Kanzleiwechsel von Anwälten: Von Mandantenschutzklauseln bis zur Vertragsstrafe

Das Geschäft bleibt hier!

von Dr. Markus JankoLesedauer: 6 Minuten

Der Wechsel eines Anwalts in eine andere Kanzlei kann wirtschaftlich schmerzhaft sein. Bitter wird es, wenn er dann noch die besten Mandate mitnimmt. Markus Janko zeigt die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten auf, die sich insbesondere Kanzleien bieten.

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Schon der Verlust weniger lukrativer Mandate kann, je nach Struktur, existenzbedrohlich für eine Kanzlei sein. Gerade kleinere Einheiten sind oft von einigen wenigen Großmandaten wirtschaftlich abhängig. Für den Fall des Ausscheidens von angestellten Anwälten können Kanzleien rechtzeitig Vorsorge treffen, damit neben anwaltlichem Know-how nicht auch Geschäft verloren geht.

Praktisch kommen diverse Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht: Mandantenschutzklauseln oder Abwerbeverbote können eine Mitnahme von Mandaten verhindern, Mandantenübernahmeklauseln führen jedenfalls zu einer finanziellen Entschädigung. Die Rechtsprechung stellt allerdings an die Gestaltungen hohe Anforderungen und wirksamer Schutz ist oft teuer.

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Trennung für zwei Jahre

Ein probates Mittel, um die Mitnahme von Mandanten zu verhindern, sind Mandantenschutzklauseln. Bei deren Gestaltung sind nach der Rechtsprechung zunächst die gegenläufigen Interessen von Kanzlei und ausscheidendem Anwalt zu berücksichtigen. Die "verlassene Kanzlei" wird argumentieren, dass das Mandat wegen ihres guten Rufes zustande gekommen sei. Der "untreue Anwalt" wird der Auffassung sein, dass gerade seine spezifische Beratungsleistung entscheidend für die Mandatsbeziehung sei.

Ein angemessener Interessenausgleich muss insbesondere den Anforderungen an nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) genügen. Mandantenschutzklauseln können nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren wirksam vereinbart werden. Danach, so der Bundesgerichtshof (BGH), werden sich die Mandantenbeziehungen typischerweise so weit gelockert haben, dass der ausgeschiedene Anwalt wie ein normaler Wettbewerber zu behandeln ist (Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98). Danach können Mandat und "Lieblingsanwalt" wieder zueinander finden.

If you pay peanuts, you’ll get monkeys

Weiterhin müssen Mandantenschutzklauseln eine Karenzentschädigungszusage von mindestens 50 Prozent der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen enthalten. Ist eine geringere Karenzentschädigung vereinbart, ist die Mandantenschutzklausel zwar wirksam, aber unverbindlich. Das bedeutet: Der ausscheidende Anwalt muss sich nicht daran halten. Hält er die unverbindliche Mandantenschutzklausel aber freiwillig ein, hat er nur Anspruch auf die eigentlich zu niedrige Karenzentschädigung (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 21.04.2010, Az. 10 AZR 288/09). Dies kann für Anwälte lukrativ werden, die nach ihrem Wechsel wirtschaftlich nicht mehr erfolgreich sind.

Wenn hingegen überhaupt keine Karenzentschädigungszusage vereinbart ist, ist die Mandantenschutzklausel nichtig. Bloß befinden sich in Formularverträgen häufig salvatorische Klauseln. Nach einer neueren Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm (Urt. v. 05.06.2015, Az. 10 Sa 67/15) kann eine solche ein nichtiges Wettbewerbsverbot heilen. Folge: Der ausgeschiedene Anwalt kann eine Karenzentschädigung verlangen, selbst wenn kein alter Mandant mit ihm weiterarbeiten möchte und sich die Problematik für die Kanzlei faktisch gar nicht stellt.

Umgekehrt dürfte die frühere Kanzlei den ausgeschiedenen Anwalt trotz salvatorischer Klausel aber nicht zur Einhaltung einer nichtigen Mandantenschutzklausel verpflichten können. Dies auch nicht gegen (nachträgliche) Zahlung einer Karenzentschädigung.

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2/2: Trick der Mandatskündigung

Auch bei einer wirksamen Mandantenschutzklausel kann ein strategisches Vorgehen des wechselwilligen Anwalts für die verlassene Kanzlei Unsicherheit und hässlichen Streit um das Mandat bringen. Der Weg ist bei einer Vertrauensbeziehung zum Mandanten einfach: Er muss nur dafür sorgen, dass der Mandant die Mandatsbeziehungen noch vor seinem Ausscheiden beendet.

Inhaltlich dürfen sich Mandantenschutzklauseln nämlich lediglich auf den im Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Mandantenstamm beziehen. Mandatsbeziehungen, die bereits vor Ausscheiden des Anwalts endgültig beendet waren, können nicht wirksam geschützt werden. Denn dann nutzt der wechselnde Anwalt nicht den guten Ruf der ehemaligen Kanzlei aus, sondern kann sich das Mandat als eigenen Akquisitionserfolg zuschreiben.

Das bringen wir vor die Anwaltskammer!

Auch mit Abwerbeverboten wäre diesem Vorgehen nicht beizukommen: Diese verbieten dem ausscheidenden Anwalt lediglich ein gezieltes Ansprechen von Mandanten seiner ehemaligen Kanzlei mit dem Ziel, sie abzuwerben.

Sofern vertraglich vereinbarte Abwerbeverbote inhaltlich bereits aus dem Standesrecht folgen, können sie ohne Entschädigungspflicht vereinbart werden, sie sind dann rein deklaratorischer Natur. Allerdings gebiete die Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG) – so Rechtsprechung und Literatur – diese Verbote nicht zu streng zu sehen. Für Rechtsanwälte gilt: Trotz des in § 43 b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verankerten Verbotes einzelmandatsbezogener Werbung soll sachliche Informationswerbung mittlerweile zulässig sein, sofern Interessen des Mandanten und der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. I ZR 15/12). Damit unterliegt anwaltliche Werbung im Wesentlichen nur noch den Beschränkungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Das Standesrecht lässt Werbung in einem gewissen Maße also zu – somit auch die Information des Mandanten, dass der Anwalt die Kanzlei verlässt und wo er künftig tätig sein wird. Wird derartiges verboten, wäre dies ein zu streng gefasstes Abwerbeverbot, das nicht mehr vom Standesrecht gedeckt wäre. Konsequenterweise hätte dies eine Entschädigung analog der §§ 74 ff. HGB zur Folge.

Mandat mitnehmen und zahlen

Doch auch der Ausscheidende kann mal zahlen müssen, und zwar bei Mandantenübernahmeklauseln: Der Anwalt nimmt sein Mandat mit und zahlt seiner ehemaligen Kanzlei eine finanzielle Entschädigung. Der Vorteil ist, dass diese Mandantenübernahmeklauseln kein Konkurrenzverbot beinhalten und daher nicht den strengen Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach §§ 74 ff. HGB unterliegen.

Die vereinbarte Zahlungsverpflichtung darf den ausscheidenden Anwalt jedoch nicht finanziell so stark belasten, dass sich die Mandatsbearbeitung wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Dann stellen Mandantenübernahmeklauseln eine unzulässige Umgehung der Vorschriften über nachvertragliche Wettbewerbsverbote dar.

Zudem darf der Zeitraum, für den eine Entschädigung zu zahlen ist, also die Bindungsdauer, nicht zu lang sein. In Anlehnung an die Vorschriften über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wären nach dem BAG mehr als zwei Jahre unangemessen. Danach sei der Verbleib des Mandanten nicht mehr auf den Erfolg der früheren Kanzlei, sondern auf die eigenen Leistungen des Anwalts zurückzuführen (vgl. Urt. v. 07.08.2002, Az. 10 AZR 586/01). Mit Blick auf die Höhe wird häufig eine Entschädigungsquote von 20 Prozent für angemessen gehalten. Gesicherte Rechtsprechung gibt es hierzu jedoch nicht.

Vorsicht ist in jedem Fall bei der Gestaltung geboten: Denn unwirksam ist nach der Rechtsprechung des BAG, wenn der ausscheidende Rechtsanwalt ausnahmslos 20 Prozent der zukünftig erwirtschafteten Nettohonorare abzuführen hätte (Urt. v. 11.12.2013, Az. 10 AZR 286/13). Eine solche pauschale Klausel würde nämlich auch dann gelten, wenn der Rechtsanwalt zukünftig nicht als selbstständiger, sondern als angestellter Rechtsanwalt in einer Kanzlei tätig werden möchte. Die neue Kanzlei könnte sich aufgrund einer solchen Verpflichtung gegen eine Anstellung des Rechtsanwalts entscheiden. Er wäre also in seinem beruflichen Fortkommen behindert. Eine Lösung für Kanzleien ist, die Mandantenschutzklausel auf den Fall zu beschränken, dass der ausscheidende Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit außerhalb eines Angestelltenverhältnisses fortsetzt.

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3/3: Strafe muss sein

Zur effektiven Durchsetzung der Verbote bietet sich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung an. Denn ein konkreter Schaden wird oftmals nicht dargelegt werden können. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe entfaltet jedenfalls abschreckende Wirkung. Die Strafe darf jedoch nicht zu hoch angesetzt werden. Denn sie kann unangemessen benachteiligend sein, sofern sie eine unzulässige Übersicherung der Kanzlei darstellt.

Neben allen Gestaltungsmöglichkeiten kann eine großzügige Freistellung des wechselwilligen Anwalts der Königsweg sein, um Mandanten zu halten. Dieser darf sich dann aber nicht mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Freistellung wehren.

Die heimliche Mandatsbearbeitung

Praktisch wird eine Freistellung regelmäßig darauf hinauslaufen, dass der Anwalt dann von zu Hause aus weiter arbeitet. Zwar sind einstweiliger Rechtsschutz, Kammerverfahren und Schadensersatzansprüche als Reaktion der Kanzlei denkbar. Doch diese Maßnahmen bündeln nur Kapazitäten und sichern kein Mandat. Effektiver wäre daher ein Widerruf der Freistellung, um wieder die Kontrolle zu erlangen. Wichtig ist dafür, dass die Freistellung im Vorfeld widerruflich erfolgt ist und die Kanzlei nicht auf die Geltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots (§ 60 HGB) verzichtet hat. Dies kann unbeabsichtigt durch eine ungeschickte Formulierung des Freistellungsschreibens auch konkludent passieren.

Am besten funktioniert Mandantenschutz, wenn sich die vom Anwalt verlassene Kanzlei auf ihre Stärken konzentriert und potentiell wechselwillige Mandanten von einem Bleiben oder einer Rückkehr überzeugt. Kanzleien sollten sich zudem genau überlegen, welche Regelungen auf ihre Situation passen und entsprechenden Regelungs- und Handlungsbedarf von Anwalt zu Anwalt prüfen. Dann gilt für die verlassene Kanzlei auch nach dem Verlust eines Anwalts: "Lebbe geht weider."

Der Autor Dr. Markus Janko ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei Kliemt & Vollstädt, eine der führenden auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland. Er ist im Düsseldorfer Büro der Kanzlei tätig. Er berät Unternehmen bundesweit vor allem bei arbeitsrechtlichen Restrukturierungen.

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