Interview mit Anwältin und Business Coach Dr. Anja Schäfer

"Unper­fekt anfangen und dann dran­b­leiben"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Die Konkurrenz zwischen Anwälten ist hoch – deshalb müssen sie mit ihrer Expertise sichtbar werden. Wichtig sind dabei die sozialen Netzwerke. Gerade Frauen sollten sich mehr trauen, erklärt Business Coach Anja Schäfer im Interview.

LTO: Frau Dr. Schäfer, was verstehen Sie unter Selbstmarketing?

Dr. Anja Schäfer: Selbstmarketing bedeutet für mich, mit der eigenen Expertise sichtbar zu sein. Das geht in drei Schritten: Sichtbar werden, sichtbar sein und schließlich sichtbar bleiben. Zuerst gilt es herauszufinden, in welchen Bereichen man Experte oder Expertin werden will. Dann kommt das "eigentliche" Marketing: Eine langfristige Strategie entwickeln, um dauerhaft mit seiner Expertise in den Bereichen, in denen man bekannt sein will, auch tatsächlich vertreten zu sein.

Warum ist Selbstmarketing für Anwältinnen und Anwälte so wichtig?

Weil Anwältinnen und Anwälte beim Gegenüber Vertrauen aufbauen sollten. Vertrauen ist die wichtigste Währung im Anwaltsbusiness. Mandantinnen und Mandanten entscheiden sich für die Berater und Beraterinnen, denen sie zutrauen, sie bestmöglich zu unterstützen. Deshalb ist es wichtig, dass Anwältinnen und Anwälte diese davon überzeugen, dass sie die Expertin bzw. der Experte in einem bestimmten Fachgebiet sind, und das klar nach außen kommunizieren. Für Juristinnen gilt das ganz besonders: Wer nicht sichtbar ist, findet nicht statt, mit der Konsequenz, dass sich die potenzielle Mandantschaft anderweitig umsieht.

Wenn Selbst-PR für mich bis jetzt eher ein Fremdwort war: Wie fange ich damit an?

Meine Empfehlung ist: Selbstmarketing strategisch anzugehen. Zunächst sollte man die eigenen Ziele vor Augen führen und für sich klären: Was will ich in welchem Zeitraum – und damit eben auch mittel- und langfristig – erreichen? Im zweiten Schritt geht es dann darum, sich ein oder mehrere Jahresziele für die Eigen-PR zu setzen, um diese dann quartals- und monatsweise herunterzubrechen und anzugehen.

Ein Jahresziel kann beispielsweise die Veröffentlichung eines Beitrages in einer anerkannten Fachzeitschrift sein. Zu Beginn steht die Überlegung, welche Schritte notwendig sind, um aus diesen eine Art Maßnahmenplan mit konkreten Aufgaben zu entwickeln. Dabei ist es wichtig, seine Expertise in unterschiedlichen Kanälen möglichst gut zu positionieren – mit der Intention, selbst angefragt zu werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, proaktiv auf die entsprechende Redaktion zuzugehen und den Beitrag selbst anzubieten.

Anzeige

"Keine Anwältin sollte sich nur auf die eigene Homepage verlassen"

Dr. Anja Schäfer. Foto: Martin Kunack

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke beim Selbstmarketing?

Bedingt durch die Corona-Pandemie spielen die sozialen Netzwerke eine deutlich größere Rolle als zuvor. Kein Anwalt bzw. keine Anwältin sollte sich nur auf die eigene Homepage verlassen, sondern immer überlegen, auf welchen weiteren Plattformen er oder sie sich zusätzlich positioniert. Diese Entscheidung ist strategisch zu treffen, je nachdem in welchem Netzwerk die Mandantinnen und Mandanten aktiv sind.

Meine Empfehlung ist LinkedIn als Business-Netzwerk. Für manche Kolleginnen und Kollegen bieten sich alternativ auch Instagram oder Twitter an. Dabei kommt es auch auf das Rechtsgebiet an: Aus meiner Erfahrung funktionieren beispielsweise familien-, arbeits- und erbrechtliche Themen auch bei Instagram gut.

Welche Tipps können Sie Anwältinnen und Anwälten für ihren LinkedIn-Account geben?

Ich empfehle, sich zunächst bei LinkedIn umzuschauen, wie andere Anwältinnen und Anwälte ihre Profile gestalten. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen mit einem sehr professionellen LinkedIn-Profil – bei denen man sich Inspirationen für das eigene Profil holen kann.

Eine andere Möglichkeit und ein schnellerer Weg wäre es, sich direkt professionelle Unterstützung zu holen, indem man sich ein LinkedIn-Strategie-Coaching bucht und gemeinsam mit einem Experten bzw. einer Expertin sein Profil erstellt oder optimiert.

Ein Profil sollte nicht nur alle relevanten Informationen des Lebenslaufs, sondern auch darüberhinausgehende enthalten, bei Anwältinnen und Anwälten in jedem Fall die konkrete Spezialisierung. Dabei gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, die LinkedIn bietet, also zum Beispiel sich klar als Experte oder Expertin mit dem Profilslogan zu positionieren, den Bereich des Infotextes für die Darstellung der eigenen Expertise zu verwenden und hier auf die Kanzlei-Webseite zu verlinken.

Wie häufig sollte ich bei LinkedIn etwas teilen?

Das lässt sich nicht pauschal sagen. Grundsätzlich gilt: Qualität geht vor Quantität. Ich empfehle meinen Kundinnen immer, sich lieber Zeit für eine gut durchdachte Strategie und wertvolle Beiträge zu nehmen. Ich kalkuliere etwa zwei Stunden für einen guten Beitrag bei LinkedIn.

Allerdings kann man auch durch kontinuierliche Interaktion mehr Sichtbarkeit erreichen: durch Kommentieren, Diskutieren oder sich Vernetzen – eine Vorgehensweise, die ich vor allem am Anfang empfehle.

"Man kann nicht erwarten, dass der Chef Marketing für einen selbst betreibt"

Sie beraten speziell Juristinnen. Inwiefern unterscheidet sich das Selbstmarketing von Frauen und Männern?

Das trifft sicherlich nicht in jedem Fall zu, aber ich habe das Gefühl, dass Frauen sich mehr trauen müssen, die eigenen Themen für wichtig zu halten, als Expertin sichtbar zu werden, ihr Netzwerk zu nutzen und proaktiv anzusprechen. Das fällt vielen Männern leichter als Frauen.

Man darf als Frau nicht den Fehler machen, zu erwarten, dass eine gute Leistung das entsprechende Image einbringt, und beispielsweise der Chef für einen die PR übernimmt. Für das Bild, das andere von ihr wahrnehmen sollen, muss jede Anwältin – und auch jeder Anwalt – selbst sorgen.

Wiederholung ist ein erfolgreiches Mittel, um anderen mit den Themen, die einem wichtig sind, im Gedächtnis zu bleiben. Auch bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich das verstanden habe: Ich nerve nicht, wenn ich immer wieder dasselbe Thema anspreche, sondern es zahlt sich sogar für mich aus.  

Wenn man diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen betrachtet: Was kann man als Frau aktiv unternehmen, um Selbstmarketing zu betreiben?

Frauen müssen zunächst sich selbst als Expertinnen sehen. Wichtig ist es, sich zu überlegen, zu welchen Gelegenheiten sie ihre Erfolge aus dem oder im Arbeitsumfeld teilen können. Der Chef sollte es erfahren, wenn eine Aufgabe überdurchschnittlich gut erledigt wurde. Daher sollten Juristinnen, wenn immer es passt, kommunizieren, wenn ein Projekt gut gelaufen ist und die Mandantschaft zufrieden war oder sie anderweitige Erfolge hatten.

Wie kann ich das kommunizieren?

Man muss sich selbst die Gelegenheiten schaffen, also nicht nur einmal im Jahr im Mitarbeitergespräch. Bevor ich mich selbstständig gemacht habe, war ich acht Jahre lang Anwältin in einer großen, mittelständischen Kanzlei. Ich habe beispielsweise immer, wenn ich einen Beitrag in einer Zeitschrift veröffentlicht hatte, eine Kopie gemacht und meinem Chef ins Fach gelegt.

Als mich mein Chef als Berufsanfängerin gefragt hat, wie ein Projekt lief, habe ich immer zuerst die negativen Aspekte aufgezählt. Chefs erwarten aber Erfolgsmeldungen – und deshalb muss man mit den positiven Dingen anfangen und sich bei den negativen Informationen immer wieder fragen, ob diese überhaupt relevant für ihn und/oder die Mandantschaft sind.

"Selbstmarketing ist kein Sprint, sondern ein Marathon"

Ich habe mir in den vergangenen Jahren eine große Expertise aufgebaut – aber die Mandate bleiben dennoch aus. Wie kann ich als Anwältin oder Anwalt sichtbarer werden?

Ich würde mir ein Feedback einholen. Wenn wir LinkedIn als Beispiel nehmen: Was kann ich an meinem Profil und an meiner Interaktion verändern? Auch ich selbst erkundige mich regelmäßig bei Expertinnen, um zu schauen, was ich noch optimieren kann.

Relevante Überlegungen sind beispielsweise, wie man Social-Media-Plattformen noch besser nutzen kann. Wer in meinem Netzwerk kann mich unterstützen? Ein beliebter Fehler ist es auch, zu viele Themen gleichzeitig zu bespielen. Aus der Fremdperspektive ist es schwierig, so ein klares Profil zu erkennen. Es ist besser, sich erstmal auf wenige Themen zu konzentrieren und diese so lange zu bespielen, bis man als Expertin in dem Bereich gesehen wird.

Wichtig ist auch, die Reichweite regelmäßig zu erweitern: Vorträge halten, Beiträge veröffentlichen und im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen bleiben.

Welche abschließenden Tipps haben Sie für Anwältinnen und Anwälte in Sachen "Selbstmarketing"?

Sie sollten das Thema nicht unterschätzen. Statistiken über die Erfolgsfaktoren gewichten Selbstmarketing regelmäßig mit 30 Prozent, die Leistung mit 10 Prozent und ein gutes Netzwerk mit 60 Prozent. Wir wissen vieles, aber entscheidend ist es, sich zu trauen und ins Tun zu kommen.

Selbstmarketing ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Deshalb muss man aktiv werden, keine Perfektion erwarten, sondern unperfekt anfangen und dann dranbleiben.

Rechtsanwältin Dr. Anja Schäfer berät und begleitet als Business Coach und Mentorin Juristinnen insbesondere bei einer beruflichen Neuorientierung bzw. persönlichen Weiterentwicklung und beim strategischen Auf- und Ausbau des eigenen Netzwerks. Am 1. und 2. April 2022 bietet sie den zweiten virtuellen "FRAUENnetzwerkenTAG für Juristinnen“ rund um die Themen Networking und Selbstmarketing an.

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Karriere

Verwandte Themen:
  • Karriere
  • Feminismus
  • Networking
  • Anwaltsberuf
  • Rechtsanwälte

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter