"Wie Krisenkommunikation im Gerichtssaal der Öffentlichkeit funktioniert" will Herausgeber Wohlrabe in 15 Expertenartikeln zeigen. Ex-Justizministerin Brigitte Zypries vermisst dabei nur einen Aspekt. Sie rät sehr zum Buch – schon vor einer Krise.
Litigation-PR - bis zur Vorlage des Buchs kannte ich das Wort gar nicht. Wohl aber die Themen, um die es geht: Reputationsschäden von den Betroffenen fernhalten, die öffentliche Meinung beeinflussen und eine außergerichtliche Einigung möglichst schnell herbeiführen. Es sind extrem wichtige Themen in unserer globalisierten und digitalisierten Welt.
Das Buch beleuchtet von verschieden Seiten, was passiert, wenn die Öffentlichkeit als Gericht fungiert. Die Medien mit ihrer besonderen Rolle als objektive Berichterstatter und Erklärer werden für meinen Geschmack zu wenig beleuchtet. Zwar schreibt Spiegel-Redakteur Martin U. Müller, wie ein Medienskandal entsteht - allerdings ohne die Rolle des Spiegel dabei weiter zu thematisieren.
Neben seinem Artikel gibt es noch 14 weitere, spannende Beiträge mit einer großen Bandbreite: von der Litigation-PR im Insolvenz-Verfahren (Tobias Vogl) über die Prominenz im Wirtschaftsstrafverfahren (Matthias Jahn) bis hin zu fünf knackigen Thesen für die Kommunikation in der Krise (Ann-Katrin Adriaans). Auch eine Beurteilung des eigenen Prozesses durch Thomas Middelhoff fehlt nicht.
Kommunikation im digitalen Zeitalter verstanden
Nicht nur für Krisenkommunikation, sondern auch als Präventionsstrategie sehr gut geeignet ist das ganze Buch, vor allem aber die vier Interviews, die es enthält. Thomas Seeger von Ritter Sport etwa schildert, was in vielen deutschen Konzernen leider nicht die Regel ist: „Schon vor der Krise hatten wir immer sehr offen über alle Themen, auch die unbequemen, gesprochen. Es gab keine weichgespülten Managerfloskeln, die dann auch noch über drei Korrekturschreibtische intern gingen und am Schluss völlig inhaltsleer waren.“
Wenn man die Ratschläge von Wohlrabe zur Kommunikation bei Cyber-Attacken nicht nur in diesen Fällen beherzigt, sondern immer, hat man viel von der geänderten Kommunikation im digitalen Zeitalter verstanden: „Finger weg von der Salamitaktik, bei der nur häppchenweise mit der Wahrheit herausgerückt wird.“ Transparenz ist heute das A und O. Die sozialen Netzwerke müssen bedient werden- aber bitte auch die Resonanz dort im Blick behalten und auf Nutzer mit sachlichen Antworten eingehen!
Das Buch hat noch viele weitere Learnings parat. Es empfiehlt sich für alle, die mit öffentlicher Kommunikation zu tun haben.
Brigitte Zypries war von 2002 bis 2009 Bundesministerin der Justiz. Die Volljuristin ist u.a. ausgebildete Mediatorin und hat sich in Berlin als Familienmoderatorin engagiert. Sie ist zudem Mitherausgeberin der Zeitschrift für Rechtspolitik.
"Litigation-PR: Wie Krisenkommunikation im Gerichtssaal der Öffentlichkeit funktioniert" - Martin Wohlrabe (Hrsg.), Springer Gabler 2020, ISBN 978-3-658-27497-9
Transparenzhinweis: Einer der zahlreichen Expertenbeiträge in dem Werk stammt von LTO-Chefredakteurin Pia Lorenz.
Brigitte Zypries über "Litigation PR" von Martin Wohlrabe: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41876 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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