Daniel Meyer (41) ist der einzige Cheftrainer der Bundesliga mit zwei juristischen Staatsexamen. Ein Gespräch über missglückte Freischüsse, Ausstiegsklauseln in Trainerverträgen und den Abstiegskampf unter Corona-Bedingungen.
LTO: Herr Meyer, Sie sind Volljurist und haben den Sprung auf die Trainerbank in der Zweiten Fußball-Bundesliga geschafft. In dieser Saison trainieren Sie den Traditionsverein Eintracht Braunschweig, der aktuell um den Klassenerhalt spielt. Was ist anstrengender: Abstiegskampf oder die Vorbereitung auf ein juristisches Staatsexamen?
Daniel Meyer: Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich glaube, dass mich die Vorbereitung auf die juristischen Examina mehr belastet hat. Die Fülle der Themen, die Notwendigkeit, die aktuellste Rechtsprechung zu kennen und die Sorge, ob der Mut zur Lücke vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu riskant war, haben dazu beigetragen. Und auch wenn sich der Spielverlauf im Fußball ebenso wenig vorhersagen lässt: Die Unwägbarkeiten, die mit einer juristischen Staatsprüfung verbunden sind, sind unangenehmer.
Sie haben als Trainer Karriere gemacht und nebenher Jurastudium, Referendariat und zwei Staatsexamina absolviert. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich habe unmittelbar nach dem Abitur das Studium in Frankfurt/Oder begonnen und parallel dazu die 1. Herren des FC Strausberg in Brandenburg trainiert. Und um ehrlich zu sein: In Hörsälen hat man mich deutlich seltener als auf dem Rasen gesehen. Ich habe mich einfach äußerst effektiv auf die Scheine an der Uni konzentriert, war damit dann auch schnell durch, bin dann nur leider knapp im Freischuss gescheitert.
Danach habe ich als Trainer eine gewisse Auszeit genommen und mich doch etwas intensiver auf die Prüfungen konzentriert. Erst nach dem 2. Staatsexamen 2010 gewann der Fußball wieder die Oberhand. Wobei ich die Juristerei auch da nicht komplett ad acta gelegt habe.
"Als Anwalt wäre wohl Strafrecht mein Schwerpunkt geworden"
Sie wurden als frischgebackener Volljurist Trainer der Bundesliga-Jugendteams von Energie Cottbus. Wo war da noch Platz für Jura?
In meinen vier Jahren in Cottbus war ich quasi in einer Doppelrolle: Trainer im Nachwuchsbereich, aber zugleich auch eine Art Justiziar des Vereins. Ich habe Verträge geprüft und verhandelt oder auch sonst die sportliche Leitung juristisch beraten. Zu dieser Zeit stand tatsächlich noch nicht fest, ob ich eines Tages eher als Jurist oder als Trainer mein Geld verdienen würde. Wäre ich als Rechtsanwalt in die Kanzlei meines Vaters eingestiegen, wäre mein Schwerpunkt wohl das Strafrecht geworden.
Der Durchbruch als Trainer gelang Ihnen 2015, als Sie – damals gemeinsam z.B. mit dem aktuellen Trainer von Borussia Mönchengladbach, Marco Rose – zu den auserwählten 24 Kandidaten gehörten, die jedes Jahr an der renommierten Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln die höchste Fußballlehrer-Lizenz erwerben. Dann ging es für Sie als Trainer Schlag auf Schlag.
Ein Headhunter des 1. FC Köln war auf mich aufmerksam geworden und nachdem ich - ein für dieses Metier eher ungewöhnliches - Assessment-Center erfolgreich absolvierte hatte, wurde ich Leiter des Nachwuchszentrums beim "Effzeh" und trainierte später dort auch die U 19.
Es war eine sehr erfolgreiche Zeit: Ich durfte dazu beitragen, eine Vielzahl von Jugendnationalspielern hervorzubringen und erlebte eine Art "Netzwerkexplosion". Heißt: Auf diesem Niveau lernte ich jede Menge wichtige Personen der Branche kennen. Das kann für die weitere berufliche Entwicklung förderlich sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass es in Deutschland rund 5.000 Fußballtrainer mit ähnlicher sportlicher Qualifikation gibt, die gerne in einer der ersten drei Ligen ihr Geld verdienen wollen.
"Ausstiegsklauseln für Trainer sind fair"
Das Engagement in der Domstadt endete 2018, als Ihnen Zweitligist Erzgebirge Aue ein Angebot machte: Endlich Cheftrainer in der Bundesliga.
Ja, und natürlich meldete sich da mein Ur-Antrieb. Schließlich sehnte ich mich danach, als Trainer auch einmal in vollbesetzten Stadien an der Seitenlinie zu stehen. In Aue hatte man seinerzeit gute Erfahrungen damit, auf eher unbekannte Trainer zu setzen. Das kam mir entgegen.
Sportlich war es dann eine durchaus erfolgreiche Zeit. Ich schaffte mit dem Team 2019 den Klassenerhalt und startete auch in die darauffolgende Saison sehr erfolgreich. Dann jedoch wiederfuhr meiner Familie ein schwerer privater Schicksalsschlag. Ohne hier ins Detail zu gehen: Es war mir nicht mehr möglich, Profifußball und Familie mit zwei kleinen Kindern unter einen Hut zu bringen. Ich habe dann fast ein Jahr lang nicht mehr als Trainer gearbeitet.
Kam dann nicht das juristische Standbein wieder als Option infrage?
Nicht wirklich. Ich hatte ja in Aue eine grundsätzlich positive Erfahrung als Trainer gemacht. Als die privaten Verhältnisse wieder einigermaßen im Lot waren, wollte ich daher unbedingt wieder zurück an die Seitenlinie. Das Engagement bei Eintracht Braunschweig im Juli 2020 kam dann auch aufgrund des erwähnten Netzwerkes zustande, das ich mir in den Jahren zuvor aufgebaut hatte.
In den vergangenen Wochen wird heftig darüber diskutiert, ob es in Ordnung ist, dass Bundesligatrainer in ihren Arbeitsverträgen Ausstiegsklauseln abbedingen. Haben Sie eine?
Über meine Vertragsdetails spreche ich grundsätzlich nicht, aber ansonsten ist das natürlich legitim. Trainer sitzen auf einem Schleudersitz, ihnen droht bei sportlichen Misserfolg der sofortige Rauswurf. Und dann werden Sie in der Regel nicht einfach bei fortlaufender Gehaltszahlung beurlaubt, sondern erhalten eine Abfindung und das war’s. Vor diesem Hintergrund ist es nur fair, wenn auch der Trainer unter bestimmten Voraussetzungen selbst entscheiden kann, ob er sich beruflich anders entwickeln möchte.
Was können Sie sich für Ihre berufliche Zukunft vorstellen – vielleicht doch noch etwas mit Jura?
Ich fühle mich aktuell in Braunschweig sehr wohl und möchte weiter als Trainer arbeiten. In ferner Zukunft kann ich mir aber durchaus vorstellen, in operativer, leitender Funktion eines Vereins tätig zu werden. Dann werden auch meine juristischen Kenntnisse wieder mehr gefragt sein.
Bundesliga unter Corona-Bedingungen: "Es kommt zu Wettbewerbsverzerrungen"
Das Trainersein bei der Eintracht kennen Sie nur unter Pandemie-Bedingungen: ohne Zuschauer, in der von der DFL verordneten Bubble mit ständigen Tests. Auch Sie selber waren mit Covid-19 infiziert und mussten in Quarantäne. Um die Saison rechtzeitig vor der EM zu Ende zu bringen, gibt jetzt auch noch ein Quarantäne-Trainingslager für die letzten Spieltage. Macht der Job unter diesen Umständen überhaupt Spaß?
Es ist derzeit alles ziemlich gewöhnungsbedürftig und es gibt viele Unwägbarkeiten. Man befindet sich dauernd in einer Habachtstellung und muss trotz der getroffenen Vorkehrungen jederzeit damit rechnen, dass Spieler oder andere Kollegen aus dem Team erkranken bzw. Spiele kurzfristig ausfallen könnten
Sorgen mache ich mir auch um das psychische Wohl der Spieler. Nicht alle haben ja Familie und Kinder zu Hause, sondern sind alleine. Und die verbreitete Vorstellung, das werde von einem üppigen Gehalt alles ausgeglichen, ist abwegig. Auch gut bezahlte Fußballer sind Menschen, die soziale Nähe brauchen.
Nicht zuletzt deshalb sehe ich es sehr kritisch, dass das Saisonende derart unverrückbar feststeht. Zumal: Durch Neuansetzungen verlegter Partien kommt es sportlich zu Wettbewerbsverzerrungen, ein richtig regulärer Betrieb findet nicht mehr statt.
Sind Sie persönlich eigentlich wieder ganz fit?
Ich spüre immer noch einige Nachwirkungen, aber ich hatte auch bislang keine Zeit, mich weiter ärztlich checken zu lassen. Als meine Quarantäne endete, bin ich umgehend wieder zur Mannschaft gestoßen. Danach folgte eine englische Woche und sportlich geht es für uns aktuell um sehr viel. Erst in der Länderspielpause Ende April, Anfang Mai werde ich wohl wieder etwas regenerieren können.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Meyer.
Interview mit dem Trainer von Eintracht Braunschweig: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44801 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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