Eine Professorin für das "Recht der Nachhaltigkeit"

"Eng mit den anderen Wis­sen­schaften zusam­men­ar­beiten"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Mit Klimaschutzfragen beschäftigen sich immer mehr Lehrstühle, so auch juristische. Juniorprofessorin Jacqueline Lorenzen erzählt, wozu sie forscht und wieso sie den Weg in die Wissenschaft gewählt hat.

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LTO: Frau Juniorprofessorin Lorenzen, Sie sind Argelander-Professorin für das "Recht der Nachhaltigkeit und ökologischen Transformation" an der Universität Bonn. "Professuren für das Recht der Nachhaltigkeit" gibt es noch nicht viele in Deutschland. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dazu zu forschen? 

Jun-Prof. Dr. Jacqueline Lorenzen: Die Themen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsrecht haben mich schon früh interessiert, weil mein Doktorvater, Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kahl, an der Universität Heidelberg zu umweltrechtlichen Fragen forscht. Er leitet dort auch eine Forschungsstelle für Nachhaltigkeitsrecht. Im dritten Semester habe ich begonnen, als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl zu arbeiten. Als ich nach Abschluss von Promotion und Referendariat als Habilitandin an die Uni Heidelberg zurückkehrte, habe ich mich immer mehr dem Umwelt- und Klimaschutzrecht und Fragen der Nachhaltigkeit gewidmet. Zum 1. April 2023 bin ich als Juniorprofessorin an die Universität Bonn berufen worden. 

Was ist eine Juniorprofessorin? 

Mit einer Juniorprofessur mit Tenure Track hat man als Nachwuchswissenschaftler mehr Planungssicherheit als auf dem herkömmlichen Weg. Ich habe meine Stelle an der Universität Bonn zunächst für drei Jahre und darf eigene Forschung und Lehre verfolgen. Dann werde ich zwischenevaluiert und danach – wenn das Ergebnis positiv ist – wird die Stelle nochmal auf drei Jahre verlängert. Am Ende wird in einer Endevaluation geschaut, ob ich die vorab festgelegten Kriterien meiner Professur erfüllt habe. Wenn ja, wird die Stelle entfristet von einer W1- auf eine W2-Professur. Dies stellt eine Alternative zum gerade in den Rechtswissenschaften "klassischen" Weg in die Wissenschaft dar, auf dem man nach der Habilitation zunächst Privatdozent ist und dann sehen muss, wo man eine Stelle findet. Das ist bei der Juniorprofessur anders: Wenn man die transparenten Kriterien erfüllt, kann man die Stelle behalten. 

"Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern" 

Was erforschen Sie genau? 

Meine Forschungsschwerpunkte liegen im Klimaschutzrecht und im Umweltenergierecht, im Recht der nachhaltigen Stadtentwicklung und auch zu verfassungsrechtlichen Fragen der Nachhaltigkeit forsche ich. Dabei geht es beispielsweise um Staatsziele und Grundrechte als Instrumente für Nachhaltigkeit sowie inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit. Auch bei der derzeit viel diskutierten Frage um den Haushalt 2023 spielt die Generationengerechtigkeit eine Rolle. Solchen Fragen werde ich mich im Rahmen meiner Professur widmen. 

Beim Thema Nachhaltigkeit stellen sich neben rechtlichen vor allem auch ökonomische und ökologische Fragen. Wie interdisziplinär arbeiten Sie? 

Natürlich ist meine Forschung nach wie vor rechtswissenschaftlich geprägt. Ich versuche aber, in die Nachbarwissenschaften hineinzuschauen und zu überlegen, welche Methoden und Konzepte sich auf das Recht übertragen lassen. Ich verstehe interdisziplinäre Forschung vor allem auch als interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern unterschiedlichster Fachdisziplinen. Gerade für Nachhaltigkeits- und Klimaschutzfragen ist das sehr wichtig, weil das Recht ja letztlich immer Lebenssachverhalte abbildet, in diesem Fall komplexe technische Lebenssachverhalte. Deshalb müssen wir Juristinnen und Juristen eng mit den anderen Wissenschaften zusammenarbeiten, die uns den Input geben, damit wir rechtliche Instrumente ausarbeiten können.  

"Das Recht kann einen Rahmen zur nachhaltigen Entwicklung vorgeben" 

Mit wem arbeiten Sie derzeit zusammen? 

Im Moment arbeite ich mit vielen anderen (Nachwuchs-)wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Universität Bonn an einem Forschungsprojekt, bei dem wir uns mittel- und langfristige Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal anschauen wollen. Ich bin als Juristin dabei, daneben noch eine Rechtsökonomin, Ökonominnen, Politikwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen, Soziologinnen, Geografinnen. So lernt man auch andere Sprachen und Methoden kennen und kann diese kombinieren und neue Ansätze entwickeln. 

Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist auch die nachhaltige Stadtentwicklung. Was kann das Recht dazu beitragen? 

Das Recht kann einen Rahmen vorgeben, in dem sich die Städte nachhaltig entwickeln können, zum Beispiel durch die grundlegenden Ziele in Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetzen des Bundes und der Länder. Das Recht gibt den Gemeinden die notwendigen Instrumente an die Hand, um nachhaltige Stadtplanung umzusetzen. Zum Beispiel können sie durch die Festsetzungsmöglichkeiten des BauGB Klimaschutz in Flächennutzungspläne und Bebauungspläne einbeziehen. Gerade das Bauplanungsrecht kann ein wichtiges Steuerungsinstrument sein. 

"Immer mehr Vorlesungen zum Klimaschutzrecht" 

Außerdem halten Sie eine Vorlesung zum "Recht der Nachhaltigkeit". Welche Inhalte vermitteln Sie den Studierenden dort? 

Die Vorlesung wurde an der Uni Bonn neu eingeführt. Seit dem vergangenen Sommersemester gibt es einen neuen Schwerpunkt zum „Öffentlichen Recht der Nachhaltigkeit“. Insbesondere geht es dort um das Umweltrecht, das Planungs- und Infrastrukturrecht und das Recht der Nachhaltigkeit, sozusagen als Rahmenvorlesung. Wir untersuchen, was Nachhaltigkeit eigentlich heißt und wie sich das Verständnis des Begriffs über die Jahre entwickelt hat, vom Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums 1972 bis zur Agenda 2030. Außerdem analysieren wir, wie Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff in das Völkerrecht, das Europarecht und das nationale Recht einfließt. 

Studentische Klimarechtsinitiativen bemängeln, dass das Klimaschutzrecht an den Unis immer noch zu kurz kommt. Was meinen Sie dazu? 

Ich glaube, dass sich das gerade ändert. Das Klimaschutzrecht hat sich ja auch erst in den vergangenen Jahren als eigenständiges (Teil-)Rechtsgebiet entwickelt. Klimaschutz war natürlich auch vorher schon relevant, kam aber eher vereinzelt in den verschiedenen Rechtsgebieten vor, zum Beispiel im Baurecht. Das Klimaschutzgesetz des Bundes ist im Jahr 2019, das „Europäische Klimagesetz“ im Jahr 2021 entstanden. Das müssen die Unis dann erstmal aufnehmen.  

Es gibt aber immer mehr Vorlesungen, die das Klimaschutzrecht einbeziehen, gerade in den umweltrechtlichen Vorlesungen. Das gilt aber nicht nur für das öffentliche Recht. Die Zivilrechtler, insbesondere die Gesellschaftsrechtler befassen sich etwa mit ESG-Themen oder dem Lieferkettengesetz. Diese Vorlesungen kommen auch sehr gut an, die Studierenden sind sehr interessiert. 

"Ich konnte die Uni nie loslassen" 

Wollten Sie schon immer Professorin werden? 

Nein, das kam erst im Laufe der Jahre. Die Promotion hat mir viel Spaß gemacht, aber ich hatte vor dem Referendariat nicht geplant, danach wieder an die Uni zu gehen. Loslassen konnte ich aber auch nie. Parallel zum Referendariat habe ich immer am Lehrstuhl gearbeitet und wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht. Im Referendariat haben mich die "klassischen" Juristenberufe, soweit ich sie kennenlernen konnte, persönlich nicht vollständig überzeugt. Als ich dann die Gelegenheit bekommen habe, an meinen alten Lehrstuhl zurückzugehen, habe ich diese sofort und sehr gerne wahrgenommen. 

Was sind Ihre beruflichen Ziele für die nächste Zeit? 

In den Jahren der Juniorprofessur möchte ich meine Forschungsschwerpunkte vertiefen und meine Habilitation fertigstellen. Andererseits möchte ich aber auch die interdisziplinären Projekte wie das Forschungsprojekt zum Ahrtal auf den Weg bringen. In Bonn kann ich Kontakt zu verschiedenen UN-Organisationen knüpfen und so meine Forschung weiter vorantreiben. 

Ich habe großen Spaß daran, den Studierenden Nachhaltigkeitsthemen zu vermitteln. Aus meiner Sicht kann man auch bei Juristen, deren Prüfungsordnung ja sehr spezifische Leistungen erfordert, interdisziplinäre Projekte durchführen. Im Sommer habe ich mit zwei Wissenschaftlerinnen, einer Geografin und einer Literaturwissenschafterin, ein Seminar zur nachhaltigen Stadt der Zukunft geleitet. Die Studierenden sollten aus juristischer, geografischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive verschiedene Themen erarbeiten und vorstellen. Wir haben uns auch ein nachhaltiges Stadtviertel in Heidelberg, die Bahnstadt, kritisch angeschaut und herausgearbeitet, was gut funktioniert und was nicht. Ich möchte auch an der Universität Bonn solche Veranstaltungen anbieten, gerade auch in enger Zusammenarbeit mit den Ökonominnen und Ökonomen unserer Fakultät. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Thema:

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