Interprofessionelle Kanzleien

Ein Team für alle Fälle

von Henning ZanderLesedauer: 4 Minuten
Unternehmen fordern eine immer umfassendere Beratung. Rechtliche Fragen sind oft von finanziellen und steuerlichen nicht zu trennen. Rechtsanwälte in interprofessionellen Teams können dem Mandanten mehr bieten, die Sozietäten sehen sich wirtschaftlich im Vorteil. Aber was ist erlaubt? Und wie kann eine Kooperation aussehen, wo Partnerschaft nicht möglich ist?

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Recht findet nicht losgelöst vom wahren Leben statt. Das sieht Rechtsanwalt Stephen Kühmichel jedes Mal aufs Neue bei seiner Arbeit. Etwa bei dem Ehepaar, das er gerade dabei berät, eine Gesellschaft zu gründen. Wie würde sich eine Zugewinngemeinschaft auf die Gesellschaft auswirken? Sollten güterstandsrechtliche Regelungen in den Gesellschaftsvertrag einbezogen werden? Was wäre steuerlich sinnvoll? "Sehr oft müssen Fragestellungen aus einer rechtlichen und steuerlichen Perspektive betrachtet werden", sagt Stephen Kühmichel. "Erst dann kann man abschätzen, für welchen Weg man sich entscheiden sollte." Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht ist Partner bei der Kanzlei Keussen Kühmichel Furkert in Chemnitz. Sein Partner Thomas Keussen ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, seine Partnerin Ute Furkert Steuerberaterin. Unterstützt werden sie von mehr als 30 Mitarbeitern. Die Kanzlei betreut zu fast 90 Prozent Unternehmen. Größere Themen werden im Team geklärt. Je nach Schwerpunkt arbeiten hier Rechtsanwälte, Steuerexperten oder Fachleute für Bilanzen zusammen. Wenn Unternehmen einen Rechtsanwalt aufsuchen, geht es häufig gleich um ein ganzes Paket von rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen. Interprofessionelle Kanzleien sind hier im Vorteil. Im besten Fall können sie auch komplexe wirtschaftliche Aufgabenstellungen bearbeiten. Bei fachfremden Leistungen muss der Mandant nicht weiter verwiesen, sondern kann innerhalb der Kanzlei von einem Berufsträger weiter beraten werden. So bleibt er als Mandant erhalten.

Interprofessionelle Kanzleien blicken positiver in die Zukunft

Allgemein scheint dies gut zu funktionieren: Während laut DATEV Imageanalyse, einer regelmäßigen Umfrage unter Rechtsanwälten, die Zukunftszuversicht bei Rechtsanwälten insgesamt rückläufig ist und nur 67 Prozent der Befragten glauben, für schwierige Zeiten gut gerüstet zu sein, sind Rechtsanwälte in interprofessionellen Kanzleien deutlich optimistischer. In diesen Sozietäten sehen sich 84 Prozent gut auf die Zukunft vorbereitet. Mit wem sich Rechtsanwälte zu Sozietäten zusammentun können, regelt § 59a Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Hier sind die möglichen Berufe abschließend aufgelistet: Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer. Diese doch sehr starke Reglementierung wird allgemein mit dem Mandantenschutz begründet: Nur bei Berufen mit vergleichbaren Pflichten sollen dessen Belange gewahrt sein. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob diese strenge Reglementierung noch sinnvoll ist. Nun soll das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klären, ob nicht auch Partnerschaften mit bisher nicht sozietätsfähigen Berufen möglich sind. Der Bundesgerichtshof hat diesbezüglich eine Anfrage an das Bundesverfassungsgericht gestellt. Geklärt werden soll, ob § 59a  Abs. 1 BRAO mit Art. 3 Abs.1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. In dem entsprechenden Fall hatte ein Rechtsanwalt mit seiner Frau, einer Ärztin und Apothekerin, eine Partnerschaftsgesellschaft gründen wollen – als eine interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und Apothekers.

Architekten, Ärzte, Psychologen: derzeit nur Kooperationen möglich

Bis abschließend geklärt ist, ob auch solche Partnerschaften zulässig sind, muss sich die Zusammenarbeit mit nicht-sozietätsfähigen Berufen auf Kooperationen beschränken. Dabei ergeben sich Grenzen der Zusammenarbeit aus den anwaltlichen Pflichten zur Unabhängigkeit und Verschwiegenheit. Es muss darauf geachtet werden, dass zwischen dem Mandanten und den Kooperationspartnern ein eigenständiges Vertragsverhältnis entsteht. Spannend sind solche Kooperationen etwa im Baurecht. Hier ist die Zusammenarbeit mit Architekten oder Bausachverständigen denkbar. Denn die Spezialisten können etwa bei der Bewertung von Immobilien oder der Mängelprüfung mit einer Einschätzung helfen. Für Stephen Kühmichel sind auch Kooperationen mit anderen Berufsgruppen eine Selbstverständlichkeit. In seinem Netzwerk kann er sogar auf geschulte Kommunikationspsychologen verweisen. "Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten könnte ich mich darauf beschränken, für meinen Mandanten eine Kündigung zu betreuen", sagt Kühmichel. Doch was, wenn der Mandant eigentlich gar nicht kündigen wolle? Wenn etwa Konflikte mit den Mitarbeitern im Raum stünden, könnten Gespräche mit dem Kommunikationspsychologen sinnvoll sein. Doch was hat man davon? Schließlich verdient man daran als Anwalt kein Geld. "Wir schauen nicht auf die kurzfristige Beratungsleistung. Sondern darauf, dass der Mandant zufrieden ist", sagt Kühmichel. Denn dann sei eine Mandatierung auch nachhaltig. "Dann weiß ich, dass mein Mandant auch morgen und übermorgen wieder zu mir kommt." Darauf sollten Sie achten: • Wenn Ihre Mandanten Wert auf eine umfassende, nicht nur rechtliche Beratung legen, könnte eine interprofessionelle Kanzlei für Sie interessant sein. • Klären Sie vorab, wie mit Streitigkeiten im Team umzugehen ist: Nicht immer führen eine steuerlich optimale Lösung und ein rechtlich einwandfreier Vorschlag zum selben Ergebnis. • Die Zusammenarbeit mit nicht-sozietätsfähigen Berufen darf derzeit nur in Form von Kooperationen stattfinden. Hier ist eine saubere Trennung wichtig.

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