"Der III. Weg"-Aktivist darf Volljurist werden
Ein Mitglied der rechtsextremen Kleinstpartei "Der III. Weg" und Ex-NPD-Funktionär muss in Sachsen zum Jura-Referendariat zugelassen werden, das entschied der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) in Leipzig in einem Eilverfahren (Beschluss v. 04.11.2021, Az. Vf. 96-IV-21). In dem fünf-seitigen Beschluss, der LTO vorliegt, wird angeordnet, den Juristen "unverzüglich rückwirkend" zu November einzustellen. Damit ist es ihm vorläufig möglich, seine juristische Ausbildung fortzusetzen und sich für eine Stelle als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt zu qualifizieren.
Die Partei "Der III. Weg" ist nicht verboten, wird aber vom Verfassungsschutz beobachtet. Dieser attestiert ihr eine "fundamental ablehnende Haltung gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat". Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von rund 600 Mitgliedern aus, ein Sechstel im Vergleich zur Mitgliederzahl der NPD. "Der III. Weg" gilt auch als Auffangbecken für Neonazis, die Mitglieder verbotener Organisationen waren.
Sachsen beschloss 2021 strengere Zugangsregeln für das Referendariat
Laut der Gerichtsdokumente wurde der Jurist bislang zweimal strafrechtlich verurteilt, einmal 2013 wegen Betrugs, und wenig später für einen Verstoß gegen das bayerische Versammlungsgesetz. Bei der Partei "Der III. Weg" ist er weiterhin politisch aktiv. Zuvor war er für die NPD politisch tätig und gehörte einer dem verbotenen "Freien Netz Süd" zuzurechnenden Kameradschaft an. 2020 bestand er die Erste Juristische Prüfung in Bayern und bewarb sich dort um einen Referendariatsplatz. Zu dieser Zeit war er noch für den "Der III. Weg" aktiv, war Versammlungsleiter, Redner und Anmelder eines Info-Standes. Seine Bewerbung fürs Referendariat wurde abgelehnt.
Dagegen ließ der Mann sozusagen keine Rechtsschutzmöglichkeit ungenutzt, sein Fall beschäftigte das Verwaltungsgericht, den Bayerischen Verwaltungsgerichthof und schließlich das Bundesverfassungsgericht. Er blieb ohne Erfolg und bewarb sich Ende 2020 im Nachbarbundesland Thüringen. Auch hier wurde er abgelehnt, auch hier blieb sein Gang durch die Instanzen erfolglos. Parallel hatte er sich aber auch in Sachsen beworben. Das zuständige Oberlandesgericht (OLG) Dresden lehnte seinen Antrag für mehrere Einstellungstermine hintereinander ab, es hielt den Bewerber wegen seiner strafrechtlichen Verurteilungen für ungeeignet. Außerdem sei davon auszugehen, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfe. Damit bezog sich das OLG auf eine in 2021 neu geschaffene Gesetzesregelung.
Was den Schutz der eigenen Juristen-Ausbildung vor Verfassungsfeinden angeht, kann man Sachsen zurzeit als eine Art Vorreiter sehen. 2021 verabschiedete der Landesgesetzgeber verschärfte Zugangsbestimmungen für angehende Volljuristinnen und -juristen. Wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft, wird in der Regel nicht in den Vorbereitungsdienst eingestellt. Damit hat Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern Neuland betreten. Die Gesetzesänderung in Sachsen wird auch deshalb aus anderen Ländern aufmerksam beobachtet. Einige erwägen wohl, auch bei ihren Gesetzen nachzuschärfen. Wenn die Justiz rechtzeitig zukünftige Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen erkennen will, stellt der Eintritt in das Referendariat einen der frühestmöglichen Zeitpunkte dar. Unumstritten ist die Änderung nicht. Eine Gruppe sächsischer Referendare befürchtet einen neuen sogenannten "Radikalenerlass", den hatten Bund und Länder 1972 beschlossen, um ihre Bewerber für den Öffentlichen Dienst auf Verfassungstreue zu überprüfen.
VerfGH zieht Grenzen für die Verfassungsfeinde-Regelung
Den neu geschaffenen Paragrafen 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Sächsisches Juristenausbildungsgesetz (JAG) hat die Justizverwaltung in Sachsen nun für den Fall des Mannes vom "Der III. Weg" aktiviert. Daneben gibt es im JAG aber auch noch andere Ablehnungsgründe, die sich so oder in ähnlicher Form auch in anderen Ländern finden. Sie lassen sich so zusammenfassen: Insbesondere, wer eine Gefahr für den geordneten Ablauf oder wichtige öffentliche Belange darstellt, kann – also eine angeleitete Ermessensentscheidung – ausgeschlossen werden. Auch darauf stützte sich die Justizverwaltung.
Nach seinen Rückschlägen in Bayern und Thüringen war der Mann nun in Sachsen erfolgreich, der VerfGH gab ihm Recht. Seine Entscheidung zum Weg ins Referendariat hat der VerfGH mit einer weiteren Entscheidung wenige Tage zuvor quasi vorbereitet. In einem Hauptsacheverfahren (Az. Vf. 49-IV-21) entschieden die Landesverfassungsrichterinnen und -richter über eine Verfassungsbeschwerde des Bewerbers. Auch diese Entscheidung liegt LTO vor. Sie stellt fest, dass in der Ablehnung eine Verletzung der Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit liegt, die nicht zu rechtfertigen sei. Damit lieferten die Richterinnen und Richter sozusagen schon das Begründungsmaterial, mit dem sie wenige Tage später die Zulassung zum Referendariat anordnen sollten. Und sie trafen auch Einschätzungen zu dem neuen Paragrafen gegen Verfassungsfeinde.
Die neue Zugangshürde in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 JAG sei verfassungskonform und eng auszulegen, so der Beschluss. Nur wer die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft, könne demnach ausgeschlossen werden – das sei vorliegend bei dem Bewerber nicht der Fall. Die Partei "Der III. Weg" sei weder verboten, noch habe sich der Bewerber sonst in einer die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdenden Weise strafbar gemacht. Die zurückliegenden Strafurteile sieht das Gericht nicht als Hindernis an.
Keine strengeren Voraussetzungen als für Zulassung zur Anwaltschaft
Interessant sind die weiteren grundsätzlichen Ausführungen. Die sächsische Vorschrift sei ganz bewusst einer Norm in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nachgebildet worden, die den Zugang zur Anwaltschaft regelt. Der sächsische VerfGH argumentierte: "Es wäre unverhältnismäßig, die vorgelagerte Berufsausbildung bereits wegen eines Verhaltens zu verwehren, das mangels Überschreitens der Strafbarkeitsschwelle dem späteren Zugang zum Anwaltsberuf selbst gerade (noch) nicht entgegengehalten werden könnte. Denn in diesem Fall würde der Zugang zu einem Beruf versperrt, für den der Bundesgesetzgeber geringere Zugangshürden normiert hat". Und folgert: "Insofern dürfen die Anforderungen an die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst nicht höher sein als für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft."
Der Grundrechtseingriff, der in der Nichtzulassung zum Referendariat liege, sei besonders intensiv, weil der Zugang zur Ausbildung für die spätere Berufswahl angehender Juristinnen und Juristen von entscheidender Bedeutung sei. Denn wer schon nicht das Referendariat absolvieren könne, dem blieben nicht nur die Justizberufe als Richter oder Staatsanwalt verwehrt, sondern auch das gesamte Berufsfeld der Rechtsanwälte. Der Staat hat ein Ausbildungsmonopol.
Die Entscheidung deutet auch eine verfassungsrechtlich angelegte Abstufung an. Ausgebildete Volljuristen müssten im anschließenden Schritt für die Übernahme in das Richteramt Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Eine Entscheidung an dieser Schwelle dürfte also im Einzelfall strenger sein.
Ausbildung nur mit Auflagen
Die Anordnung gilt auf dem Papier erstmal vorläufig bis zur Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Ablehnung zur Einstellung ins Referendariat aus Ende Oktober 2021. Zunächst darf der Jurist die Ausbildung antreten und für die Justizverwaltung beginnt umgekehrt, die Zeit zu laufen. Mit einem anderen Fall und dem Faktor Zeit hatte die Verwaltung zuletzt schlechte Erfahrung gemacht.
Trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Landfriedensbruchs durfte ein Referendar, der sich an Krawallen von Neonazis und Hooligans in Leipzig beteiligt hatte, in Sachsen Volljurist werden. Die Justizverwaltung musste feststellen, dass gerade gegen Ende der Ausbildung die Begründungsanforderungen so hoch ausfallen, dass eine Entfernung kaum noch durchzusetzen war. Mit jeder Woche und jedem Monat wird es schwieriger für die Justizverwaltung, einen Ausschluss zu begründen. Die neuen Regeln in der Ausbildungsordnung sollten eine deutliche Antwort auf diese Schwierigkeiten sein. Die Grenzen der Regelung hat nun der VerfGH ausbuchstabiert.
Die Richter und Richterinnen ziehen eine Zulassung auch deshalb als grundrechtsschonend gegenüber der Nichtzulassung vor, weil die Ausbildung des Bewerbers mit Auflagen flankiert werden könne. Damit könnten, so der Beschluss, Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ausgeschlossen werden. Mögliche Auflagen aus Sicht der Richterinnen und Richter wären: ein Ausschluss von Aufgaben mit Außenwahrnehmung, wie die Teilnahme am staatsanwaltlichen Sitzungsdienst, Auflagen, keine verfassungsfeindlichen Symbole im dienstlichen Rahmen zu tragen, eine entsprechende Auswahl der jeweiligen Ausbildungsstation, sowie eine intensivierte Beaufsichtigung.
Die Arbeit liegt jetzt beim OLG Dresden, das für die Ausbildung des Referendars zuständig ist. Die Pressesprecherin des OLG bestätigte auf Anfrage von LTO, dass der Mann das Referendariat angetreten habe. Soweit der VerfGH Auflagen eingeräumt habe, habe man als Ausbildungsbehörde davon Gebrauch gemacht. Nähere Details wollte sie dazu nicht mitteilen.
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2021 M12 8
Referendariat
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