Geschichte des Feminismus: Nicht nur Heldinnen und Heilige Dass schon manch führende Frau des frühen Feminismus mit beiden Beinen im Sumpf des Zeitgeists steckte, illustriert die Geschichte von Clara Brett Martin (1874-1923), der ersten Rechtsanwältin Kanadas. Als 16-Jährige erwarb Martin 1890 den Bachelorgrad im Fach Mathematik, einer damals wie heute als "männlich" verschrienen Disziplin. Im Folgejahr mühte sie sich, zunächst vergeblich, um die Aufnahme in die "Law Society of Upper Canada" – was Voraussetzung für die Ausbildung und Zulassung zum Solictor war. Die Juristenausbildung öffnete sich Martin erst nach Lobbyarbeit und Änderung des Satzungsrechts im Folgejahr. Anders als manche Kollegin in den USA arbeitete Martin nach dem Erwerb des juristischen Bachelor- und Mastergrads (1897/1899) tatsächlich als Anwältin, mit Schwerpunkten im Erb-, Familien- und Immobilienrecht. Im Rahmen einer gewissen Heiligenverehrung wurden seit den 1960er Jahren Workshops feministischer Juristinnen nach Martin benannt, ein Universitätsinstitut für feministische Rechtswissenschaft sollte zuletzt ihren Namen erhalten. Dass 1990 ein antisemitisches Schreiben Martins bekannt wurde, machte dies zunichte und kratzt bis heute an ihrem Image – dabei waren gar nicht wenige frühe Feministinnen glühende Rassistinnen, Antisemitinnen oder hingen dem Gedanken an, "sozial Minderwertige" müssten kastriert werden. Clara Brett Martin, Bild © wikimedia, gemeinfrei Kanada