Als Akku unter Windrädern
Die Unterscheidung zwischen "nach außen gerichteten" und "nach innen gerichteten" Menschen ist nicht neu. Bereits vor knapp 100 Jahren befasste sich C.G. Jung mit den unterschiedlichen Persönlichkeitstypen. Heute lassen sich sogar hirnphysiologische Eigenschaften feststellen, die belegen, dass so genannte "Intros" und "Extros" unterschiedlich ticken. So haben Introvertierte im wahrsten Sinne des Wortes eine lange Leitung in Form von längeren Nervenbahnen und reagieren langsamer als ihre extrovertierten Zeitgenossen. Am Ende der Bemühungen, neurophysiologische Unterschiede zwischen "Intros" und "Extros" auszumachen, stand das Ergebnis, dass für "Intros" Sicherheit und Beständigkeit wichtig sind, während "Extros“ von Stimulation und Belohnung zehren. Besonders anschaulich wird der Unterschied, wenn man beobachtet, aus welchen Freizeitaktivitäten ein Mensch seine Energie bezieht. Der "Extro" verschwindet nach einem langen Arbeitstag für zehn Minuten nach Hause, um Hemd und Krawatte gegen T-Shirt und Shorts zu tauschen und taucht in die nächste Grillparty ein. Währenddessen ist der "Intro" froh, wenn hinter ihm die Haustür zufällt und ihm beim Lesen auf dem Sofa niemand mehr in die Quere kommt. Löhken vergleicht ihn mit einem Akku: Er muss sich aufladen. Den "Extro" könne man hingegen mit einem Windrand vergleichen. Er bezieht seine Energie von außen. Der Kontakt mit anderen Menschen ist die Brise, die seine Blätter zum Rotieren bringt.
Tipps für den Berufsalltag
Der Unterschied zwischen beiden Gruppen im Berufsleben lässt sich während Meetings beobachten. Für "Extros" stellt es keine besondere Herausforderung dar, ihre Interessen zu vertreten, Stellung zu beziehen oder Einschätzungen abzugeben. Ausgeprägt Extrovertierte nutzen derartige Gelegenheiten sogar ganz bewusst, um auf die eigene Leistung hinzuweisen und sich im Zuge des Austauschs selbst zu vermarkten. Dass der "Intro" in dieser Situation oft das Nachsehen hat, liegt nicht daran, dass er ideenlos ist. Es ist auch nicht zwingend so, dass er keinen Input beisteuern mag. Aber er braucht einen Moment länger, um einen Gedanken zu fassen, den er selbst als fruchtbar genug erachtet, ihn mit anderen zu teilen. Laut zu denken, wie es für "Extros" nicht ungewöhnlich ist, fällt ihm schwer. Um auf dem Radar von Vorgesetzten und Kollegen zu bleiben, ist es allerdings wichtig, sichtbar zu sein, Inhalte beizutragen und die eigene Kompetenz zu zeigen. "Extros" können nicht ahnen, was für Ideen ihre stillen Gegenüber haben. Löhken rät "Intros", sich auf Meetings ausgiebig vorzubereiten und sich zu informieren, was genau auf der Tagesordnung steht. Auf diese Weise können sie eventuelle Gesprächssituationen vorhersehen und mit ausgereiften Gedanken aufwarten. Diese dann zu formulieren wird für sie eine weniger große Herausforderung darstellen, als unreflektiert nach außen treten zu müssen. So wichtig Meetings sind - Entscheidungen werden in der großen Runde nicht selten nur noch formal getroffen. Wer wirklich Einfluss nehmen will, kontaktiert Entscheidungsträger bereits im Vorfeld. Für den "Intro" bedeutet das zwar, die Initiative ergreifen zu müssen, allerdings kann er gerade hier kontrolliert und gezielt Beiträge einbringen. Und genau diese Kontrolle und Sicherheit ist es ja, durch die er sich wohl fühlt. Ein weiterer Tipp der Expertin lautet, auch als "Intro" Networking zu betreiben. Ohne gute Kontakte kann die Karriere-Leiter schnell kurz werden. Auch hier ist wieder entscheidend, sich vorzubereiten, anstatt eine Veranstaltung zu schwänzen. Wen möchte ich kennen lernen? Wer kann uns eventuell bekannt machen? Auf diese Weise kann man im Vorfeld abstecken, welche Situationen auf einen zukommen.Stärken der Stillen
Dass "Intros" einen Moment länger brauchen, um einen Gedanken zu äußern, ist nicht nur ein Nachteil gegenüber vorpreschenden Kollegen, sondern kann auch ein Vorteil sein, wenn es um Qualität geht. Vorsicht, Konzentration, Beharrlichkeit und Einfühlungsvermögen sind Stärken von Introvertierten, die ihrer Arbeit einen hohen Wert verleihen. Selbstverständlich gibt es im Arbeitsalltag Situationen, in denen schnell eine Entscheidung getroffen und auch umgesetzt werden muss. Es bietet sich an, in solchen Momenten den "Extro" vorzulassen. Erfolgreiche Teamarbeit zeichnet sich dadurch aus, die unterschiedlichen Stärken so miteinander zu kombinieren, dass sie zu besseren Ergebnissen führen, als wenn nur ein Persönlichkeitstyp vertreten wäre. Genauso gibt es Situationen, in denen die klassischen Stärken der "Intros" gefragt sind. Manchmal braucht man dringend einen "Dickbrettbohrer", wie Löhken es nennt, wenn Ausdauer gefragt ist. Den "Extro" kostet es deutlich mehr Energie, konzentriert und allein einer Sache auf den Grund zu gehen.Wie viel "Intro" steckt in mir?
Trotzdem in unserer Kultur extrovertierte Personen im Mittelpunkt stehen, kann jeder "Intro" in gleichem Maße erfolgreich sein, wenn er seine Stärken nutzt und authentisch bleibt. Es ist nicht nötig, in jeder denkbaren Situation darauf hinzuweisen, was man leistet. Entscheidend ist es für Introvertierte, sich Aufgaben zu suchen, in denen die eigenen Stärken wertvoll sind und sich im richtigen Moment ohne Unbehagen zu präsentieren. Ein stark introvertierter Jurist sollte vielleicht nicht Prozessanwalt werden, sondern eher in die Mediation gehen. Den hundertprozentigen "Intro" gibt es sowieso nicht. Jeder Mensch besitzt sowohl introvertierte als auch extrovertierte Züge. Laut Löhken haben in unserer Kultur gut die Hälfte der Menschen eine introvertierte Tendenz. Es lohnt sich also, zu reflektieren. Denn wer sich selbst kennt, kann seine Karten optimal ausspielen. Mehr im Internet: Online-Selbsttest – Introvertiert oder extrovertiert?Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2012 M09 11
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