Die Liberale – Alexandra Thein
1963 in Bochum geboren lebt die neue FDP-Vorsitzende Alexandra Thein seit dem Referendariat in Berlin. Sie will als Europaparlamentarierin das Güterrecht harmonisieren und die Belange ihrer Wahlheimat auf die europäische Ebene tragen.
"Liebe kennt keine Grenzen" hat Thein auf ihre Wahlplakate geschrieben. Besonders wichtig ist ihr unter anderem die Harmonisierung des Güterrechts, will sie damit sagen. Denn längst sei jede sechste Ehe in der EU binational, hinzu kämen Partner mit derselben Staatsangehörigkeit, die entweder gemeinsam oder getrennt in anderen EU-Staaten leben. Sie alle hätten potentiell mit güterrechtlichen Dingen zu tun. Und da sei es wichtig, zu wissen, welches Gericht zuständig und welches Recht anwendbar ist, und dass gerichtliche Entscheidungen grenzüberschreitend anerkannt werden.
All das sollen nun zwei Verordnungen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts und eingetragener Partnerschaften erreichen. Thein hat daran als Berichterstatterin des Parlaments mitgewirkt. "Dabei haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen. Entscheidend für die Beantwortung der Fragen ist nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern der Lebensmittelpunkt der Parteien."
Den Osten der EU stärker ins Bewusstsein rücken
Als Student könne man noch problemlos von einem Mitgliedstaaten in den nächsten ziehen. Sobald man eine Familie mitbringt, sei es aber schon nicht mehr so einfach. Dafür, dass die Freizügigkeit tatsächlich im gesamten Familien- und Erbrecht gewährleistet wird und nicht nur in der EU-Grundrechtecharta geschrieben steht, möchte sich die FDP-Politikerin auch in den kommenden Jahren einsetzen.
Außerdem steht auf ihrer Agenda die "One Seat"-Kampagne – das Europaparlament soll nur noch einen statt wie bisher drei Sitze haben. Ende 2013 beantragten die Abgeordneten, selbst darüber entscheiden zu können, wo und wann sie tagen. "Der politische Druck ist mittlerweile so hoch, dass ich mir vorstellen kann, dass da in den nächsten fünf Jahren Bewegung reinkommt", sagt Thein.
Sie plädiert allerdings nicht dafür, dass Parlament komplett nach Brüssel in die Nähe der Kommission zu verlagern. Es zieht sie weiter in die Mitte der EU. "Brüssel und Straßburg liegen viel zu weit im Westen, unser Blick ist im Moment außerdem zu häufig gen Süden gerichtet. Das trägt der Situation der EU nach der Osterweiterung nicht Rechnung." Zwar will sie nicht bis nach Warschau oder Prag ziehen, Berlin sei außerdem kaum durchsetzbar, aber Wien wäre doch eine gute Alternative. Der Osten der EU könnte so stärker ins Bewusstsein der Europapolitiker rücken.
Im Parlament fehlen die Praktiker
Bevor Thein 2009 ins Europaparlament einzog, war sie fast 20 Jahre Vollzeit als Anwältin und Notarin in Berlin tätig. Gesellschafts- und Grundstücksrecht, Erb- und Familienrecht – all das ist ihr aus der Praxis vertraut. "Natürlich muss man nicht für jedes politische Thema Jurist sein - um das Güterrecht oder Wohnimmobilienkreditverträge zu verstehen, aber schon", meint die FDP-Politikerin.
"Es gibt im Parlament außerdem viel zu wenige Praktiker. Das hat man auch bei den Verhandlungen zur Datenschutzreform gemerkt." Daran hätten zwar Juristen entscheidend mitgewirkt, aber ohne die nötigen Kenntnisse aus der täglichen Arbeitswelt. "Dabei kommt dann etwas heraus wie die Forderung nach einem Datenschutzbeauftragten für Notariate, obwohl dort doch jeder vereidigt ist. Oder es wird zu wenig über Pool-Lösungen für Datenschutzbeauftragte kleinerer Unternehmen nachgedacht."
Insgesamt befürchtet Thein, dass die Datenschutzreform mittelständische Unternehmen zu sehr mit bürokratischen Pflichten belasten könnte. Dabei sollte es doch vor allem die Großen treffen – Google und Facebook. Aber noch seien die Verhandlungen ja nicht zu Ende.
Eigentlich hatte die FDP-Politikerin ihre Ausbildung bereits auf eine Karriere bei der EU-Kommission ausgerichtet. Aber dann kam der Mauerfall dazwischen. "Berlin war damals einfach die interessanteste Stadt der Welt, auch juristisch." Irgendwann sei sie als Anwältin so etabliert gewesen, dass ihr der Absprung immer schwerer gefallen sei. Am Ende hat sie ihn dann aber doch gewagt.
Foto: alexandra-thein.de