Lebenslanges Lernen im Berufsalltag

Auch Bil­dung muss sinn­voll sein

Gastbeitrag von Dr. Roland KleinLesedauer: 6 Minuten

Weiter- oder Fortbildungen können zu ausgewachsenen Streitigkeiten führen. Denn wer trägt die Kosten, gibt es eine Freistellung und was ist mit anfallenden Überstunden? Roland Klein erklärt die Rahmenbedingungen.

Das Schlagwort vom lebenslangen Lernen ist in aller Munde. Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: "Lebensbegleitendes Lernen wird eine Grundvoraussetzung sein, um der Digitalisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt erfolgreich zu begegnen." Aber Fortbildung ist nicht nur sinnvoll, sondern für manche Berufe sogar eine normierte Pflicht. Dies gilt z.B. für Rechtsanwälte, wie ein Blick in § 43a Abs. 6 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zeigt. Dort heißt es unter Grundpflichten des Rechtsanwalts: "Der Rechtsanwalt ist verpflichtet sich fortzubilden." Doch hieraus folgt noch kein allgemeines Recht auf Fortbildung für alle Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber.

In den Bundesgesetzen begegnet einem die berufliche Fortbildung immer wieder, zuallererst natürlich im Berufsbildungsgesetz (BBiG), welches die berufliche Ausbildung, die Umschulung und die Fortbildung kennt. Unter Fortbildung sind dabei alle inner- wie außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen zu verstehen, die dazu dienen, bereits vorhandene berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, technischen Entwicklungen anzupassen oder beruflich aufzusteigen (wie z.B. die Erlangung eines Meistertitels im Handwerk).

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Förderung ja, bundesweiter Anspruch drauf nein

Der Gesetzgeber versucht, diese berufliche Fortbildung auf verschiedene Arten zu fördern: So können derartige Lehrgänge unter engen Voraussetzungen durch die Bundesagentur für Arbeit durch Übernahme von Kosten gefördert werden, siehe § 81 Sozialgesetzbuch (SGB) III. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer in Teilzeit dürfen nach den §§ 10 und 19 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hinsichtlich der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen nicht diskriminiert werden; hier geht es um die faire Chance aller Arbeitnehmer auf Teilnahme an Bildungsmaßnahmen.

Einen ähnlichen Gedanken verfolgt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das dem Betriebsrat betriebliche Mitbestimmungsrechte bei der Durchführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen in den §§ 96 bis 98 einräumt. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung zu beraten. Bei Durchführung externer Maßnahmen kann der Betriebsrat Vorschläge zu Teilnehmern machen und eine Einigung hierüber herbeiführen.

Doch keines dieser Gesetze gibt dem Arbeitnehmer einen allgemeinen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf bezahlte Freistellung oder Übernahme von Lehrgangskosten im Fall der Durchführung einer Fortbildungsmaßnahme.

Anspruch auf Freistellung nach Landesrecht

Einen Anspruch auf bezahlte Freistellung zwecks Teilnahme an Bildungsveranstaltungen enthalten demgegenüber die Gesetze der einzelnen Bundesländer, meist unter dem Stichwort "Bildungsurlaub" oder "Bildungszeit". Lediglich Sachsen und Bayern kennen keine derartige Regelung.

Die genannten Gesetze schreiben ein Recht auf bezahlte Freistellung vor, wenn die Arbeitnehmer an Bildungsmaßnahmen anerkannter Anbieter teilnehmen. Dabei muss die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung dienen. Daneben können je nach Bundesland auch andere Bildungszwecke zulässig sein, etwa politische Weiterbildung.

Im Detail unterscheiden sich die Regelungen von Bundesland zu Bundesland. In Berlin können bis zu zehn Tage bezahlte Freistellung in einem Zwei-Jahres-Zeitraum für Bildungsmaßnahmen beansprucht werden. In Baden-Württemberg gilt das Bildungszeitgesetz, das pro Jahr fünf Tage Anspruch auf bezahlte Freistellung gewährt, welche für berufliche Weiterbildung genutzt werden können. Erlaubt sind aber auch die politische Weiterbildung und die Qualifizierung für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten. Das zu zahlende Entgelt ist nach den Grundsätzen zu ermitteln und auszuzahlen, die aus dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG) bekannt sind. Bei allen genannten Gründen aber gilt: Die Kosten für die Bildungsmaßnahme selbst wie etwa die Teilnahmegebühren und Fahrtkosten muss jeder Arbeitnehmer aber selbst tragen.

Kanzleien großzügig bei fachlichen Fortbildungen

Bezahlte Freistellungsansprüche, die sich aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben, etwa aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, sind regelmäßig nach den einschlägigen Landesgesetzen auf die gesetzlichen festgelegten Tage für eine Freistellung anzurechnen. Die wollen vorhandene Ansprüche nicht noch vervielfachen, sondern vielmehr allen Arbeitnehmern einen Mindestanspruch einräumen.

Dort, wo es an entsprechenden tarifvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Vereinbarungen fehlt, hilft aber am Ende nur der Arbeitsvertrag bzw. eine entsprechende einzelvertragliche Zusage durch den Arbeitgeber.

Die gute Nachricht für Arbeitnehmer: In Zeiten des Fachkräftemangels haben die Arbeitgeber regelmäßig ein ausgesprochenes Interesse an regelmäßiger Fortbildung und sind bereit, entsprechendes Engagement durch Angebote zu fördern. So bieten auch viele Anwaltskanzleien eigens finanzierte interne wie externe Fortbildungsveranstaltungen an bis hin zum Erwerb von Fachanwaltstiteln. Nicht wenige Arbeitgeber, vom Mittelständler bis zum Dax-Unternehmen, werben um die begehrten Berufseinsteiger unter Verweis auf eigene systematische Fortbildungsprogramme. Auch im Gesundheitswesen wird um die dringend benötigten Fachkräfte mit attraktiven Bildungs- und Qualifizierungsangeboten geworben.

Rückzahlung bei zeitnahem Ausscheiden

Weil mit der Fortbildungsmaßnahme aber regelmäßig eine Reihe von Fragen zu klären ist, empfiehlt sich, für beide Seiten eine klare Vereinbarung zu Fortzahlung von Entgelt, Kostenübernahme oder Dauer der Maßnahme. Egal ob qualifizierte Pflegekraft oder Rechtsanwalt mit abgeschlossenem Lehrgang zum Fachanwalt für Steuerrecht: Wer als Arbeitgeber gerade einen Mitarbeiter gefördert hat, sieht es ungern, wenn dieser nach gerade erlangter Abschlussprüfung den Arbeitgeber wechselt. Ein derartiger Wechsel kann zwar nicht verhindert werden, wird aber durch Klauseln erschwert, die innerhalb eines definierten Zeitraums zwischen Abschluss der Maßnahme und Ende des Arbeitsvertrags eine zumindest teilweise Rückzahlung der übernommenen Kosten durch den Arbeitnehmer vorsehen.

Derartige Klauseln sind im Grundsatz von den Arbeitsgerichten anerkannt, sofern sie die Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber nicht überstrapazieren. Hierbei hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Faustformel entwickelt, die die Bindung an den Arbeitgeber an die Dauer der Fortbildung knüpft. Beispiel: Bei einer Fortbildung, die bis zu einem Monat dauert, kann die Bindung des Arbeitnehmers nur maximal sechs Monate betragen, während sie bei drei bis vier Monaten Fortbildungsdauer bis zu 24 Monate betragen darf. Wer also in letzterem Fall als Arbeitnehmer nach zwölf Monaten geht, muss noch die Hälfte der Kosten zurückzahlen, wer nach 24 Monaten geht, ist frei. Arbeitgeber sind gut beraten, derartige Klauseln auf Vereinbarkeit mit der geltenden Rechtsprechung prüfen zu lassen.

Förderung oder Abschied

Im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung kommt auch der Grundsatz der Gleichbehandlung zum Tragen. Wenn der Arbeitgeber einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern Leistungen im Bereich der Weiterbildung gewährt, darf er einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund, hiervon ausnehmen. Über diesen Umweg kann also der einzelne Arbeitnehmer im Einzelfall einen Anspruch erhalten, wenn er gegenüber anderen Kollegen benachteiligt wird.

Ohne explizite Vereinbarung bleibt es aber eine Frage des Einzelfalls, ob ein Arbeitnehmer mit Blick auf etwaige berufsrechtliche Fortbildungspflichten einen Anspruch auf Freistellung gegen seinen Arbeitgeber hat. In der Praxis stellt sich die Frage meist nicht: Die allermeisten Anwaltskanzleien dürften wenn nicht den Erwerb, so doch wenigstens den Erhalt des Fachanwaltstitels durch bezahlte Freistellung fördern, da sie andernfalls Gefahr laufen, ihre Fachkräfte auf einem zunehmend enger werdenden Arbeitsmarkt zu verlieren. Vergleichbares gilt auch für andere Branchen, die zunehmend vom Fachkräftemangel bedroht sind.

Weiterbildung auf Weisung?

Aber für eine Vereinbarung bedarf es immer beider Seiten. Ein Arbeitgeber, der auf die Qualifikation seiner Mitarbeiter angewiesen ist, wird sich mitunter auch die Frage stellen, ob er Mitarbeiter im Rahmen seines Weisungsrechts zu Weiterbildungsmaßnahmen nicht auch einseitig verpflichten kann. Dort, wo es eine Weiterbildungspflicht wie für Rechtsanwälte gibt, wäre dies durchaus denkbar. Aber auch in Bereichen wie in der IT-Branche kann die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen durchaus als Teil der Tätigkeit angesehen werden so z.B. für IT-Berater, die bestimmte Zertifizierungen erhalten müssen, um beim Kunden sinnvoll eingesetzt werden zu können. Die konkrete Fortbildungsmaßnahme muss dann aber auch vom arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbereich abgedeckt sein, um den Rahmen des vom Arbeitgeber zu wahrenden billigen Ermessens nicht zu überschreiten.

Sofern ein Weisungsrecht besteht, so muss die Maßnahme grundsätzlich während der Arbeitszeit stattfinden und die Kosten müssen vom Arbeitgeber übernommen werden. Überstunden wären ggf. ebenfalls zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen.

Umgekehrt besteht aber kein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, in jedem Fall seine Qualifikation auf Kosten des Arbeitgebers zu erhöhen – wer als Bürokaufmann eingestellt worden ist, muss seine Weiterbildung zum Diplom-Betriebswirt weiterhin nach Feierabend oder jedenfalls außerhalb der Arbeitszeit durchführen. Und auch ein Arbeitgeber wird eine entsprechende Maßnahme nicht durch Weisungsrecht erzwingen dürfen – egal wie gut gemeint diese Fördermaßnahme auch wäre.

Eigeninitiative der Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber durch sinnvolle Unterstützung gefördert und durch klare Absprachen abgesichert, sind noch immer der beste Weg, um hier zu einer für beide Seiten guten Lösung zu finden.

Der Autor Dr. Roland Klein ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei BEITEN BURKHARDT in Berlin. Er berät zu Fragen im gesamten Individual- und Kollektivarbeitsrecht und den entsprechend angrenzenden Feldern des Gesellschafts- und Sozialrechts.

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