Kein Aushängeschild des indischen Patriarchats … … war offenbar die indische Juristin Anna Chandy (1905-1996). Als Tochter einer syrisch-christlichen Familie in Südindien geboren, erwarb sie als erste Frau der Region, womöglich ganz Indiens, einen juristischen Abschluss und wurde 1926 als Barrister zugelassen. Publizistisch und politisch trat Chandy für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Das war ein anderes Format als gendersensible Sprache in Behördenschreiben durchzusetzen: Es galt, Zwangsheiraten zurückzudrängen, das Heiratsalter anzuheben und den gleichberechtigten Eintritt von Frauen in das Erwerbsleben zu erkämpfen. Ungeachtet ihrer streitbaren und umstrittenen Publizistik wurde Chandy 1937 zum "munsif", ihrem ersten Richteramt berufen, 1947 folgte die Beförderung zur Distriktrichterin. Zwischen 1959 und 1967 diente sie am Kerala High Court, einem der 24 Obergerichte des nun unabhängigen Indiens. Obwohl Anna Chandy auf nahezu allen Karrierestufen die erste Frau war und der Wandel der Geschlechterverhältnisse in orientalischen Ländern wie Indien gewiss eine größere Revolution darstellt als der mörderische Spuk der nationalen Unabhängigkeit, ist Chandy außerhalb ihres Heimatlandes unbekannt. Stattdessen verehrt die Welt ihren esoterisch angehauchten Juristenkollegen, einen gewissen Mohandas "Mahatma" Ghandi. Anna Chandry © wikimedia, public domain India