Die Arbeit als Rechtsjournalist

Über­setzer für die Gesell­schaft

von Vanessa Meilin RolkeLesedauer: 6 Minuten

Richter, Anwälte und Notare – die wohl bekanntesten juristischen Berufe. Ein weiteres Berufsfeld ist der Journalismus. Welche Aufgaben Rechtsjournalisten haben und was man dafür mitbringen muss, hat Vanessa Meilin Rolke recherchiert.

Neuigkeiten aus der Jura-Welt unmittelbar miterleben und täglich über die unterschiedlichsten Fälle an den unterschiedlichsten Gerichten berichten – das ist der Job von Rechtsjournalisten. Wer sich für Jobs außerhalb vom Staatsdienst und der Kanzleienwelt interessiert, kann zum Beispiel in der Wahlstation im Referendariat ein neues Berufsfeld wie den Rechtsjournalismus erkunden.

Mögliche Ansprechpartner sind etwa ARD, ZDF, die LTO und Zeitungsverlage. Man sollte sich allerdings so früh wie möglich bewerben, denn die Plätze sind begrenzt und dementsprechend begehrt. Von Vorteil sind bereits absolvierte Praktika in der Medienbranche, freie Mitarbeit und auch Schreibproben. Natürlich spielt aber auch immer eine gehörige Prise Glück mit rein.

Um letztendlich als Rechtsjournalist zu arbeiten, muss man zumindest das Erste Staatsexamen mitbringen. Je nach Medienanstalt und konkreter Stelle ist auch das Zweite Staatsexamen nötig. So oder so ist das bessere Verständnis für Prozessgrundsätze, Verfahrensabläufe und Verhandlungstaktiken von Vorteil. Ein Volontariat wird nicht überall vorausgesetzt, ist aber natürlich gerne gesehen. Man kann direkt in eine Rechtsredaktion einsteigen, es geht aber auch über einen Einstieg in eine Wirtschafts- oder Umweltredaktion. Von dort aus kann man sich in spezifische rechtliche Themen einarbeiten und dann ggf. wechseln. Redaktionelle Arbeit kann sowohl beim Fernsehen als auch beim Radio oder bei Zeitungen stattfinden. Doch auch Podcasts gewinnen an Beliebtheit und werden zum neuen Ausspielmedium.

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"Etwas beitragen, was in der 'normalen' politischen Berichterstattung fehlt"

Jan Henrich von der Redaktion Recht und Justiz vom ZDF war schon immer an kreativer Medienarbeit interessiert. So war er während des Studiums bei freiwilligen Medienprojekten aktiv und hat bei einer Produktionsfirma hospitiert. Seine Wahlstation verbrachte er bei der ARD. Nach seinem Zweiten Staatsexamen absolvierte er noch ein Volontariat beim Saarländischen Rundfunk und arbeitet seitdem als Rechtsjournalist.

Seine Aufgabe ist es, komplexe juristische Sachverhalte in einer für den Bürger verständlichen Sprache wiederzugeben. Dabei liegt die besondere Herausforderung darin, den Inhalt kurz und knapp auf den Punkt zu bringen, sodass er in einem ein- oder zweiminütigen Beitrag gezeigt werden kann. Eigene Meinungen oder ausufernde Rechtsansichten finden hier selten Platz. "Die größte Aufgabe besteht in der Übersetzungsleistung", sagt Henrich. So können komplizierte Rechtsfragen greifbar gemacht werden.  

Auch Christian Rath, rechtspolitischer Korrespondent und freier Rechtsjournalist (u. a. für taz, Badische Zeitung und LTO), war bereits während seines Jurastudiums journalistisch tätig. Nach dem Examen begann er seine Karriere im rechtspolitischen Journalismus. "Die Verbindung von Recht und Politik ist besonders in Deutschland wichtig. Als juristisch ausgebildeter Journalist kann ich etwas beitragen, was in der normalen politischen Berichterstattung fehlt", so Rath.  

Damit spricht er auch die Komplexität des Berufs an. Neben der Übersetzungsleistung gelingt es guten Rechtsjournalisten, in ihren Beiträgen dennoch die rechtlichen Grundlagen so darzustellen, dass Juristen eine erste Bewertung für sich vornehmen können.  

"Unmittelbar dabei, wenn es um die höchste Rechtsprechung geht"

Die Arbeit als Rechtsjournalist ist vielfältig wie spannend. Den Anfang bildet regelmäßig die Recherchearbeit. Die Redakteure informieren sich umfassend über den Fall und durchdringen dabei den rechtlichen Aspekt. Die Berichterstattung unterscheidet sich je nach Ausspielkanal.  

Beim Fernsehen gilt es, die passenden Bilder und Beteiligten zu finden und möglicherweise sogar vor die Kamera zu bringen, sofern man dies verantworten kann – Stichwort: Persönlichkeitsrechte. Für Nachrichtensendungen muss der Beitrag schnell getextet, vertont und geschnitten werden. Für ein Verbrauchermagazin darf der Beitrag auch mal länger sein, wird anders aufbereitet und hat meist keine so knapp bemessene Deadline.

Nirgendwo ist man als Jurist so nah dran am aktuellen Rechtsgeschehen, wie als Rechtsjournalist – und das nicht nur, wenn man am betreffenden Fall mitwirkt, sondern immer und überall. "Besonders gefällt es mir, regelmäßig unmittelbar dabei zu sein, wenn es um die höchste Rechtsprechung des Landes geht", sagt Henrich. Jura sei ein für ihn sehr spannendes Feld, er fand es schon immer faszinierend, das Konstrukt zu durchdringen, das die Gesellschaft verbinde. Außerdem sei man viel unterwegs und könne interessante Geschichten hautnah und persönlich erleben. Ihn überrascht es, dass bei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, die Auswirkungen auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben können, häufig kaum Journalisten anwesend sind.  

Passt das Stresslevel zum Gehalt?

Die Arbeit als Rechtsjournalist ist aufregend, kann aber auch sehr stressig sein. Man steht unter permanentem Zeitdruck. Oftmals kommen alle wichtigen Urteile eines Tages zur gleichen Zeit am Vormittag und bis zu den Mittagsnachrichten muss bereits ein Zwei-Minuten-Beitrag aufgenommen, vertont und geschnitten worden sein. Das sei aber ein guter Antrieb, um fertig zu werden, sagt Henrich.  

Auch die Vergütung spielt für viele eine wichtige Rolle, wenn es um die Berufswahl geht. Als (Voll-)Jurist verdient man je nach Branche hohe, nicht mehr greifbare Summen. Im klassischen Journalismus sieht das anders aus. Als Rechtsjournalist wird man sich wohl in der Mitte treffen. Das ZDF hat eine eigene Vergütungstabelle. Auch die ARD veröffentlicht regelmäßig Gehälter und Vergütungen ihrer Mitarbeiter. Ergattert man eine der beliebten Festanstellungen, kann man mit einem Gehalt ähnlich wie in der Justiz oder dem öffentlichen Dienst rechnen. Häufig steigt man aber als freier Mitarbeiter ein und kann unter Umständen später fest angestellt werden.

Da es an relevanten rechtspolitischen Themen nicht mangelt, ist die Auftragslage auch als freier Journalist gut, erklärt Rath. Dafür muss man sich allerdings auch ins Zeug legen: Themen erkennen, recherchieren und verkaufen sind dabei besonders wichtig. Das gilt allerdings für alle Journalisten.  

Eine besondere Quelle

Doch Journalismus und Jura finden nicht nur in Form eines Rechtsjournalisten zusammen. Es gibt auch die Arbeit des Gerichts-Pressesprechers. Dieser braucht dafür keine gesonderte Ausbildung, sondern die Aufgaben übernehmen Richter neben ihrem Richterjob. Ein Teil ihrer Arbeitszeit ist dann für die Pressearbeit reserviert.

In Bayern etwa gilt ein Rotationssystem, bei dem ein Jurist seine Position in der Justiz alle paar Jahre wechselt. So startet man als Staatsanwalt und wird irgendwann Richter in Zivil- oder Strafsachen. Hinzukommen dann sogenannte Verwaltungsaufgaben, etwa die Arbeit als Pressesprecher. Tina Haase, die seit April 2022 Pressesprecherin des Oberlandesgerichts Nürnberg-Fürth ist, ist auch noch als Richterin tätig. Dabei geht es bei ca. 60 Prozent ihrer Arbeit um Pressearbeit, die restliche Zeit geht sie ihrer Richtertätigkeit nach. Je nach Dienstalter kann man dann in die Besoldungsstufen R1 oder R2 kommen.  

Als Pressesprecherin geht es vor allem darum, das neutrale Sprachrohr des Gerichts zu sein, ohne dabei eine Einordnung oder Wertung abzugeben. Es geht um reines Auskunftsersuchen. Das Gericht verfügt über alle relevanten Informationen. Dies bringt auch eine gewisse Verantwortung mit: Es muss strengstens darauf geachtet werden, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren, insbesondere dann, wenn es sich um nicht-öffentliche Verhandlungen gehandelt hat, beispielsweise in Strafverfahren gegen Jugendliche.

Auch die Pressesprecher müssen komplexe Themen einfach erklären und so die Rechtsprechung für die Pressevertreter "übersetzen". Viele Journalisten haben keinen juristischen Hintergrund, deshalb ist es wichtig, dass auch sie die Entscheidungen verstehen können. Hilfreich war für Haase, dass Sie früher hauptamtlich Arbeitsgemeinschaften (AG) für Referendare geleitet hat. Auch als AG-Leiterin musste sie komplexe juristische Fragen für die Referendare verständlich erklären.

"Irgendwas mit Medien"

Rechtsjournalismus zeichnet sich vor allem durch Themenvielfalt, Abwechslung und kreatives Arbeiten aus. Das kann man wohl nicht von allen juristischen Berufen behaupten. Hinzukommt, dass man als Journalist überall anrufen und seine Fragen stellen kann – und mit etwas Glück bekommt man auch zeitnah Antworten.

Je nach Kanal kann man sich unterschiedlich kreativ austoben. Kamerascheue Menschen können auch ausschließlich für Print- und Online-Medien Texte verfassen.  

Für Juristen, die nicht gerne telefonieren, ist der Job wohl eher weniger geeignet. Sowohl Rechtsjournalisten als auch Pressesprecher müssen viele Anfragen telefonisch erledigen, da man so die gewünschten Informationen am schnellsten erhält bzw. vermitteln kann.  

Wer sich noch nicht sicher ist, sollte es einfach mal versuchen. Mit etwas Glück findet man sich in einem spannenden Feld wieder und darf möglicherweise eines Tages auf die Frage, was man denn beruflich mache, mit: "Irgendwas mit Medien" antworten.

Vanessa Meilin Rolke ist derzeit Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht Nürnberg-Fürth. Während ihres Studiums hat sie ein Praktikum beim ZDF, u.a. in der Redaktion Recht und Justiz, absolviert.

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