Ein "III. Weg"- Funktionär als Volljurist?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hat nun auch im Hauptsacheverfahren bestätigt, dass die Ablehnung eines Bewerbers für den juristischen Vorbereitungsdienst wegen seiner Mitgliedschaft und seinem Engagement bei der Partei "Der III. Weg" rechtmäßig war (Beschl. v. 22.12.2022, Az. 3 B 21.2793). Der VGH Bayern bestätigte mit seiner Entscheidung das Urteil der Vorinstanz (VG Würzburg, Urt. v. 10.11.2020, Az. W 1 K 20.449), wie nun bekannt wurde.
Der in dem Fall klagende Bewerber Matthias B. ist kein Unbekannter. Schon im Dezember 2021 berichtete LTO umfassend über den Juristen, der trotz strafrechtlicher Verurteilungen und einer Mitgliedschaft bei der Partei "Der III. Weg" zwar nicht in Bayern für den Vorbereitungsdienst zugelassen worden war, für diesen aber in Sachsen zugelassen wurde.
Der 1984 geborene Mann hatte sich zunächst vergeblich um eine Einstellung als Referendar in Bayern bemüht. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg, mit dem sein Antrag auf Aufnahme abgelehnt worden war, hatte er sich vergeblich vor dem Verwaltungsgericht (VG) Würzburg gewehrt. Das VG Würzburg bestätigte die Auffassung des OLG, welches den Bewerber ablehnte, weil nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (§ 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO) Tatsachen vorlägen, die ihn als ungeeignet für den Vorbereitungsdienst erscheinen ließen.
Verurteilungen und Parteimitgliedschaft beim "III. Weg"
Aus den Urteilsgründen des VG Würzburg geht hervor, dass der Bewerber mehrfach strafrechtlich verurteilt worden ist. Von 2005 bis 2013 sei es zu fünf Verurteilungen mit erheblicher Bandbreite gekommen, darunter Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Bayerische Versammlungsgesetz.
Der wesentliche Grund für die Ablehnung sei jedoch die Tatsache, dass der Bewerber in der Vergangenheit durch Aktivitäten für die Parteien NPD und "Der III. Weg" sowie andere, problematische Vereinigungen in Erscheinung getreten sei. Von 2005 bis 2012 sei er Mitglied der NPD und während dieser Zeit teilweise auch Kreis- und Bezirksvorsitzender gewesen. Er sei als Referendar charakterlich ungeeignet, meinte letztlich nun auch der VGH Bayern.
VGH Bayern zum "Leitbild" eines Juristen
Dass das OLG Bamberg berechtigt war, den Bewerber zurückzuweisen, bestätigte nun auch der VGH Bayern in der Hauptsache. Das OLG Bamberg habe den Bewerber berechtigterweise nicht zum Vorbereitungsdienst zugelassen, weil dieser wegen seiner verfassungsfeindlichen Betätigung ungeeignet sei. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass der Kläger gewillt sei, die Rechtsordnung als verbindlich anzuerkennen.
Die JAPO gehe vom "Leitbild" eines Juristen aus, der aufgeschlossen sei, "für die Lebenswirklichkeit im Geiste eines demokratischen und sozialen Rechtsstaats" - und zwar unabhängig davon, welche Tätigkeiten der vollausgebildete Jurist später ausüben werde und welche Schranken dafür gälten.
Wegen politischer Vita ungeeignet
Der Bewerber sei aufgrund seiner politischen Vita für den Vorbereitungsdienst ungeeignet, so der VGH Bayern weiter. Schwer wiege, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bloß einfaches Mitglied der Partei "Der III. Weg" gewesen sei, sondern auch stellvertretender Gebietsverbandsleiter Süd und stellvertretender Leiter des Stützpunktes Mainfranken.
Die Verfassungsfeindlichkeit der Partei leitete das Gericht vorrangig aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat für das Jahr 2021 ab. In dem Bericht werden die ideologischen Aussagen der Partei als nationalsozialistisch, antisemitisch und rassistisch geprägt beschrieben. In ihrem "10-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes".
Jurist fiel durch hetzerische Reden auf
Auch wenn die Partei "Der III. Weg" nicht verboten sei, könne die Parteimitgliedschaft gleichwohl zur einer negativen Eignungsbeurteilung führen, so der VGH Bayern weiter. In seiner Urteilsbegründung nimmt der Gerichtshof auch Stellung zu den öffentlichen Reden des Bewerbers. Bei diesen werde immer wieder das "deutsche Volk" in den Fokus gestellt und indirekt Parallelen zu dem "auf Blut" basierenden Volksbegriff der Nationalsozialisten aufgezeigt. Dabei scheine der Jurist generell auch das Grundrecht auf Asyl in Frage zu stellen, indem er abwertend von "sogenannten Flüchtlingen" spreche, befanden die Richterinnen und Richter weiter.
Das Gericht beschreibt das Auftreten, Gestik und Tonfall des Bewerbers bei seinen Reden als kämpferisch und in Teilen aggressiv anmutend. So bezeichne er bürgerliche und linke Gegner auch gerne als "antideutsche Gutmenschen" und werfe diesen eine "Lügenhetze" gegen die Partei "Der III. Weg" vor.
Wegen seiner herausgehobenen Funktion in der Partei und seinem Engagement für den "III. Weg" sei der Jurist daher nicht für den Vorbereitungsdienst in Bayern geeignet.
Referendar im sächsischen Vorbereitungsdienst
Anders sieht man das in Sachsen, weshalb B. an einer Einstellung in Bayern nicht mehr lange festhielt. Und zwar nicht, weil sein Begehren sich durch Zeitablauf erledigt hatte und damit unzulässig geworden war, sondern weil er vorläufig in den juristischen Vorbereitungsdienst im Bundesland Sachsen eingestellt worden war. Nachdem der Jurist sowohl vor dem VG Würzburg und dem Bayerischen VGH gescheitert war, hatte er sich in Thüringen und Sachsen beworben.
Nachdem das OLG Dresden den Bewerber für den sächsischen Vorbereitungsdienst zunächst wegen seiner strafrechtlichen Verurteilung abgelehnt hatte, erwirkte der "III. Weg"- Funktionär schließlich mit einem Eilantrag doch noch seine Einstellung. Mit einer Gesetzesänderung hatte Sachsens Regierung 2021 noch die Zugangsregelungen für das Rechtsreferendariat verschärft, um sicherzustellen, dass Bewerber, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfen, nicht in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden. Mit dem „III.-Weg“- Funktionär B. folgte gleich der erste Anwendungsfall.
Sächsischer VerfGH sieht Verletzung der Berufswahlfreiheit
Trotz der Gesetzesänderung entschied der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) in Leipzig im Eilverfahren, dass der Jurist "unverzüglich rückwirkend" eingestellt werden müsse. Zuvor hatten das VG Dresden und das Sächsische OVG den Bewerber noch abgelehnt. Seine Eilentscheidung zur Zulassung des Bewerbers bestätigte der VerfGH auch im Hauptsacheverfahren, nachdem er die einstweilige Anordnung zunächst verlängert hatte (Beschl. v. 21.10.2022, Az. Vf. 95-IV-21), wie nun bekannt wurde.
Im Gegensatz zur Entscheidung aus Bayern geht der Sächsische VerfGH von einer Verletzung der Ausbildungs- und der Berufswahlfreiheit aus. Er verwies die Sache zurück an das VG Dresden.
Damit ist es dem "III. Weg"- Funktionär weiterhin möglich, seine juristische Ausbildung zum Volljuristen zu absolvieren und sich für eine Stelle als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt zu qualifizieren.
Der Jurist leistet nach Angaben der Pressestelle des OLG Dresden gegenüber LTO derzeit seine Anwaltsstation ab, deren Wahl zuletzt für Aufsehen sorgte. Der Rechtsreferendar hatte nämlich beantragt, seine Ausbildung bei dem Chemnitzer Rechtsanwalt Martin Kohlmann absolvieren zu dürfen, der gleichzeitig Vorsitzender der "Freien Sachsen" ist.
Noch eine Verfassungsbeschwerde
Die Justizverwaltung lehnte seinen Antrag aus Sorge um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ab und suchte einen anderen Anwalt aus. Mit dem dagegen eingereichten Eilantrag scheiterten der Referendar und der Anwalt sowohl vor dem VG Chemnitz als auch vor dem OVG Dresden (Beschl. v. 07.11.2022 Az. 2 B 286/22). Bei welchem Anwalt B. seine Station nun ableiste, könne aus Datenschutzgründen nicht genannt werden, heißt es seitens des OLG Dresden auf LTO-Anfrage. Gegen die Entscheidung des Sächsischen OVG, den rechten Anwalt Kohlmann als Ausbilder im Referendariat abzulehnen, sei jedoch bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, über die noch nicht entschieden worden sei, hieß es weiter.
Während B. als Referendar nun Klausuren schreibt, an Arbeitsgemeinschaften teilnimmt und sich auf das Examen vorbereitet, tickt die Uhr beim VG Dresden, an das der VerfGH zurückverwiesen hat: Sollte B. die Regelfrist der Ausbildung einhalten, endet seine zweijährige Ausbildungszeit zum Volljuristen voraussichtlich im November 2023.
Derweil sieht es so aus, als warte man am VG Dresden offenbar das "erledigende Ereignis" für das einstweilige Rechtsschutzverfahren ab. "Das einstweilige Rechtsschutzverfahren wird sich möglicherweise erledigen, weil der Referendar vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zum Vorbereitungsdienst zugelassen wurde“, heißt es seitens des VG Dresden. Die Hauptsache ist dort noch anhängig.
Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, sei derzeit noch nicht absehbar. Eine Terminierung und somit eine abschließende Beurteilung des Falles könne Mitte des Jahres erfolgen, so eine Pressesprecherin des VG Dresden. Dass die Entscheidung von der des VerfGH abweicht und das VG Dresden sich noch einmal für die Nichtzulassung des Referendars ausspricht, ist wohl nicht zu erwarten.
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2023 M01 18
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