Neue Haftungsbeschränkung für Rechtsanwälte

BMJ präsentiert die deutsche Antwort auf die englische LLP

Prof. Dr. Martin HensslerLesedauer: 4 Minuten
Lange haben die Berufsverbände gekämpft, nun ist es so weit: Ein Referentenentwurf bietet vor allem Anwälten die Möglichkeit, künftig jede persönliche Haftung für berufliche Fehler auszuschließen. Bekanntlich ist nichts im Leben umsonst, aber die Neuregelung ist ebenso ausgewogen, wie sie überfällig war, kommentiert Martin Henssler.

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Am 15. Februar hat das Bundesjustizministerium (BMJ) den lang erwarteten Referentenentwurf eines Gesetzes "zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater" vorgestellt. Das Konzept ist das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit vor allem anwaltlicher Berufsverbände, auf deren Entwürfen er basiert. Es sieht vor, neben das derzeitige Modell der Partnerschaftsgesellschaft eine zweite Variante zu stellen, nämlich eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung. In ihr sollen die Angehörigen der Freien Berufe künftig jede persönliche Haftung für berufliche Fehler ausschließen können. Umsonst ist das Haftungsprivileg freilich nicht: Im Gegenzug muss die Gesellschaft eine für diesen Zweck in den jeweiligen Berufsgesetzen vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung unterhalten. Außerdem müssen die Berufsträger durch einen Rechtsformzusatz wie etwa mbB für "mit beschränkter Berufshaftung" die Haftungsbegrenzung in ihrem Namen nach außen dokumentieren.

Sicherung der Verbraucherinteressen durch Versicherungsschutz

Speziell für die Rechtsanwälte gewährt das Reformgesetz einen weiteren wichtigen haftungsrechtlichen Vorteil. Wie bislang schon Steuerberater und Wirtschaftsprüfer können sie künftig in allgemeinen Mandatsbedingungen ihre Haftung für Berufsfehler auch für Fälle grober Fahrlässigkeit einschränken. Dazu müssen sie eine Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von mindestens einer Million Euro unterhalten. Das BMJ setzt damit ganz auf versicherungsrechtliche Lösungen, um die Mandanten beziehungsweise Verbraucher vor Nachteilen durch die beschränkte Haftung zu schützen. Der Druck auf den Gesetzgeber, das Recht der freiberuflichen Berufsausübungsgesellschaften zu reformieren, war in den vergangenen Jahren gewachsen.

Freie Berufe: Ohne Gewerbe keine Haftungsbeschränkung

Bei allen Freien Berufen, insbesondere aber in der Anwaltschaft, war der Ruf nach einer hybriden Gesellschaftsform laut geworden, in der die Gesellschafter in den Genuss der für Personengesellschaften typischen transparenten Besteuerung kommen, zugleich aber ihre Haftung für berufliche Fehler wie in einer Kapitalgesellschaft ausschließen können. Der Weg über die GmbH & Co. KG, den gewerbliche Unternehmen regelmäßig wählen, ist den Freien Berufen grundsätzlich verwehrt. Die KG als Handelsgesellschaft muss ein Gewerbe betreiben, wie der BGH erst jüngst für die Rechtsanwalts GmbH & Co. KG bestätigt hat. Sowohl bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) als auch beim Deutschen AnwaltVerein (DAV) hatten sich verschiedene Gremien mit der Novellierung des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (PartGG) befasst und Gesetzesvorschläge unterbreitet, die das BMJ nun aufgegriffen hat.

Reformdruck durch Flucht in die LLP

Das derzeitige Modell der PartG kann mit der LLP, ihrem englischen Wettbewerber, ersichtlich nicht konkurrieren. Es konzentriert zwar in § 8 Abs. 2 PartGG die Haftung auf den handelnden Gesellschafter, stellt damit aber nur diejenigen Partner von der Verantwortung frei, die in die Auftragsbearbeitung nicht eingeschaltet waren. Das BMJ sieht vor allem in Großkanzleien praktische Schwierigkeiten. Die Law Firms lassen Aufgaben von größeren Teams innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft bearbeiten, so dass die Vorteile der Haftungskonzentration nur sehr beschränkt greifen. Zwar ist immer noch nicht abschließend geklärt, wie weit der Haftungsvorteil einer englischen LLP tatsächlich reicht, wenn die Gesellschafter in Deutschland tätig werden. Die LLP kennt grundsätzlich keine persönliche Haftung der Gesellschafter, jedoch haften Rechtsanwälte nach englischem Recht stets nach deliktsrechtlichen Grundsätzen (tort of negligence) persönlich für Fehler während der Mandatsbearbeitung. Ob sie diese Haftung bei einem Auftreten in Deutschland vollständig abstreifen können, ist umstritten. Dennoch wird die LLP immer beliebter. Zugleich hatten jene Großkanzleien, die bislang noch eine deutsche Rechtsform präferieren, nachdrücklich eine Reform angemahnt.

Erfolg engagierter Lobbytätigkeit der Anwaltsverbände

Der nun vorgestellte Entwurf enthält klare Verbesserungen gegenüber der bisherigen Partnerschaft, die als "Normalfall" fortbestehen soll. Das Konzept, die für die Mandanten durch die Haftungsbegrenzung entstehenden Nachteile durch einen angemessen erhöhten Versicherungsschutz zu kompensieren, ist ausgewogen. Der Entwurf ermöglicht den Berufsträgern ein klares und rechtssicheres Risikomanagement. Gleichwohl lässt er Fragen offen. Anders als bei der LLP, die alle, also auch gewerbliche Unternehmer gründen können, sollen in den Genuss des neuen Haftungsbeschränkungsprivilegs nur die Freien Berufe kommen. Innerhalb dieser Gruppe werden wiederum nur wenige Berufe erfasst, nämlich zunächst nur Rechtsanwälte, Patentanwälte und die zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugten Personen. Die Regelung im PartGG läuft nämlich leer, wenn sie nicht von Vorschriften im jeweiligen landes- oder bundesrechtlichen Berufsgesetz flankiert wird. Diejenigen Freien Berufe, die  kein eigenes Berufsrecht kennen, bleiben also außen vor. Einmal mehr hat sich damit die engagierte, effektive und nun erfolgreiche berufspolitische Verbandstätigkeit der  Berufsverbände der Anwaltschaft ausgezahlt.

Generelle Neuordnung für Personengesellschaften überfällig

Der Reformvorschlag ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer grundlegenden Neuordnung des Rechts der Personengesellschaften. Derzeit existiert weder ein in sich stimmiges Gesamtsystem personalistisch strukturierter Gesellschaftsformen, das den Bedürfnissen der Praxis gerecht würde, noch sind die einzelnen personengesellschaftsrechtlichen Rechtsformen überzeugend ausgestaltet. Die Flucht in ausländische Rechtsformen ist ausgeprägt. Die Personengesellschaft für gewerbliche Unternehmen lebt nur in einer im Gesetz lediglich am Rande angesprochenen Mischform, nämlich der GmbH & Co. KG weiter. Das Recht der BGB-Gesellschaft in den §§ 705 ff. Bürgerliches Gesetzbuch ist bloß noch die antiquierte Ruine eines Rechtsgebietes, in dem sich der Rechtsanwender nur zurechtfindet, wenn er die Rechtsprechung kennt, die sich vom Wortlaut des Gesetzes weitgehend gelöst hat. OHG und KG hinken mit der überholten Anknüpfung an den Kaufmannsbegriff der internationalen Rechtsentwicklung und dem Bedarf der Praxis weit hinterher. Die für sich genommen überzeugende Novellierung des PartGG kann damit nur eine Teillösung sein, weitere Reformanstrengungen des Gesetzgebers sind überfällig. Der Autor Prof. Dr. Martin Henssler ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln sowie des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln.

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