Bis zu 3.000 Euro für die Beschäftigten
LTO: Frau Dr. Biester, als Reaktion auf die hohe Inflation hat die Bundesregierung die Inflationsausgleichsprämie auf den Weg gebracht. Wer kann die wie bekommen?
Dr. Frauke Biester: Bekommen kann die Inflationsausgleichsprämie jeder Arbeitnehmer, auch Auszubildende und Werkstudenten, vorausgesetzt, dass die Arbeitgeber sie bezahlen können und wollen. Das ist also keine Zahlung des Staates, wie einige annehmen, sondern eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. Die Beschäftigten haben also grundsätzlich keinen einklagbaren Anspruch darauf.
Die Arbeitgeber können ihren Beschäftigten bis zu 3.000 Euro netto zukommen lassen. Das können sie in einer Einmalzahlung machen, in Tranchen oder quartalsweise bis Ende des Jahres 2024 – oder eben gar nicht. Ob also die Unternehmen den Betrag teilweise oder in voller Höhe, einmalig oder gestückelt auszahlen: All das ist ihnen überlassen. Die Arbeitgeber sind also sehr frei in ihren Entscheidungen.
Beispiele aus der Praxis gibt es einige: von der Zahlung der 3.000 Euro, Teilbeträgen oder gestaffelten Zahlungen. Ich habe in einem Produktionsunternehmen erlebt, dass ein Arbeitgeber sich Sorgen machte, dass die Mitarbeiter die Gas- und Strompreise bald nicht mehr bezahlen können. Er zahlt daher seit Oktober bis Ostern jeden Monat 100 Euro Inflationsausgleichsprämie an seine Beschäftigten aus. Ob er die Auszahlungen danach weiterführt, will und muss er von der Geschäftsentwicklung seines Unternehmens abhängig machen. Denn auch das darf man ja nicht unterschätzen: Einigen Unternehmen geht es noch immer gut, viele – und gerade Produktionsbetriebe – haben aber ja auch selbst mit den gestiegenen Kosten zu kämpfen.
Wenn eine Person im Unternehmen die Inflationsausgleichsprämie bekommt, muss sie dann allen Beschäftigten gewährt werden?
Ich bin der Meinung, dass Arbeitgeber über die Art und Höhe der Auszahlung individuell entscheiden und auch unterscheiden können, wenn treffende sachliche Differenzierungsgründe bestehen. Natürlich dürfen Arbeitgeber nicht diskriminieren oder willkürlich handeln. Aber zu entscheiden, dass z.B. Beschäftigte mit einem Jahresgehalt von 100.000 Euro die Prämie nicht bekommen, die Menschen mit 30.000 Euro aber durchaus, halte ich für möglich und erlebe dies in der Praxis auch oft. Denn die Idee ist ja, die Härte der aktuellen Lage abzumildern. Und die Inflation trifft in der Regel Beschäftigte mit niedrigerem Einkommen härter als diejenigen mit hohem Einkommen.
Denkbar wäre aus meiner Sicht daher durchaus, sich an den Beitragsbemessungsgrenzen zu orientieren. Die Grenze für die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt beispielsweise aktuell bei monatlich 7.050 Euro (West, 6.750 Euro im Osten).
Kein Einfluss auf Bonuszahlungen
Viele Beschäftigte haben Bonuszahlungen mit ihren Arbeitgebern vereinbart. Stehen diese neben der Inflationsprämie oder sind diese bei der Bemessung zu berücksichtigen?
Wenn es einen Anspruch auf arbeits- oder tarifvertraglich gewährte Leistungen gibt, hat die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie darauf keinen Einfluss, egal, ob es etwa das Weihnachtsgeld oder eine Bonuszahlung ist. Diese bisher schon an die Angestellten gewährten Leistungen dürfen auch nicht in diese Prämie umgewandelt werden. Das war übrigens bei der in § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz (EstG) normierten Corona-Prämie auch schon so.
Wir empfehlen, in einem Anschreiben oder – wenn entsprechend vereinbart - in einer Betriebsvereinbarung entsprechend der Formulierung in § 3 Nr. 11c EstG – dort ist jetzt die Inflationsausgleichsprämie geregelt – zu vereinbaren, dass die Leistung zusätzlich zum Gehalt als Inflationsausgleichsprämie gewährt wird. Dann ist diese Zahlung steuer- und abgabenfrei.
Die Leistung muss übrigens gar nicht in Geld ausgezahlt werden, sie könnte auch als Sachleistung gewährt werden.
Gibt es weiterhin die Möglichkeit der Sachzuwendung und wie stünde diese dann im Verhältnis zur Inflationsprämie?
Arbeitgeber haben weiterhin die Möglichkeit, ihren Beschäftigten steuer- und abgabenfrei Sachleistungen in Höhe von 50 Euro monatlich zukommen zu lassen, was in der Praxis übrigens ein sehr beliebtes Instrument ist. Dazu gibt es beim Bundesministerium der Finanzen einen Katalog mit allen Sachleistungen, die steuerfrei gewährt werden können, wie etwa Essens- oder Tankgutscheine. Dort ist auch erklärt, wie die Gewährung erfolgt.
Wenn Arbeitgeber diese Sachleistung schon bisher gewähren, kann auch diese Leistung nicht umgewandelt werden in die Inflationsausgleichsprämie. Wenn aber eine Umwandlung nicht möglich ist, so ist nach unserem Verständnis auch eine Anrechnung ausgeschlossen.
Diese Leistung könnte womöglich auch befristet vereinbart werden, falls den Unternehmen die Höhe der Inflationsausgleichsprämie als Entlastung nicht ausreicht – ich schätze aber, das wird eher die Ausnahme sein.
Inflationsprämie vermutlich pfändbar
Wäre die Inflationsausgleichsprämie pfändbar?
Auch das ist bisher nicht beantwortet. Es gibt die Meinung, dass alles, was sozialversicherungsfrei gezahlt wird, nicht pfändbar ist. Bei dem Blick in die Gründe für die Unpfändbarkeit der Leistungen geht es allerdings vor allem um Erschwerniszulagen für harte Arbeit, etwa nachts oder verbunden mit starkem Schmutz oder Lärm.
Die Inflationsausgleichsprämie kompensiert aber ja nicht die Härte der Arbeit, sondern eben die Inflation, die Arbeit ist gleichgeblieben. Es bleibt abzuwarten, wie Gerichte entscheiden werden.
Die Corona-Prämie war nicht pfändbar. Dabei ging es um einen Ausgleich für die erschwerten Arbeitsbedingungen etwa durch Masken- und Abstandsregelungen.
Welche weiteren Möglichkeiten haben Unternehmen, die Beschäftigen zu unterstützen?
Wir sehen, dass die Unternehmen sich sehr viele Gedanken machen.
Viele Unternehmen helfen finanziell. Einige überlegen, die Arbeitsbedingungen sogar bewusst komfortabel zu halten, indem sie etwa die Raumtemperaturen eben nicht zu sehr absenken, sondern bewusst den warmen Arbeitsplatz im Unternehmen anbieten. Das meinen viele tatsächlich als Unterstützung, weil Beschäftigte gesagt haben, dass sie zuhause nicht oder nur ganz wenig heizen. Die Mitarbeiterin eines Unternehmens hatte gesagt: "Ich habe das Gefühl, ich werde gar nicht mehr warm." Also macht das Unternehmen es jetzt wieder warm. Als Ausgleich für die höheren Kosten reduzieren einige Unternehmen dann allerdings beispielsweise die Nutzungsflächen, so dass effektiv weniger Fläche zu heizen ist.
Wirtschaftlich können die Unternehmen natürlich auch mehr auszahlen als die 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie, der darüberhinausgehende Betrag unterliegt dann aber Steuern und Abgaben.
Regelmäßig mit dem Betriebsrat kommunizieren
Welche diese Zahlungen müssen mit dem Betriebsrat abgesprochen werden, weil der ein Mitbestimmungsrecht hat?
Die Frage des "Ob" der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ist nicht mitbestimmungspflichtig, das können die Unternehmen allein entscheiden. Bezüglich des "Wie" der Zahlung, also z.B., unterschiedlicher Beträge je nach Vergütungsgruppen, Teilbeträgen etc. gibt es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Allerdings kann sich ein Betriebsrat natürlich unabhängig vom "Ob", also der freien Grundsatzentscheidung des Arbeitgebers, immer einbringen und seine Argumente vorbringen. Denn es hilft ja bei all diesen Themen immer, miteinander zu reden. Der Betriebsrat hat meist einen guten Einblick in die Belange und Nöte der Belegschaft, kann diese dem Unternehmen weitergeben und umgekehrt auch gemeinsam mit dem Arbeitgeber gute Informationen an die Mitarbeiter weitergeben.
Im Jahr 2021 sprachen alle noch von der Corona-Prämie. Gibt es diese noch und könnte sie immer noch ausgezahlt werden?
Nein, die ist im März 2022 ausgelaufen. Nach der Regelung durften insgesamt 1.500 Euro ausgezahlt werden. Sollte diese Summe – etwa teilweise – im Jahr 2022 ausgezahlt worden sein, hätte das aber wiederum keine Auswirkungen auf die Inflationsausgleichsprämie.
Frau Dr. Biester, vielen Dank für das Gespräch.
Die Interviewpartnerin Dr. Frauke Biester ist Gründungspartnerin der Arbeitsrechtsboutique Vangard und am Standort Düsseldorf tätig. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin.
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2022 M12 6
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