Mentorenprogramm der ARGE Baurecht

"Das Bau­recht ist immer noch sehr män­ner­do­mi­niert"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Erfahrene Baurechtler nehmen den Nachwuchs an die Hand – so das Konzept. Bei der Baurechtstagung im November lernen sich die Pärchen kennen. Mentorin Andrea Hertel-Mahling und die Mentees Lilian Weiseth und Zilan Ay über ihre Erwartungen.

LTO: Frau Hertel-Mahling, das Mentorenprogramm im Baurecht ist – soweit ersichtlich – einzigartig. Können Sie sich vorstellen, wieso es das Programm gerade im Baurecht gibt?

Andrea Hertel-Mahling: Nach meiner Erinnerung spielt das private Baurecht im Studium keine Rolle. Kaum einer kennt die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Wir brauchen aber Nachwuchs. Wir Baurechtler sind offen für eine neue Generation und möchten unser Wissen weitergeben. Innerhalb der ARGE Baurecht gibt es seit vielen Jahren die "Arbeitsgruppe Junge Baurechtler", die ihre Vorschläge einbringt. Beispielsweise hat die Arbeitsgruppe eine Grundlagenveranstaltung für junge Baurechtler ins Leben gerufen, die seit einigen Jahren regelmäßig am Freitagvormittag als Teil der Baurechtstagung stattfindet. Die Veranstaltung wird super angenommen. Deshalb – und weil wir Nachwuchs suchen – haben die Baurechtler das Mentorenprogramm ins Leben gerufen.

Lilian Weiseth: So nehme ich es auch wahr: eine sehr begeisterte und offene Community, die bemüht ist, jungen Leuten den Einstieg zu ermöglichen. Mit dem privaten Baurecht hat man im Studium wirklich nicht besonders viel Kontakt – und wenn, dann nur freiwillig. Deshalb kann das Baurecht mit seinen vielen zusätzlichen Regelungen wie der VOB/B erst einmal sehr komplex wirken. Das Mentorenprogramm erleichtert da den Einstieg. Sobald man sich ein bisschen eingearbeitet hat, merkt man, wie spannend das private Baurecht eigentlich ist.

Andrea Hertel-Mahling

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"Verbindung aus rechtlichen Fragen und konkreten Bauprojekten"

Baurecht gehört ja tatsächlich nicht unbedingt zu den beliebtesten Rechtsgebieten. Was fasziniert Sie am Baurecht?

Weiseth: Mich fasziniert vor allem die Verbindung zu den technischen Fragestellungen. Ich habe lange überlegt, etwas in die technische Richtung zu studieren, mich dann aber für Jura entschieden. Das Studium hat mir viel Spaß gemacht, jetzt merke ich aber, wie spannend es ist, sich in einen ganz anderen Bereich einzulesen und sich auch mit den technischen Fragen des Baurechts zu beschäftigen.

Lilian Weiseth

Zilan Ay: Ich finde die Verbindung aus den rechtlichen Fragen und den konkreten Bauprojekten, die uns im Alltag begegnen, sehr spannend. Bei der Umsetzung müssen viele verschiedene Interessen berücksichtigt werden, von Bauunternehmen und Bauherren, aber auch von Architekten, Ingenieuren. Dieses Zusammenspiel interessiert mich sehr.

"Meine Eltern haben einen 300 Jahre alten Bauernhof gekauft"

Frau Hertel-Mahling, Sie sind jetzt schon seit über 20 Jahren als Anwältin unter anderem im privaten Baurecht tätig. Wie sind Sie dazu gekommen?

Hertel-Mahling: Meine Eltern haben einen 300 Jahre alten Bauernhof gekauft. Ich war damals mitten in der Pubertät und hatte gar keine Lust, aber alle mussten anpacken und mithelfen. Und tatsächlich hat es mir dann auch Spaß gemacht. Ich fand es faszinierend, wie damals gebaut wurde. Seitdem interessiere ich mich sehr für die unterschiedlichen Bauweisen in den verschiedenen Epochen. Ich habe dann Jura studiert und beides verknüpft. Als Anwältin war ich etwa auch im Arbeitsrecht und Strafrecht tätig. Jetzt möchte ich mich aber ausschließlich auf das Baurecht konzentrieren und auch meine Erfahrungen weitergeben.

Und deshalb haben Sie sich auch für das Mentorenprogramm gemeldet?

Ja. In unserer Baurechts-Community sind auch alle ganz begeistert vom Mentorenprogramm. Das hat mich angesteckt. Ich habe mich mit anderen Mentoren unterhalten, die schon mitgemacht haben, und habe auch bei der letzten Baurechtstagung in Straßburg Mentees kennengelernt. Jetzt bin ich selbst als Mentorin dabei und meine Kanzlei unterstützt mich dabei. 

"Einblicke in die Praxis gewinnen und Kontakte knüpfen"

Frau Ay, Frau Weiseth, wieso machen Sie beim Mentorenprogramm mit?

Ay: Während meines Jurastudiums habe ich nebenbei eine Zusatzqualifikation im Privaten Baurecht von der Uni Marburg absolviert, welche auf drei Semester angelegt war – das hat mich wirklich interessiert. Ich war dann auch bei der Baurechtstagung im März in Straßburg und habe dort zum ersten Mal vom Mentorenprogramm gehört. Um daran teilnehmen zu können, braucht man aber das erste Staatsexamen, das habe ich jetzt. Das Mentorenprogramm ist für mich eine tolle Möglichkeit, mein Wissen zu vertiefen, Einblicke in die Praxis zu gewinnen und Kontakte zu knüpfen.

Zilan Ay

Weiseth: Ich habe die gleiche Zusatzqualifikation gemacht und habe dann über einen E-Mail-Verteiler vom Mentorenprogramm erfahren. Ich arbeite schon länger nebenbei in einer Kanzlei in Hamburg, die unter anderem viel privates Baurecht macht. Ich freue mich, über das Mentorenprogramm noch mehr Baurechtler aus der Praxis kennenzulernen und bin gespannt auf die Erfahrungsberichte der Mentoren. Ich finde es interessant, wie andere zum Baurecht gekommen sind und welche Stationen sie durchlaufen haben.

Frau Hertel-Mahling, was erwarten Sie denn vom Mentorenprogramm?

Ich verspreche mir davon, in Kontakt zu jungen interessierten Juristen zu kommen und in persönlichen Gesprächen deren Sichtweisen, insbesondere auch deren Bedürfnisse, kennenzulernen. Ich möchte erfahren, was die jungen Menschen bewegt, was sie am Baurecht interessiert, aber auch, was ihre Erwartungen an den Beruf selbst sind. Es besteht keine Verpflichtung, sich über die Baurechtstagung hinaus aneinander zu binden. Der Kontakt kann ganz individuell und persönlich fortgeführt werden – und im besten Fall später zu einer beruflichen Zusammenarbeit führen.

"Wir Mentees werden den Mentoren zugelost"

Kann man sich seinen Mentor bzw. seine Mentee eigentlich aussuchen?

Weiseth: Nein. Wir Mentees werden den Mentoren zugelost. Wir lernen uns auch erst auf der Tagung kennen. Und wir lernen natürlich auch die anderen Mentoren und Mentees kennen. 

Hertel-Mahling: Und man trifft die anderen Kollegen und auch BGH-Richter. Die Richter des VII. Zivilsenats, also des Bausenats, halten regelmäßig Vorträge bei den Tagungen und besuchen auch die Abendveranstaltungen. So wird den jungen Juristen auch die Hemmschwelle vor den vielen Größen des Baurechts genommen.

Ein weiterer Anreiz ist wohl auch die finanzielle Unterstützung für die Mentees. 

Hertel-Mahling: Definitiv. Die Mentoren finanzieren die Teilnahme der Mentees an der Tagung, jeder Mentee erhält eine Pauschale von 300,00 Euro. Um die Kosten müssen sich die Mentees also keine Gedanken machen. Die Baurechtstagung ist eine Fortbildungsveranstaltung, die wir Baurechtsanwälte benötigen. Die Mentees haben eigentlich keinen Grund, daran teilzunehmen, außer sie interessieren sich wirklich für die Materie. Um den jungen Leuten das Baurecht näherzubringen, gibt es diese Pauschale. 

"Das Baurecht sichtbar machen"

Welche Fragen der Mentees erwarten Sie?

Ich könnte mir vorstellen, dass es neben inhaltlichen auch ganz persönliche Fragen gibt, zum Beispiel wie man sich als Frau im Baurecht zurechtfindet und wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Aber da kommt es natürlich auch darauf an, ob man sich so gut versteht, dass man über das Mentorenprogramm hinaus Kontakt hält.

Wie wollen Sie erreichen, dass die jungen Leute sich für das Baurecht begeistern?

Ich würde gerne das Baurecht sichtbar machen. Das geht zum einen, indem man aufzeigt, inwiefern Juristen an konkreten Bauvorhaben mitgewirkt haben, die schon realisiert worden sind. Zum anderen finde ich es aber auch spannend, auf Innovationen hinzuweisen. Wie ist der Stand beim nachhaltigen Bauen, welche Entwicklungen gibt es für eine Digitalisierung des Bauwesens? Dazu forscht am Center-Construction-Robotics ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam der RWTH Aachen gemeinsam mit einem europäischen Industriekonsortium. Sie wollen die "Baustelle der Zukunft" schaffen und Bauen anders denken. Das ist natürlich noch nicht reif für die Praxis, aber ich finde es wichtig, zu zeigen, dass Baurecht nicht nur alt und verstaubt, sondern sehr zukunftsorientiert ist. 

"Früher waren nur ganz wenige Frauen bei den Fortbildungen"

Frau Weiseth, Frau Ay, könnten Sie sich denn vorstellen, später im Baurecht zu arbeiten?

Weiseth: Ich werde erstmal promovieren und bin gerade bei der Themenfindung. Ich habe aber schon vor, nach dem Referendariat im privaten Baurecht zu arbeiten.

Ay: Ich kann mir auch gut vorstellen, später im Baurecht tätig zu werden. Das private Baurecht ist nach meinem Eindruck noch sehr männerdominiert. Das ist für mich ein zusätzlicher Anreiz, als Frau in dem Bereich zu arbeiten.

Frau Hertel-Mahling, können Sie das bestätigen?

Hertel-Mahling: Ja, wobei die Entwicklung sehr positiv ist. Die Vorsitzende der ARGE Baurecht ist zum Beispiel eine Frau, die Anwältin Dr. Birgit Franz. In meiner Anfangszeit als Anwältin im Baurecht konnte man die Frauen bei den Fortbildungen an einer Hand abzählen. Das war anfangs etwas einschüchternd, aber ich wollte unbedingt Baurecht machen. Mittlerweile ist die Dynamik anders. Vom Mentorenprogramm erhoffe ich mir nochmal zusätzliche Impulse.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die 64. Baurechtstagung findet am 8. und 9. November 2024 in Dresden statt. Erwartet werden rund 300 Teilnehmende. Für das Mentorenprogramm kann man sich noch bis zum 25. Oktober anmelden.

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