Verfassungsbeschwerde im Streit um Anwaltszulassung erfolgreich

Zweite Chance für "unwür­dige" Asses­sorin

von Alexander CremerLesedauer: 4 Minuten
Eine Assessorin, die ihren Ausbilder im Referendariat beleidigt hatte, könnte vielleicht doch noch Anwältin werden. Die RAK hatte ihr die Zulassung versagt, nun muss der AGH NRW erneut entscheiden, so das BVerfG.

Eine Assessorin, der die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit versagt wurde, kann nun doch auf eine Zulassung zur Anwaltschaft hoffen. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln und ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen (AGH NRW) war vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erfolgreich, wie am Freitag bekannt wurde (Beschl. v. 22.10.2017, Az. 1 BVR 1822/16). Im Rahmen ihres Referendariats kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Frau und ihrem ausbildenden Staatsanwalt. So schickte sie ihm beispielsweise eine E-Mail, in der sie ihn unter anderem als "provinzielle[n] Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert" bezeichnet. Sie warf ihm auch vor, er hätte sie aus Neid "am liebsten […] vergast". Als das Verfahren über den Strafantrag des ausbildenden Staatsanwalts nicht wie von der Frau gewünscht eingestellt wurde, stellte sie die Eignung der zuständigen Oberstaatsanwältin in Frage und empfahl ihr, "doch einmal eine Grundstudiumsvorlesung" zu besuchen.  Das Amtsgericht verurteilte sie wegen Beleidigung des Staatsanwalts zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro. Seit Februar 2014 ist dieses Urteil rechtskräftig. Nach Bestehen  der zweiten juristischen Prüfung beantragte die Assessorin im August 2014 ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Der Antrag wurde von der zuständigen RAK Köln abgelehnt. Sie habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, das sie unwürdig im Sinne des § 7 Nr. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin ordnungsgemäß auszuüben. Die gegen den Bescheid gerichtete Klage wurde vom AGH NRW abgewiesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnte ihre Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls ab

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BVerfG: Abwägung mit den Grundrechten der Assessorin unzureichend

Das BVerfG entschied nun, dass die Nichtzulassung seitens der RAK und die Entscheidung des AGH die Juristin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzen. Zwar seien RAK und AGH zutreffend davon ausgegangen, dass eine Einschränkung der freien Berufswahl nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Eine diesen Anforderungen entsprechende einzelfallbezogene Abwägung fehle allerdings, so die Karlsruher. Dabei äußerten die Richter keine Bedenken gegen die Würdigung der konkret herangezogenen Umstände zur Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit der Frau. Zwar könne ein festgestelltes Fehlverhalten nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände derart an Bedeutung verlieren, dass es der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr entgegensteht. Eine weiterhin bestehende Uneinsichtigkeit und Rechtfertigung der Tat könne sich aber gleichwohl zu Lasten eines Bewerbers auswirken. Eine ausreichende Abwägung der Grundrechte der Frau und den mit ihrer Zulassung verbundenen Gemeinwohlbelangen lasse sich aber nicht erkennen, befand das BVerfG. Allein die vorgenommene Würdigung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin mit der nicht näher begründeten Schlussfolgerung, dass sie für den Anwaltsberuf nicht tragbar sei, werde dem nicht gerecht. Der AGH hätte nach Auffassung der Karlsruher näher ausführen müssen, dass und warum davon auszugehen ist, dass die Frau im Falle einer Zulassung auf eine Art und Weise auftreten würde, die das Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft und eine funktionierende Rechtspflege beeinträchtigen könnte. Ein gegenüber den Interessen der Frau überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit habe nicht ohne weiteres auf der Hand gelegen, heißt es in dem Urteil.

"Unaufgeregter mit Engleisungen künftiger Juristen umgehen"

Das Gericht hob das Urteil des AGH auf und verwies die Sache dorthin zurück. Der Berufsrechtler Prof. Dr. Volker Römermann räumt der Assessorin gute Chancen in der zweiten Runde vor dem AGH ein. Die Entscheidung des BVerfG zeige, dass Anknüpfungspunkt "nicht die Würde, sondern eine nüchterne Prognose darüber" sei, ob die Kandidatin in Zukunft ihren Beruf korrekt ausübt oder ob zu erwarten ist, dass sie dauerhaft gegen elementare Pflichten verstößt. Martin W. Huff, Geschäftsführer und Sprecher der RAK Köln, sieht die Auffassung der RAK teilweise bestätigt. "Die Assessorin hatte die Auffassung vertreten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln überhaupt nicht berechtigt gewesen wäre, die strafrechtliche Verurteilung bei Ihrer Zulassung zu berücksichtigen. Dem stimmt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht zu", sagte er gegenüber LTO. Das BVerfG verlange nun eine intensivere Prognose im Hinblick auf ihr Verhalten bei Gerichten, Behörden und Mandanten. "Jetzt wird die erneute Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof in Hamm zeigen, wie weiter zu verfahren ist", so Huff. Römermann rechnet damit, dass es zur Zulassung der Kandidatin kommt: "Möge die Entscheidung dazu beitragen, dass Anwaltsgerichte künftig unaufgeregter mit Entgleisungen künftiger Juristen aus ihrer Ausbildungszeit umgehen und der Versuchung widerstehen, wolkige, womöglich emotionsgeladene Berufsrechtsbegriffe aus alter Zeit zur Grundlage existenzvernichtender Urteile zu machen", so Römermann.

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