Interview mit Jan Kieseheuer, Jurist bei der Polizei

"Nicht scheuen, Ver­ant­wor­tung zu über­nehmen"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Jan Kieseheuer ist Jurist bei der Polizei NRW und unter anderem für Disziplinarverfahren zuständig. Im LTO-Interview erzählt er unter anderem, warum er seinen Job liebt und wann Beamtinnen und Beamten aus dem Dienst entfernt werden.

LTO: Herr Kieseheuer, was macht man als Juristin oder Jurist bei der Polizei?

Jan Kieseheuer: Grundsätzlich gibt es für Juristinnen und Juristen verschiedene Möglichkeiten, bei der Polizei zu arbeiten. Zum einen können sie sich für den Direkteinstieg in die Laufbahngruppe 2, 2. Einstiegsamt – kurz: LG 2.2, früher höherer Dienst genannt - bewerben und als Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte Führungsaufgaben bei der Polizei übernehmen. Das sind "richtige Polizisten" in Uniform mit polizeilichen Befugnissen und Aufgaben. Ihre Einsatzbereiche sind etwa Direktions- oder Polizeiinspektionsleitungen in einer Kreispolizeibehörde.

Zum anderen gibt es die Möglichkeit, als Verwaltungsbeamtin oder Verwaltungsbeamter in der LG 2.2 der Allgemeinen Inneren Verwaltung für die Polizei zu arbeiten. Hier übernimmt man als Führungskraft Aufgaben in der Verwaltung der Polizei, etwa – so wie ich – im Personalbereich.

Wie sind Sie zur Polizei gekommen?

Nach dem Zweiten Staatsexamen war ich zunächst als Rechtsanwalt tätig. Ich habe mich aber immer schon – und verstärkt durch meine Verwaltungsstation in einer Polizeibehörde – für das Öffentliche Recht und den Öffentlichen Dienst interessiert. Deshalb habe ich mich für die Allgemeine Innere Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) beworben – mit Erfolg.

Im Regelfall wird man zu Beginn der Laufbahn in einer der fünf Bezirksregierungen, also in Münster, Arnsberg, Düsseldorf, Köln oder Detmold eingesetzt. Ich wurde jedoch gefragt, ob ich meinen Dienst in einer Polizeibehörde aufnehmen möchte. Dies habe ich bejaht und wurde im Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) zum Regierungsrat ernannt.

Was macht das LAFP NRW?

Das LAFP ist eine der drei Landesoberbehörden der Polizei NRW. Das Landeskriminalamt (LKA) ist sicherlich allen ein Begriff, außerdem gibt es noch das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD).

Das LZPD NRW unterstützt als zentrale Servicedienststelle die Polizeiarbeit vor Ort, beispielsweise bei der Kräfte- oder Einsatzkoordinierung bei besonderen Einsatzlagen oder durch die Entwicklung und Beschaffung von Technik und Ausstattung. So werden etwa Fahrzeuge, Waffen, Ausrüstungsgegenstände, Uniformen etc. dort erprobt, beschafft, entwickelt und gewartet.

Das LAFP NRW ist der zentrale Bildungsdienstleister der Polizei NRW mit Standorten in ganz NRW. Darüber hinaus übt es die Aufsicht über die Kreispolizeibehörden aus und hat eine aufsichtsunterstützende Funktion für das Innenministerium.

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"Wir überprüfen die Disziplinarentscheidungen der Behörden"

Was sind Ihre Aufgaben?

Zurzeit leite ich ein Teildezernat mit landesweiter Zuständigkeit. Begonnen habe ich im Bereich der allgemeinen Personalangelegenheiten. Hier war ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuständig für sämtliche landesweite Personalangelegenheiten und beamtenrechtliche Grundsatzfragen der Kreispolizeibehörden. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt dort ist das zentrale Beschwerdemanagement.

Das mag zunächst etwas trocken klingen, ist es aber überhaupt nicht. Ich durfte die Behörde, die auch für die Auswahl und Einstellung des Polizeinachwuchses verantwortlich ist, in Rechtsfragen beraten und vor Gericht vertreten. Ich war regelmäßig Prozessvertreter vor den Verwaltungsgerichten (VG) und beim Oberverwaltungsgericht NRW. Unter anderem ging es um die Zulässigkeit einer Mindestgröße bei der Polizei oder Tätowierungen bei Bewerberinnen und Bewerbern.

Heute übe ich mit meinem Teildezernat die Aufsicht über die Polizeibehörden in Disziplinarangelegenheiten aus und bin zuständig für die Personalangelegenheiten der LG 2.2 der Polizei.

Wie sieht die Aufsicht über die Polizeibehörden in Disziplinarangelegenheiten aus?

Alle Polizeibehörden melden uns ihre jeweils laufenden Disziplinarverfahren gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte. Wir beraten die Behörden in Rechtsfragen und überprüfen die Entscheidung der Behörde – wir können diese auch aufheben oder abändern.

Zudem können wir auch Disziplinarverfahren an uns ziehen, das Verfahren gegen die betroffene Beamtin oder den Beamten also selbst führen. Von dieser Möglichkeit haben wir zuletzt umfassend Gebrauch gemacht, als die Extremismusvorwürfe gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte laut wurden.

Welche Sanktionen für Beamtinnen und Beamten gibt es?

Die Sanktionsmöglichkeiten ergeben sich aus §§ 6 bis 9 des Disziplinargesetzes des Landes NRW. Möglich sind Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

"Das VG entscheidet über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis"

Wann werden Polizistinnen oder Polizisten denn wirklich aus dem Beamtenverhältnis entfernt?

Das kommt nur bei besonders schwerwiegenden Dienstvergehen in Betracht – insbesondere bei der Verletzung beamtenrechtlicher Kernpflichten, wie beispielsweise der Verletzung der politischen Treuepflicht. Auch schwerwiegende Straftaten oder die umfangreiche Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten können zur Entfernung aus dem Dienst führen.

Die finale Entscheidung obliegt aber nicht dem Dienstherr selbst. Dieser muss zunächst eine Disziplinarklage bei der Disziplinarkammer des zuständigen VG, also in Münster oder Düsseldorf, erheben. Die Entscheidung, ob es zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt, trifft dann das Gericht.

Welche Aufgaben übernehmen Sie bei den Personalangelegenheiten?

Wir koordinieren und steuern in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium das landesweite Versetzungs- und Nachersatzverfahren für die Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen.

Zum einen wird zum 1. Oktober eines jeden Jahres der aktuelle Ratslehrgang auf die Behörden verteilt. Das sind diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die den Aufstieg vom "gehobenen" in den "höheren Dienst" absolviert haben und am Ende ihres Studiums zur Polizeirätin bzw. zum Polizeirat ernannt werden. Mit in der Verteilung sind auch die o.g. Direkteinsteigerinnen und -einsteiger. Bei dieser Gruppe geht es um ihre Erstverwendung im "höheren" Polizeidienst.

Zum anderen werden ebenfalls zum 1. Oktober – und manchmal auch unterjährig – Polizeibeamtinnen und Beamte aus dienstlichen Gründen versetzt. Im Rahmen dieser Verfahren führe ich Gespräche mit ihnen, dem Innenministerium und den Behörden und begleite die Kolleginnen und Kollegen ein Stück weit auf ihrem Karriereweg.

Außerdem steuern wir die Beurteilungsverfahren der Beamtinnen und Beamten und bearbeiten daraus unter Umständen resultierende Verwaltungsstreitverfahren. Zudem beraten wir die Polizeibehörden in Beurteilungsangelegenheiten.

"Kein Tag gleicht dem anderen"

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?

Dass im Grunde kein Tag dem anderen gleicht. Wenn ich morgens ins Büro fahre, kann es sein, dass der Tag ganz anders abläuft als gedacht oder geplant. Es ist auch schon einige Male vorgekommen, dass ich abends im Fernsehen oder morgens im Autoradio Nachrichten gehört habe, die den folgenden Tagesablauf oder die nächsten Wochen bestimmen sollten.

Dies ist beispielsweise bei Berichterstattung über Polizeieinsätze der Fall, in denen von den Einsatzkräften Gewalt ausgeübt worden ist. Häufig kursieren ja auch schon Videomitschnitte im Netz. Hierzu ist aber zu sagen, dass diese oftmals nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtgeschehens zeigen. Natürlich ist die Polizei dann aber im Fokus und die Aufarbeitung läuft – oft unter unserer Beteiligung – an. Insgesamt ist der Beruf aufgrund der landesweiten Zuständigkeit unglaublich abwechslungsreich, das gefällt mir.

Als Jurist im höheren Verwaltungsdienst hat man darüber hinaus viele Möglichkeiten, verschiedene Bereiche der Landesverwaltung kennen zu lernen. Durch meine bisherige Tätigkeit durfte ich viel über Verwaltung im Allgemeinen und die Polizei im Besonderen lernen. Auch die regelmäßig enge Zusammenarbeit mit meiner Behördenleitung, anderen Polizeibehörden sowie dem Innenministerium schätze ich sehr.

Was mögen Sie nicht?

Generell fühle ich mich unter einem gewissen Stresslevel wohl. Die Arbeit bringt es jedoch nicht selten mit sich, dass man innerhalb kürzester Zeit verschiedene Dinge organisieren, bearbeiten, bewerten und entscheiden oder berichten muss. Dann kann es schon mal hektisch werden. Das lässt sich nicht immer vermeiden, weil die polizeiliche Arbeit in der Öffentlichkeit regelmäßig von besonderem Interesse ist.

Manchmal wünscht man sich aber schon, dass man die Bearbeitung von Vorgängen unter geringerem zeitlichen Druck erledigen könnte. Da das polizeiliche und unser Handeln in der Regel auch politische Auswirkungen haben und das mediale Interesse hoch ist, lässt sich das jedoch meistens nicht umsetzen. Das macht den Beruf aber auch wiederum zu dem, was er ist: hochspannend.

Was sollte man mitbringen, wenn man mit einer juristischen Ausbildung bei der Polizei arbeiten möchte?

Neben dem juristischen Knowhow sollte man sich nicht scheuen, Verantwortung zu übernehmen, denn das muss man ziemlich schnell und regelmäßig. Verantwortung in der Sache, für sich selbst und auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Darüber hinaus sollte man flexibel sein können, denn jeder Tag ist anders. Es ist auch hilfreich, sich schnell in unterschiedlichste Sachverhalte und Themen einarbeiten zu können – wie in sämtlichen juristischen Berufen.

Die Fragen stellte Franziska Kring. Jan Kieseheuer hat die Fragen schriftlich beantwortet.

Oberregierungsrat Jan Kieseheuer ist Teildezernatsleiter beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW).

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