Juniorprofessur an Juristischen Fakultäten

Lehr­stuhl ohne Habi­li­ta­tion?

von Hermann HorstkotteLesedauer: 4 Minuten
Juniorprofessuren sollen ein modernes Sprungbrett für Hochschullehrer sein. Doch faktisch braucht man immer noch die traditionelle Habilitation. Auch aktuelle Reformvorschläge verleihen kaum mehr Sprungkraft, meint Hermann Horstkotte.

Wer von Beruf Jura-Professor auf Lebenszeit werden will, muss sich dafür nach der Promotion gewöhnlich über die Hochschullehrerprüfung, die Habilitation, weiterqualifizieren. Das tun meist wissenschaftliche Mitarbeiter auf befristeten Unistellen oder Akademische Räte auf Zeit – aber durchweg auch "Juniorprofessoren". Ihr Amt, in der Regel auf sechs Jahre bemessen, gibt es erst seit 2002, als das Hochschulrahmengesetzes des Bundes novelliert wurde. Die Juniorprofessur sollte jungen Wissenschaftlern mit herausragender Promotion ermöglichen, ohne eine Habilitation direkt unabhängig forschen und lehren zu können. Die Stelle sollte eine mindestens gleichwertige Alternative zur Habilitation darstellen und ihre Amtsträger nach einer erfolgreichen Amtszeit für die Berufung auf eine Lebenszeitprofessur qualifizieren. Ursprünglich sollte es daher gerade nicht als Chance zu einer zweigleisigen Qualifikation auf neuem wie vorsichtshalber auch altem Weg dienen. Jedoch erwarten das offenbar sowohl die Rechtsprofessoren als auch ihre Schüler. Denis Basak, Akademischer Rat in Frankfurt a.M., bemerkt etwa: "Da in späteren Berufungsverfahren die Konkurrenten durchweg eine Habilitationsschrift vorweisen und Lehrleistungen von meist vier Wochenstunden hierzulande nicht als Kompensation für ein 'Weniger' an wissenschaftlichen Veröffentlichungen anerkannt werden, sitzen praktisch alle Juniorprofessoren, die ich kenne, auch an einer Habil. oder haben sie sogar schon."

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Raus aus der "Abhängigkeit"

Hingegen hatte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, das Habilitationsverfahren vor Jahren als "Herrschaftsinstrument" der Lehrstuhlinhaber zur Wahrung persönlicher Abhängigkeiten gebrandmarkt, durch das "die Selbstständigkeit des Wissenschaftsnachwuchses behindert oder verzögert" werde. Um vom alten Trott wegzukommen, sollten nach hochschulpolitischen Wunschvorstellungen bis 2010 in allen Uni-Fächern zusammen sechstausend Juniorprofessuren geschaffen werden. In Wirklichkeit kam es anders: Derzeit gibt es gerade mal 1.500 Stellen, davon laut Fakultätentag knapp fünfzig in den Rechtswissenschaften. Während der sechsjährigen Bewährungsphase der Junioren werden nach statistischen  Erfahrungswerten aber insgesamt rund dreihundert Juristen habilitiert, die allermeisten also aus  vermeintlich traditionellen "Abhängigkeiten".

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Reizvoll erst auf Dauer

Um die Juniorprofessur aufzuwerten und für die besten Talente attraktiv zu machen, schlägt deshalb die "Junge Akademie", das offizielle Sprachrohr von Nachwuchswissenschaftlern aller Fächer, jetzt vor, die Stelleninhaber nach erfolgreicher Bewährungszeit automatisch in Lebenszeitstellen überzuleiten ("Tenure Track"). Dieser Vorschlag kann sich nicht zuletzt auf den Wissenschaftsrat stützen, das höchste Beratungsgremium für die Hochschulpolitik. In den Rechtswissenschaften führt die generelle Empfehlung allerdings in eine Zwickmühle: Für eine Lebenszeitprofessur müssen Habilitierte die Uni wechseln, "Hausberufungen" sind grundsätzlich verboten. Theoretisch könnten Juniorprofessoren diese Hürde umgehen, indem sie gerade nicht habilitieren, sondern den alternativen Weg konsequent so gehen, wie der Gesetzgeber es vorgesehen hat. Um dieses Hindernis zu umschiffen, will die Junge Akademie den hochschulübergreifenden akademischen Wettbewerb vorverlagern: Niemand soll an derselben Uni Juniorprofessor werden, wo er schon den Doktor gemacht hat. Dieser Forderung widerspricht aber etwa Tilman Repgen, der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni Hamburg. Er erklärt gegenüber LTO: "Im Verständnis des Gesetzgebers dienen die Juniorprofessuren doch der Qualifikation für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es wäre dann wenig konsequent, wenn man die eigenen Leute rigoros ausschlösse, was das Gesetz - und auch die Praxis - nicht tut."

"Frühzeitig lernen, wie es unter Professoren zugeht"

Die Stimme aus Hamburg hat Gewicht: Repgens Fakultät hat allein neun Juniorprofessuren, mehr als jede andere bundesweit. Wieso eigentlich? "Der Hintergrund dafür liegt in fiskalischen Zufälligkeiten und den Impulsen, die sich aus der Gründung eines Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik ergeben haben", so der Dekan. Mit den Zufälligkeiten ist offenbar die relativ schlichte Besoldung eines Juniorprofessors (W 1) gemeint, die der eines "abhängigen" Akademischen Rats oder eines Studienrats am Gymnasium entspricht. Und Fachdidaktik gehört bislang nur nebenbei zum Jurastudium. "Strukturell wird sich die Zahl unserer Juniorprofessuren in den nächsten Jahren wieder verringern", stellt Repgen ferner klar. Auch sei ein Tenure Track an seiner Fakultät "bisher nicht vorgekommen." Die Junge Akademie darf danach noch viel träumen, aber wenig erwarten. Sich nicht entmutigen zu lassen, ist vor dem Hintergrund immer eine höchstpersönliche Sache. Eine Bonner Juniorprofessorin, die einzige im dortigen Fachbereich, verweist gern auf ihre strukturell herausgehobene Nachwuchsstelle: nicht einfach weisungsgebundene Mitarbeiterin zu sein, sondern selber Mitarbeiter zu beschäftigen; sich auf Kongressen mit einer Amtsbezeichnung präsentieren zu können, die international verstanden wird; zur Fakultät zu gehören und so frühzeitig lernen zu können, wie es unter Professoren zugeht. Und wie sieht diese Zeit zum Beispiel ein ehemaliger Hamburger Juniorprofessor, der jetzt den Sprung auf einen vollwertigen Lehrstuhl in Österreich geschafft hat? Der sonst gar nicht so medienscheue Rechtsgelehrte bittet "um Verständnis dafür, dass ich wegen zahlreicher Verpflichtungen mich diesen Fragen nicht widmen kann." Einfach Schwamm drüber?

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