Speck und Zwiebeln, vorne links ein Topf mit flüssigem Schweinefett und rechts vorne ein Tiegel mit langsam vor sich hin schmelzendem Schmalz.

Bevor sie ihr cholesterin-lastiges Werk zu Ende bringen konnte, fiel der Köchin ein, dass sie ihrem Gatten im Garten helfen sollte. Sie schaltete die Herdplatten unter der Pfanne und dem Fetttopf aus und begab sich ins Grüne.

Drei Töpfe waren einer zuviel

Kurze Zeit später sahen die Eheleute plötzlich Flammen aus ihrer Wohnung schlagen. Die heranrückende Feuerwehr konnte nur noch die Grundmauern retten.

Die Polizei hatte das nicht abgeschaltete rechte Ceranfeld und das sich daraufhin entzündende Schmalz schnell als Brandursachen ermittelt. Der Feuerversicherer wollte die Unglücks-Köchin nun in Regress nehmen. Als diese sich quer stellte, ging der Fall vor Gericht.

Die Richter stellten fest, dass eine "erfahrene Hausfrau" – objektiv gesehen -  einen Topf mit kochendem Fett niemals unbeaufsichtigt auf einer angeschalteten Herdplatte zurücklassen würde. Zahlen musste die Rheinländerin dennoch nicht.

Die Richter billigten ihr zu, dass sie "subjektiv" nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Durch das Ausschalten der anderen beiden Ceranfelder habe die Frau bewiesen, dass sie an dem fraglichen Tag nicht  grundsätzlich "sorglos und unbesonnen" mit heißem Fett umgegangen sei. Dass sie aus Versehen das dritte Ceranfeld angelassen habe, bewerteten die Richter als "Augenblicksversagen" (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 10 U 88/09).

Kinderköche sorgen für flammendes Inferno

In ein ebenso mildes Licht tauchten die Richter einen Wohnungsbrand im saarländischen Zweibrücken. Auch dort hatte eine Mutter mehrerer Kinder einen Topf mit Fett auf einer glühenden Herdplatte zurück gelassen.

Nachdem sich auch hier der Dachstuhl in Asche verwandelt hatte, sagte die Unglücksköchin vor Gericht aus, sie habe "ganz sicher" den Herd vor Verlassen der Wohnung ausgestellt. In ihrer Abwesenheit hätten die Kinder wohl den Ofen wieder angedreht.

Auch in diesem Fall verneinten die Juristen, dass bezogen auf die konkrete Situation "subjektive" grobe Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Da der beweispflichtige Feuerversicherer die Vermutung der Mutter nicht widerlegen konnte, blieb die Assekuranz auf ihren Kosten sitzen (Oberlandesgericht Zweibrücken, Az. 1 U 30/98).

Frittier-Novize bekommt nachts Hunger

Einen 33-jährigen Niedersachsen beschlich nach der Rückkehr von einer Kneipentour nachts um vier ein unwiderstehlicher Heißhunger auf frittierte Kroketten. Der, wie sich aus den späteren Gerichtsprotokollen ergab, "als Hausmann unerfahrene" Zeitgenosse stellte einen offenen Kochtopf mit Frittiereinsatz und Öl auf den Herd.

Als das Öl heiß war und der Norddeutsche die tiefgekühlten Kartoffelröllchen in den Topf gegeben hatte, verließ er die Küche, um im Wohnzimmer den Fernseher einzuschalten. Das Programm war offensichtlich so spannend, dass er danach für einen Zeitraum von fünf bis fünfzehn Minuten die Kartoffelröllchen schlicht vergaß.

Was folgte, waren die wohl teuersten Kroketten der Kochgeschichte. 145.689,77 Euro kostete der Wiederaufbau des nach dem Frittier-Inferno weitgehend verbrannten Wohnhauses.

Auch diesem Desaster-Koch attestierten die Richter ein "Augenblicksversagen". Aufgrund der kulinarischen Unerfahrenheit des Mannes und des "späten Beginns seiner eigenen Haushaltsführung" könne zumindest subjektiv betrachtet nicht von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden (Bundesgerichtshof, VI ZR 196/10).

Der Verfasser Dr. Uwe Wolf arbeitet als Jurist und freiberuflicher Autor in Düsseldorf.

 

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Zitiervorschlag

Uwe Wolf, Malheurs am Herd: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4632 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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